„Es dämmert in Jerusalem, während Mitternacht sich über die Säulen des Herkules legt. Alle Zeitalter sind gegenwärtig.“
(Ezra Pound)
Die seit 1980 entstehenden Zyklen lyrisch-epischer Dichtungen zeigen Landschaften verschiedenster Regionen auf – unter den wechselnden Gesichtspunkten von Natur, Geschichte und Kultur.
Poesie ist inspirierte Mathematik, die uns Gleichungen liefert, nicht für geometrische Figuren, sondern für Emotionen. Und so fügen sich die einzelnen, nach musikalisch-mathematischen Prinzipien geordneten Dichtungen zu einem Großen Zyklus. Es sind Rundblicke, die das Anfängliche und Aktuelle altersloser Mächte aufzeigen.
Von den vorgesehenen (ca.) 100 Dichtungen liegen bisher 94 vor. Die früheren Arbeiten tragen eher lyrischen Charakter, die späteren einen epischen.
Johannes Babel, der Fahrende Sänger, verläßt – von Logus, dem Gefährten, begleitet – das mittelalterliche Erfurt, sein „Babylon“, und zieht hinaus in die Große Welt. Was er da sieht, hört oder denkt, ist in dem umfassenden Text festgehalten.
*
Die Zyklen sind unterschiedlich lang, von zwölf Versen beim Ursprungsgedicht „Die Laute“ bis zu 448 Versen bei „Die Lichter von Lyonesse“. Die Metren orientieren sich an altgriechischen Mustern.
Klaus Berthel prägte schon im Jahr 1979 für Werneburgs Dichtungen in einem Aufsatz die Formel „Zwischen Licht und Geheimnis“. Ihr Thema ist der immerwährende Kampf zwischen lichten und dunklen Mächten, in der Psyche wie in der äußeren Wirklichkeit.
J. W. wurde acht Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs geboren, was nicht nur die Kindheit prägte. Den Widerschein dieser übergreifenden Auseinandersetzung gestaltet er in Mythen und Symbolen des ganzen Erdballs. Sie liefern eine Antwort auf die Frage: Was ist der Mensch?
Letztlich geht es um den ewigen Streit zwischen Sonne und Schwarzmond, den schöpferischen und zerstörerischen Kräften.
*
„Schweb empor, mein Traumgebäude,
Über meinem Untergang!"
(aus: „Das Nordlicht" von Theodor Däubler)
Im Weltgedicht zeigt sich Selbsterkenntnis als eine Reise durch vier Kontinente. Diese umgreift, nach C. G. Jung, die vier oder dreihundertsechzig Aspekte des Seins.
Die mystische und auch die tatsächliche Fahrt verfolgen den Zweck, nahezu alle Teile der Welt, nämlich die ganze Erstreckung des Bewußtseinsmöglichen, zu erfassen.
Die Erfahrung des Ich, gespiegelt in den zehntausend Dingen der Welt, stellt die Dichtung dar.
*
Die Gedichte beschränken sich nicht auf naturalistische Darstellung. Das Sichtbare allein wiederzugeben, reicht nicht aus.
Ein Rückgriff auf Symbole, die seit Jahrtausenden gelten, läßt Unsichtbares, Transzendentes erfahrbar werden. Symbolik ist ein Medium, das Unsagbare auszudrücken, sie ermöglicht den Zugang zu höheren Wirklichkeitsbereichen.
Die Dichtung spiegelt das Weltgefüge wider, indem sie Prinzipien, Ordnungen und Hierarchien sichtbar macht.
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„Ich reise, um meine Träume zu überprüfen.“ (Gérard de Nerval)
Die einzelnen Gedicht-Folgen sind in verschiedenen Büchern publiziert worden. So gibt der Band „Thüringer Meer“ (entstanden von 1977 bis 1988) die Darstellung der Kleinen Welt, den Mikrokosmos, die poetischen Provinz.
„Die Schlangenfüßige Göttin“ (1987 bis 1993) bedeutet die Häutung der Schlange, den Übergang Kleine Welt / Große Welt. Der Osten Deutschlands hat sich nicht nur politisch geöffnet. Die entfernteren Schauplätze des Weltgedichts werden vor Ort in Augenschein genommen.
„Das Zeitalter der Eidechse“ (1994 bis 1996) bringt eine Begegnung von Land und Meer, von mitteleuropäischer und westlicher, keltischer Überlieferung.
„Die Klage der Gorgonen“ (1997 bis 2007) konzentriert sich auf das Mittelmeer, Sizilien als das Herz. Die Insel scheint, wie im Blutkreislauf, die Himmelsrichtungen mit ursprünglicher Kraft zu versorgen: nach Westen Andalusien und Wales, gen Süden Afrika, östlich Zypern und im Norden Deutschland.
Die „Wiederkehr des Delphins“ (2008 bis 2013) führt aus einem Paradies im Atlantik, vorbei an sardischen Kriegern, zur endzeitlichen Wöbelsburg. Derwisch, Brahmane und Gelber Drache retten jedoch die Welt. Die Libelle, Regisseurin eines Nō-Spiels, zeigt Landschaften Japans.
„Der Untergang Europas“ (2013 bis 2019): Das Maurische Tor gibt den Weg frei nach Karthago. Europa, die Königstochter, geht ins Wasser. Der Maler Walter Werneburg schafft indessen sein Werk. Orpheus, Parmenides und Zarathustra besprechen den Untergang. Schweigen läßt sie Shivas Tanz. Einen Ausweg zeigt Buddha.
„Das Drachenboot“ (2019 bis 2024): Mit Erfurter Zaubersprüchen gelingt die Begegnung der für immer Getrennten auf dem Wikingerschiff. Den Einsatz in Rußland verbüßt ein Soldat in der Gießerei von Saratow, mit Kunst rettet er sein Leben. Die gefiederte Schlange verbindet Ostindien und das Zweistromland mit Mexiko.
Die drei Prosa-Bände „Das Kupferbergwerk“, „Notizen auf der Felswand“ und „An der Schwelle des Erwachens“ präsentieren Fragmente, die Einblick geben in das Laboratorium der Worte, die Geometrie der Sätze. Sie offenbaren den Ursprung des Weltgedichts.
*
Im Folgenden werden die Zyklen vom jüngsten bis zum frühesten chronologisch und in ihrer thematischen Vielfalt aufgeführt.
94.
Montserrat, 2025
Katalonien
Zeus, der Stier, schwimmt nach Spanien, wird von einem Torero verletzt und der Madonna geheilt.
93.
Steinerne Zeugen***, 2024
Erfurt
Der Rabenstein erinnert an den Galgen vor der Stadtmauer, wo kluge Vögel den Toten belehrten.
92.
Die Mauern von Uruk, 2024
Südlicher Irak, Mesopotamien
Der Skorpionmensch gibt den Weg frei - nach einem Garten mit Edelsteinbäumen.
91.
Der Mantel des Jaguars, 2023
Halbinsel Yucatán (Mexiko)
Blaugefiederte Schlange rastet auf dem Baum des Lebens.
90.
Der Kobersfelsen, 2023
Die Saale von der Hohen Warte bis zu den Bleilöchern
Der Wisent flieht in das Schiefergebirge, denn der Steintanz auf der Werrenburg geht zu Ende.
89.
Der Entwurf einer Kugel
Nach dem Globusspiel des Nikolaus von Kues, 2022
Die Mosel von Trier bis Koblenz
Römisches Schiff stößt mit dem Bug gegen eine Bacchus-Skulptur, Wein spritzt über die Planken.
88.
Die Otternburg, 2022
Weimar
Die Klassiker verlassen ihre Stadt und kehren, nach einem Krieg gegen den Bärenhäuter, wieder zurück.
87.
Erfurter Zaubersprüche, 2021
Thüringen
Gespräch der aus den Wassern geborenen Sibylle mit einem Mystiker, vielleicht Meister Eckhart.
86.
Russischer Frühling**, 2021
Saratow, Südwestrußland
Der Kriegsgefangene Walter Werneburg malt im Haus des Offiziers eine Rose an die Decke.
85.
Die Babenberger Apokalypse, 2020
Bamberg, Oberfranken
Der Blitz schlägt ein in den Dom, ein Bach geschmolzener Metalle fließt durch die Stadt.
84.
Die Langhalslaute, 2020
Sukhothai, Ayutthaya, Bangkok (Thailand)
König Rama gerät in Not; und nur ein Affe, Sohn des Windes, vermag ihm zu helfen.
83.
Der Feuervogel, 2020
Petersburg, Kirillo-Beloserski-Kloster, Onega-See
Wer im Schloßpark den hellichten Vogel jagt, dem kommt der Knochenmann ins Gehege.
82.
Das Drachenboot. Eine Elegie****, 2019
Insel Sjælland (Seeland, Dänemark)
Begegnung mit Sören im Seelenland, auf einem Boot, vielleicht im Hafen von Roskilde.
81.
Der Blick des Ahriman, 2019
Persepolis, Yazd, Isfahan, Schiras (Iran)
Zarathustra erkennt sein heiliges Feuer in den Kacheln einer Moschee wieder.
80.
Apulischer Orpheus, 2018
Apulien, Basilicata (Unteritalien)
Der Leierspieler geht noch mal in die Schule – bei Pythagoras.
79.
Der Löwenfelsen. Eine buddhistische Phantasie, 2017
Sigiriya (Löwenfelsen), Sri Lanka (Ceylon)
Ein König schafft, hoch oben auf dem Felsen, eine Hoch-Kultur – und lernt darauf zu verzichten.
78.
Der Untergang Europas****, 2017
Knossos, Kreta
Die phönizische Königstochter Europa geht, von ihrem Liebhaber vernachlässigt, ins Wasser.
77.
Der Kopf des Parmenides, 2016
Elea, Kampanien
Der Philosoph erliegt kurzzeitig dem törichten Geruch des Schopf-Lavendels.
„Ein Nachfahre des Parmenides sollte dem Umfang nach
nicht mehr sagen als die erhaltenen Fragmente;
dem Inhalt nach wird es notwendig weniger.“
Martin Heidegger an Hannah Arendt, am 10. III. 1972
76.
Der Triumph des Baal, 2015
Tunesien
Die Oase in der Wüste, Karthago in Not – und eine Purpur-Aster Paul Klees.
75.
Oppershäuser Blätter**, 2015
Vogtei im Nordwesten Thüringens
Die Jugend des Malers Walter Werneburg zwischen dörflicher Tradition und Weltkrieg.
74.
Der Mangobaum, 2014
Südindien
Parvati kommentiert, an den Baum gelehnt, eher ironisch den kosmischen Tanz Shivas, ihres Gefährten.
73.
Maurisches Tor, 2014
Marokko
Muslimisches Nordafrika – und seine Kunde von der Magie.
72.
Äolus, 2013
Nordosten Siziliens
Wind, von den Äolischen Inseln her, bringt mafiose Strukturen durcheinander.
71.
Das Rad des Gelben Kaisers, 2013
China
Der Himmel ist hoch, die Erde ist niedrig,
das Schöpferische und das Empfangende.
(aus dem I Ging, dem Buch der Wandlungen)
70.
Atlas, 2012
Teneriffa
Zwar nicht der Drachenbaum, aber ein Vulkan wird bestiegen.
69.
Die Insel der Libellen, 2012
Japan
Die Baumnymphe läßt sich herab, in einem Buddha-Tempel zu tanzen.
68.
Die Lanze des Achill, 2011
Lykien, Anatolien
Die Lanze trifft immer noch, aber Apoll wird demokratisch abgewählt.
67.
Indische Sprüche, 2010
Nordindien
Krishna, gar nicht friedlich, bringt den Untergang der gealterten Welt (Bhagavad-Gita IV, 7-8).
66.
Sardischer Brunnen, 2010
Sardinien
Aus dem bronzezeitlichen Rundbau – eine Kriegserklärung an die Gegenwart.
65.
Alara Han, 2009
Südliches Anatolien
Ein Sufi gelangt in Ekstase, doch nicht zu Gott, sondern zur Geliebten.
64.
Pfuhlsborn, 2009
Saaleplatte, Weimarer Land
Der Wurm im Apfel, das Pferd stürzt – Wodan hilft ein letztes Mal.
63.
Die Schildkrötenleier, 2009
Griechenland
Athene bewirft den Akropolis-Besucher mit einer Olive.
62.
Die Wöbelsburg, 2008
Hainleite, Thüringen
Löwenzahn und Kreuzblume stürmen die Burg des Hirsches (Völuspá 40 ff).
61.
Die Wiederkehr des Delphins, 2008
Anatolien
Nach dem Fall Trojas keine Gedichte mehr schreiben dürfen …
60.
Der Diskos von Phaistos, 2007
Phaistos, Kreta
Anreise auf einem Nashornkäfer, um Ariadne zu verführen.
59.
Hoch Hilgor, 2007
Insel Rügen
Im Leib des Hünen brätst du dem Widerspenstigen die Leber weich.
58.
Am Venedigerstein, 2007
Harz
Dem Fremden mit dem Walenbuch wird der Spiegel zerschlagen.
57.
Das Gradierwerk, 2006
Kyffhäusergebirge
Einem Salzsieder gelingt die Königliche Kunst.
56.
Der Berg des Philosophen, 2006
Östliches Sizilien
Die Quelle Arethusa, eine gereifte Schönheit, zeigt sich erfreut über ihren Süßen.
55.
Der Käferberg, 2006
Weißensee in Thüringen
Abgewiesener Minnesänger gelangt als Käfer zur Angebeteten.
54.
Die Blaue Lilie, 2006
Regensburg
Der Sänger, auf die Hauswand gemalt, triumphiert über Goliath.
53.
Die Nachtbarke, 2005
Ägypten
Falke und Krokodil kommentieren die Nachtmeerfahrt der Sonne.
52.
Der Granatapfel, 2005
Andalusien
Eine Schwalbe zahlt für den Alhambra-Palast keinen Eintritt.
51.
Die Burg des Zaunkönigs, 2004
Buchfart bei Weimar
Kriegerische Burg des Vogels – nur ein Spiegelbild im Schaufelrad der Wassermühle.
50.
Eckartsberga, 2004
Burgenland in Sachsen-Anhalt
Winde über der Via Regia, sie bringen weder Tücher aus Flandern, noch russische Felle ...
49.
Am Strudelborn, 2004
Eichsfeld und Freyburg an der Unstrut
Ein Dachs rät dem Heinrich von Veldeke, sein Troja-Gedicht zu vollenden.
48.
Die Klage der Gorgonen, 2004
Westliches Sizilien
Zwergtaucher und Sumpfschildkröte weichen den Schlangenhaarigen.
47.
Der Aurorafalter, 2003
Tiefenort, Wartburgkreis
Der Blitz paart sich tragisch der Zigeunerin, Himbeeren liefern den Beweis.
46.
Der Traum der Bachstelze, 2003
Bachstelzenweg an der Gera, Erfurt
Hungriger Vogel plant die Revolution, um alle Käfer allein fressen zu können.
45.
Der Schwarzdorn, 2003
Weimar-Ehringsdorf
Ein Pentagramm aus Schlehen begegnet Goethe.
44.
Der Trunkene Turm, 2003
Umbrien
Hohenstaufen-Kaiser und Heiliger Franz geraten beinahe in Streit.
43.
Der Schwarze Stein, 2002
Zypern
Hephaistos zerstückelt den Zuckerrohrstengel, den Süßen Aphrodites.
42.
Am Kap des Palinuro, 2001
Kampanien
Die Blutgrotte weckt Kriegserinnerungen, es ist aber nur roter Tang.
41.
Der Wandel des Gwyddyon, 2001
Wales
Eine Flucht vor der Fee Ceridwen, ein ganzes Baum-Alphabet entlang.
40.
Das Grab des Wächters, 2000
Schleswig-Holstein
Der schlauste Riese ist dümmer als ein dahergelaufener Wanderer. (Vafþrúðnismál)
39.
Hier ist Rhodos, 2000
Rhodos
Nicht nur in der Sokrates-Gasse ist der Mensch, was er ißt.
38.
Phantasie über die fünfblättrige Rose, 1999
Český Krumlov (Böhmisch Krumau), Südböhmen
Statt Gold liefert der Alchemist die Weisheit, und koste es auch sein Leben.
37.
Das Gesicht der Eule, 1999
Bretagne
Fußabdrücke auf dem Dolmen, sie führen ins atlantische Jahr.
36.
Etruskisches Tarot, 1997
Provinz Grosseto, Toskana
Ein Nordländer gelangt nach dem Süden, doch seine Eisblume schmilzt.
„Der unbekannte Erfinder des Alphabets gab uns den Ariadnefaden für das Labyrinth unserer Gedanken und einen Schlüssel zur Natur.“
Antoine de Rivarol
35.
Die Lichter von Lyonesse, 1996
Cornwall
König Artus wird von Schwertlilie und Vergißmeinnicht entmachtet.
34.
Das Zeitalter der Eidechse, 1995
Landkreis Weimarer Land
Isis und Osiris residieren auf dem Riechheimer Berg.
33.
Die Kraniche, 1994
Kranichfeld, Weimarer Land
Aus hohen Weidenbüschen wird das Haus der Sprache errichtet.
32.
Bacharach, 1994
Mittelrheintal
Ungleiche Straßen, klagt ein Liberaler, einige gewährten Vorfahrt.
31.
Die Felswand von Lioux, 1994
Département Vaucluse, Provence
Zwei Zikaden beten das Licht an und werden vom Papst verfolgt.
30.
Die Gletschermühle, 1993
Krimmler Achental, Land Salzburg
Zirbelkiefern und Schwarzerlen werden einander handgreiflich.
29.
Der Heilige See*, 1992
Opfermoor bei Niederdorla, Nordwest-Thüringen
Nur mit einem lecken Boot zu erreichen: das andere, jenseitige Ufer.
28.
Die Externsteine*, 1992
Teutoburger Wald
Die Elster hatte ihr glänzendes Metall nicht gut genug versteckt.
27.
Drosselberg*, 1992
südöstlich von Erfurt
Die Drossel ist mit ihrem Glänzen freigiebiger als die Sonne mit ihren Strahlen.
26.
Aus dem Bernsteinland*, 1991
historische Landschaft Ostpreußen
Zwar wohnt er nicht mehr in der Marienburg, der Marienkäfer …
25.
Das Tor der Völker, 1991
Iran
König Kyros breitet sich wie ein Weinstock über Asien aus.
24.
Aus dem Haraiti-Gebirge, 1991
Iran
Wer den Trank aus dem Hochgebirge erlangt, kann fliegen. (Yasna X, 8)
23.
Die Schlangenfüßige Göttin*, 1990
Skythien (Südrußland, Ukraine)
Wo Löwe und Stier einander fliehen, folgt auf die Nacht der Tag.
22.
Der Dunkle Fluß*, 1990
Thüringen
Kalkgeröll über den Lauf des Flusses Gera verteilt, ein Epos.
21.
Der Machandelbaum, 1990
Mittelthüringen
Rascheln im Gesträuch, allein für Elfenohren bestimmt.
20.
Böhmische Steine*, 1989
Böhmen
Rauch im Quarz ist verflogen, sichtbar sind die Zelte an der Moldau.
19.
Fahrt der Tiere*, 1988
Südwestfrankreich
Dem Vorsprung in der steinzeitlichen Höhle entweicht ein Stier.
18.
Die Wanderung*, 1988
Thüringen
Blumen und Sträucher wissen über den Wandrer mehr als er selbst.
17.
Die Merwigslinde, 1987
Nordthüringen
Slawen fahren den Fluß herunter, vermischen sich nicht ungern mit den Thüringern im Flachland.
16.
Die Orchidee, 1987
China
Der Kaiser malt lieber, statt sich um sein bedrohtes Reich zu kümmern.
15.
Der Gelbe Fluß*, 1987
China
Der Blaue Drache – nicht zu sehen, wie eine Pagode ohne Fugen.
14.
Slawische Tänze*, 1987
Ostthüringen
Der Slawengott Perun wird bei Tag besiegt, gewinnt aber des Nachts.
13.
Widukind, 1986
Rudolstädter Theater
Barocker Dichter zeigt den Helden im Kampf gegen Sarazenen.
12.
Durch das Isergebirge*, 1986
Nordwesten Böhmens
Im Haus des Glasbläsers muß die Tür wieder schnell verschlossen werden.
[Im südöstlichen Teil des Isergebirges, in Josefsthal (Josefův Důl), wohnte Margit Werneburg (geb. Görner), die Mutter von J. W., mit Eltern und Bruder bis zur Vertreibung.]
11.
Radegundis, 1986
Poitiers, Westfrankreich
Die Heilige bäckt für den römischen Dichter Venantius Fortunatus einen Pflaumenkuchen.
10.
Die Rabenfibel*, 1985
Thüringer Königreich
Der Heiden-König bietet seine besten Pferde für die ostgotische Prinzessin.
9.
Phantasie über die Libellen, 1985
Thüringen, mit Blick auf Japan
Halb Fisch, halb Flügeltier, die Libelle steigt aus der Larve.
8.
Kupferberg*, 1985
Ilmenau
Der Tintenfisch, als Autor, verdunkelt seinen Stil, um die Kritiker zu verwirren.
7.
Minnesprüche 2, 1985
Süddeutschland
Ein feiles Krämerzelt des Waldes – tauscht Vogelsang für Trauer.
6.
Hainich*, 1984
Westthüringen
Die Zwerge entfliehen, weil sie den Kümmel im Brot nicht vertragen haben.
5.
Minnesprüche 1, 1984
Burg Morungen, bei Sangerhausen
Das Schweigen des Sängers – mächtiger als des Königs Lanze.
4.
Babel. Verse über den Erfurter Humanistenkreis*, 1983
Mittelalterliches Erfurt
Die Elster des Dichters rief „Papst, Papst lebe wohl“ – und ward gesteinigt.
3.
Worte. Lutherisch*, 1980
Mittelalterliches Erfurt
Ein Zecher schlürft in seinem Gehäus die Buchstaben aus dem Kelch, den Bacchus ihm reicht.
2.
Erfurter Sage*, 1980
Mittelalterliches Erfurt
Ein Esel hat gelernt, aus dem Psalter des Rektors zu lesen.
1.
Thüringer Meer*, 1980
Vorgeburtlich
Jahrmillionen vor der Menschheit.
0.
Die Laute*, 1980
Ursprungsgedicht
Sechs Saiten – von der Schöpfung der Welt bis zur Dampfmaschine.
ALLE TÖNE DER WELT
Der Dichter „ist beschaulich wie der der bildende Künstler,
mitempfindend wie der Religiöse,
kausal wie der Mann der Wissenschaft:
er sucht alle Töne der Welt in sich nachklingen zu lassen
und diesen Gesamtklang aus sich herauszustellen ..."
nach Friedrich Nietzsche
Fragment aus dem Sommer 1872 bis Anfang 1873
)* Zu dieser Dichtung liegt ein Graphik-Zyklus von Walter Werneburg vor, enthalten in: „Die Rabenfibel. Gedichte und Druckgraphiken“, Scidinge Hall Verlag, Zürich 2010.
)** Zu dieser Dichtung liegen Graphiken von Walter Werneburg vor, enthalten in: „Die Taten des Lichts. Leben und Werk von Walter Werneburg (1922-1999)“, hrsg. v. Ingmar Werneburg, Scidinge Hall Verlag, Tübingen 2022.
)*** Zu dieser Dichtung liegt ein Graphik-Zyklus von Walter Werneburg vor.
)**** Zu dieser Dichtung liegt ein Graphik-Zyklus von Ingmar Werneburg vor.