Authoren: J.-E. Navarro-Barrientos, D. Herfert und A. Iwainsky, Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik e. V.
Laufzeit: 01.10.2010 - 31.05.2013
In der Bundesrepublik leiden gegenwärtig etwa 1,4 Millionen Menschen an den Folgen einer Demenz. Jährlich kom-men etwa 300.000 Menschen hinzu [1]. Ein bekanntes Praxisproblem ist die Festlegung des aktuellen mentalen Zustandes Dementer ohne ständigen persönlichen Kontakt. Anhand von klinischen Studien und der Berücksichtigung von aktuellen schon verwendeten psychologischen Tests wurden die Parameter Reaktionszeit und Formerkennung als maßgebliche Parameter zur Erkennung des aktuellen mentalen Zustandes festgelegt [2]. Aus diesem Grunde wurde im Rahmen eines ZIM-KF Kooperationsprojektes [3] ein spezielles Jump-and-Run Computerprogram entwickelt, bei dem die Reaktionen Dementer erfasst und im Hinblick auf ihren aktuellen mentalen Zustand ausgewertet wird.
Eine Spezifikation für die Realisierung einer Analyse zur automatisierten Klassifikation des mentalen Zustandes Dementer wurde festgelegt. Die Parameter Reaktionszeit und Formerkennung wurden als maßgebliche Parameter zur Erkennung des aktuellen mentalen Zustandes und für die Entwicklung eines Computerprogramms verwendet. Ein weite-res wesentliches Kriterium bei der automatisierten Erkennung des aktuellen mentalen Zustandes ist der Vergleich zwischen aktuellen und retrospektiven Testdaten. Anhand der zeitlichen Verläufe kann vom menschlichen Experten eine Aussage über den aktuellen mentalen Zustand getroffen werden [4]. Um dieses Wissen für die automatisierte Klassifi-kation abzubilden wurden Regelsysteme, die anhand des zeitlichen Verlaufes der Testresultate, eine automatisierte Klassifikation des aktuellen mentalen Zustandes vornehmen festgelegt. Um diese Regelsysteme nach ihrer Implemen-tierung anhand von realen Daten anzupassen, wurde der Ablauf einer Studie mit menschlichen Probanden festgelegt.
Es wurde nach medizinischen Vorgaben aus der Charité (Psychiatrische Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus) gemeinsam mit einem Künstler (Prof. Friedrich Porsdorf) ein System entwickelt mit einem Computerprogramm zur Klasse der Jump-and-Run-Spiele (siehe Abbildung 1-Links). Dieses Spielgenre lässt ein großes Spektrum von unterschiedlichen Aufgabenstellungen zu und ruft eine hohe Motivation für den Patienten hervor. Um ein möglichst breites Spektrum von Analysezielen abzudecken, sind innerhalb eines Levels zwei unterschiedliche Herausforderungen für den Patienten festgelegt. Die erste Herausforderung innerhalb des Spiels besteht im Überspringen von Hindernissen. Durch die akustische und graphische Hervorhebung von Absprungflächen wird der Patient bei der Aktion des korrekten Überspringens der Hindernisse unterstützt. Durch die zusätzliche Berücksichtigung von mehreren spielrelevanten Einstellungen (Anzahl der Hindernisse in einem Level, Größe der Absprungflächen, Zeit zwischen zwei Hindernissen, unterschiedliche Spielumgebungen u.a.) können durch die Berücksichtigung des Schwierigkeitsgrades, der Erfolgsquote beim Überspringen der Hindernisse und durch die Reaktionszeit des Patienten beim Überspringen eines Hindernisses wesentliche Leistungsparameter zur Analyse des aktuellen mentalen Zustandes Demenzkranker erfasst werden. Des Weiteren steht am Ende eines jeden Levels eine weitere Aufgabenstellung für den Patienten an. Hierfür muss der Patient ein Tor auswählen, durch das seine Spielfigur passt. Die Erkennung von identischen Formen ist ein weiterer wesentlicher Parameter, der zur Analyse des aktuellen mentalen Zustandes herangezogen werden kann. Nach der Beendigung einer Analyse werden die Resultate lokal gespeichert und zeitversetzt an einen Server gesendet. Die Analyse dieser Daten erfolgt durch den menschlichen Experten anhand von graphischen Auswertungen (siehe Abbildung 1-Rechts) über retrospektiven Daten. Zudem soll das hier vorgestellte Computerprogramm auch zum Training Dementer dienen. Durch die automatisierte und individuelle Berücksichtigung der Ergebnishistorie eines jeden Patienten werden die spielrelevanten Einstellungen für das Training angepasst.
Zu Testzwecken wurden verschiedene Interaktionsgeräte benutzt (siehe Abbildung 2). Das erste Interaktionsgerät ist ein ergonomischer Taster. Bei diesem Interaktionsgerät handelte es sich um einen kabelgebundenen, medizinisch zugelassenen und ergonomisch geformten Taster der via USB-Verbindung an den PC anzuschließen ist. Das zweite Interaktionsgerät ist ein energieautarker, kabelloser Interaktionsball von der Firma alpha-board GmbH, der seine Energie aus der einfallenden Strahlung auf Solarpanele bezieht und dessen Zusammendrücken in der Handfläche die Reaktion liefert. Das dritte Interaktionsgerät ist ein energieautarkes, batterieloses Funkschaltermodul von der Firma EnOcean GmbH, das seine Energie aus dem Druck auf die Schaltfläche bezieht und in einem ergonomischen Handtaster-Gehäuse eingepackt werden kann. Die Anforderung der Langzeitmotivation ist für das Training als auch für eine präzise Analyse des aktuellen mentalen Zustandes von Dementen (Berücksichtigung von retrospektiven Daten) sehr essentiell. Der Ausblick dieses Beitrags besteht in der Erweiterung der Aufgabenstellungen und der Langzeitmotivation für den Patienten.
[1] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; Welt-Alzheimertag: Bundesfamilienministerium startet weitere Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz, 20.09.2013, http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Presse/pressemitteilungen,did=200434.html
[2] C. Basak, W. R. Boot, M. W. Voss, A. F. Kramer; Can training in a real-time strategy video game attenuate cog-nitive decline in older adults?, Psychology and aging, 23(4), 765, 2008.
[3] A. Iwainsky; AMENAMIN: Ein Verbundprojekt im Grenzbereich von AAL und Micro Energy Harvesting, GFaI-Informationen, 3/2012; pp. 3-4.
[4] S. Kühn, T. Gleich, R. Lorenz, U. Lindenberger, J. Gallinat; Playing Super Mario induces structural brain plastic-ity: Grey matter changes resulting from training with a commercial video game, Molecular Psychiatry (in press).