Mehr als nur ein Dach über dem Kopf; Wohnen hat Geschichte:
Türkische Gastarbeit hat Geschichte !
Wir sind zwei Schülerinnen des Hildegardis-Gymnasiums in Bochum und erstellten im Rahmen unseres Projektkurses diese Website für den diesjährigen Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten durch die Körberstiftung mit dem Motto "Mehr als ein Dach über dem Kopf; Wohnen hat Geschichte"
Unser Fokus liegt hierbei auf den Wohnverhältnissen der Türkischengastarbeiter*innen im Ruhrgebiet
Hier gibt es weitere informationen zum Wettbewerb!
Bildquelle: privates Bild
Inhalt
Gastarbeiter! Aber was bedeutet das?
Gastarbeiter sind Arbeitsmigranten, die in den 1960er und 1970er Jahren nach Deutschland und vor allem ins Ruhrgebiet gekommen sind, um den Arbeitskräftemangel, der nach dem 2. Weltkrieg herrschte, auszugleichen. Sie trugen zum wirtschaftlichem Erfolg Deutschlands bei.
Deutschland schloss Anwerbeverträge mit z.B. Italien, Spanien, Griechenland und in unserem Beispiel mit der Türkei. Die Absicht jeden türkischen Gastarbeiters war es zunächst genug Geld zu verdienen und es in die Heimat zu bringen, weil es den Menschen dort verhältnismäßig schlechter ging als den Menschen in Deutschland. Also wollten sie mit dem Geld die Wirtschaft in ihrem eigenen Land unterstützen und schneller ins Laufen bringen.
Außerdem verbesserte sich das technische „Know-How“ der Arbeiter durch ihre Arbeit deutlich. Was für die Gastarbeiter klar war, war ihr gemeinsames Ziel in ihre Heimat zurückzukehren. Es war nie der Plan, in Deutschland zu bleiben und sich hier selbstständig ein neues Leben aufzubauen. Denn wie ihr Name schon sagt, waren sie nur Gäste. Inwiefern sie aber als solche behandelt wurden, ist fragwürdig, denn es war von deutscher Seite aus nie geplant, dass die Gastarbeiter in Deutschland bleiben.
Die Gastarbeiter hatten es alles andere als leicht in Deutschland zu leben. Sie erlebten Rassismus und Diskriminierung. Auch ihre Arbeitstätigkeiten waren körperlich sehr anstrengend und die Umstände in der Industrie haben ihre Arbeit nicht erleichtert.
Nach ein paar Jahren in Deutschland begannen die Gastarbeiter ihre Familien nachzuholen, wodurch ein unerwarteter Anstieg der Bevölkerungszahl entstand und das trotz des Anwerbestopps ab 1973. Bis zu diesem Jahr kamen ca. 870.000 türkische Arbeiter nach Deutschland. Somit bildeten die Türken den größten Teil der gesamten Gastarbeiter in Deutschland.
Quellen:
Geschichtsbuch: Buchners Geschichte Oberstufehrsg: Maximilian Lanzinner (1. Auflage 2016), "Fremdsein, Vielfalt und Integration - Migration am Beispiel des Ruhrgebiets" Seite 98-99
o.N.: hrsg: Körber Stiftung: Wohnen und arbeiten auf Zeit? in: Zeitschrift des Geschichtswettbewerbs (2022), Hamburg; Seite 10
Notiz:
Auf das Gendern wurde meist bewusst verzichtet, denn Anfangs wurden Größtenteils nur Männer angeworben!
Ausserdem sind Links unterstrichen und führen euch auf eine interessante neue Seite!
Zitat
Definition des "türkischen Traums" laut Metin Türköz:
»Nach Deutschland gehen, Geld sparen, Auto kaufen, mehr Geld sparen, nach Hause zurückkehren, Haus kaufen«
Quelle: Tagesspiegel
Eine kurze Biographie eines Gastarbeiters
(für die grobe Vorstellung)
Nuri Önal 1945-1988 :
Nachdem seine Soldatenausbildung ca. 1966 beendet war, ging er erstmal zurück in die Heimat. Dort verteilte sein Vater als Dorfvorsteher sein hab und gut an seine Mitmenschen und es blieb ihm selber fast garnichts mehr, sodass er im Salzabbau begann zu arbeiten.
Ca. 1967/68 kam es zu einer Generalmobilmachung der Türkei im Zypernkonflikt, zu welchem er berufen worden ist. Es kam aber glücklichrweise nicht zum Krieg und das Millitär stellte ihm 2 Alternativen. Entweder durfte er als Polizist mit wenig Lohn in der Türkei arbeiten oder im Rahmen einer NATO-Kooperation zur Ausbildung nach Frankreich. Er entschied sich für die NATO-Ausbildung, denn die Arbeitskonditionen in der Türkei waren nicht grade optimal. Jedoch fiel ihm das schwer, denn er hatte schon eine Familie mit 2 Kindern, weshalb er sich gegen den Abschluss der Aubildung entschied.
Zu dieser Zeit bekam er die Möglichkeit nach Deutschland zu gehen um dort zu arbeiten, da seine Schwester mit ihrem Mann bereits in Saarbrücken lebte und ihm diese Einladung vom selben Arbeitgeber im Rahmen des Anwerbeabkommens vermittelte.
Deshalb zog er ca. 1970 nach Saarbrücken und später nach Bochum-Wattenscheid. Er holte seine Frau und Kinder durch die Familienzusammenführung aus der Türkei, um vorerst dort zu leben. Inzwischen hatte er schon 3 Kinder. Nachdem er eine kurze Zeit in einer kleinen Wohnung lebte und dort 1976 sein 4. und letztes Kind geboren wurde, zog er nach Bochum Riemke, wo er zuletzt lebte.
Seitdem er in Bochum war, arbeitete er im Opel - Werk. Aufgrund seines in der Türkei ermordeten Bruders, kündigte er, da er keine Beurlaubung bekam, um zur Beerdigung zu gehen. Danach arbeitete er bei der Firma Heitkamp und wechselte daraufhin den Beruf und wurde Bäcker, denn die Arbeitsbedingungen waren zu schlecht.
Leider verstarb er mit 43 Jahren an einem Verkehrsunfall.
Hierbei ist zu erkennen, dass die Gastarbeiter häufig nicht so behandelt wurden, wie es bei "Gästen" eigentlich hätte sein sollen.
Quelle: eigene Erzählung durch seinen Sohn
Hier sieht man Nuri Önal (Links) mit seinem Arbeitskollegen (Rechts) auf der Herner-Straße anfang 1980.
Zitat
»Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen«
Max Frisch, 1965
Wie fühlten sich die Arbeiterfamilien bei und nach ihrer Ankunft in ihrem neuen "Zuhause"?
Ausschnitte aus einem Interview einer Zeitzeugin (übersetzt auf Deutsch)
Nachdem ich 1975 in Deutschland ankam, fühlte ich mich überhaupt nicht willkommen und habe oft mein zuhause vermisst, denn Deutschland war ganz und gar nicht mein Zuhause (…) Meine Nachbarn waren grösstenteils türkisch und teilten mit mir das gleiche Leid (…) wir bildeten ein Gefühl von Zusammenhalt, da wir alle gleichzeitig benachteiligt worden sind(…). 1976 bekam ich mein erstes Kind und darauf folgten 4 weitere Kinder. Wir wohnten also zu siebt in einer kleinen Wohnung mit 2 Schlafzimmern und hatten eine kleine Küche. Ein Badezimmer gab es nicht. Die Toilette befand sich auf dem Flur, welcher sich eine halbe Etage unter uns befand. Alle Bewohner unseres Hauses benutzten diese Toilette. (...) eine Dusche ließen wir später in der Ecke eines der Schlafzimmer einbauen(...). Natürlich gab es immer wieder Streitigkeiten aufgrund des Platzmangels (…).
Eine andere Sache die später zum Problem wurde, war die Sprache, denn es gab keinerlei Unterstützung für die Integration. Ich habe kein Wort Deutsch gesprochen und spreche leider immer noch kein vernünftiges Deutsch, denn es gab keinerlei Sprachkurse, die für mich in Frage kamen. Sie waren immer überteuert oder nur für Männer, denn uns Frauen schenkte man eher weniger Beachtung. Ich lernte ein wenig Deutsch durch unsere liebe und nette, deutsche Nachbarin, die uns oft half. Vorallem später auch bei den Hausaufgaben meiner Kinder. Es reicht nach fast 50 Jahren hier in Deutschland gerade mal für‘s Einkaufen und für meine Arztbesuche. Es wurde mir auch zum Verhängnis als meine Kinder durch den Kindergarten anfingen Deutsch zu sprechen und es ihre „Geheimsprache“ nannten(…).
Rassismus gehörte bei uns zum Alltag. Als ich mit meinen 5 Kindern beispielsweise auf dem Spielplatz war, liefen Deutsche mit ihren Hunden an uns vorbei und zählten meine Kinder und sagten Sachen, wie zum Beispiel: "1, 2, 3, 4, 5! Boar, so viele Kinder!" und gestikulierten genervt. Sie gaben mir noch mehr das Gefühl nicht Willkommen zu sein.(...) ich bekam auch manchmal mit, dass es zu Streitigkeiten zwischen meinen und deutschen Kindern kam, da die deutschen Kinder sich von meinen Kindern gestört fühlten. (...) wir hatten Regelrecht mit allem zu kämpfen, was man sich vorstellen kann: Platzmangel, Rassismus, Mobbing, Unterbezahlung, Probleme bei der Wohnungssuche usw.
Ich war eine von vielen türkischen Putzkräften, die damals unterbezahlt worden sind. Die Italiener zum Beispiel verdienten viel mehr als wir und die Griechen, wobei die Griechen trotzdem mehr verdienten als wir.(…) ich arbeitete später als Reinigungskraft und verdiente ca. 7€ die Stunde, was nicht grade viel war. Ich arbeitete aber eigentlich nur, da ich Zuhause Langeweile hatte und das die einzige Arbeit war, die ich machen konnte (...)
Später als meine Kinder, wegen ihres Studiums, anfingen auszuziehen (ab 2000), zogen wir in eine neue Wohnung. Diese war in der Nähe der alten, denn diese Gegend war mein Zuhause und ich fühlte mich wohl mit meinen Nachbarn, die wie gesagt auch fast alle eine türkische Abstammung hatten. Dort blieb ich bis heute noch, aber den Wunsch zurück in die Türkei zu gehen, habe ich noch immer nicht aufgegeben.
Die Arbeitsfindung
Wie die Gastarbeiter Arbeit fanden und wie ein Bewerbungsschreiben damals aussah, findet ihr hier!
Ein selbsterstelltes 3D Modell einer Gastarbeiterwohnung
für eine 6 köpfige Familie in Bochum Riemke
3D Blickwinkel
Die Wonungen der Gastarbeiter(-familien) war nicht sehr stark möbliert, denn sie brauchten nur das nötigste und gaben sich mit dem zufrieden, was sie hatten.
Ansicht von oben
Wie man sieht, hatten die Menschen in so einem Haushalt kein Badezimmer, denn die Toilette befand sich im Flur und sie wuschen sich in einer Wanne, die sie in der Küche befüllten, bis sie selber eine Dusche einbauten.
Quelle: Zeitzeuge
Der Grundriss
Hierbei ist zu erkennen, dass das Wohnimmer am Größten ist, denn hier verbrachte die Familie die meiste Zeit. Dieser Raum war nämlich der einzige,der mithilfe eines Kohleofens beheizt wurde, denn die Kosten für das Heizen waren ziemlich hoch.
Zum Vergleich:
Die deutsche Durchschnittsfamilie in 1970 lebte im Durchschnitt mit 3 Personen in einem Haushalt wessen Grundfläche im Durchschnitt 25qm betrug.
Wie man bereits aus dem Interview und den Graphiken entnehmen konnte, waren die Gastarbeiter sehr benachteiligt, denn sie hatten viel weniger Platz, als sie benötigten, während es den deutschen Familien an nichts Mangelte.
Quelle: segu-geschichte
Quelle: daheiminderfremde.de
Wohnen auf engstem Raum
Dieses Bild ist das perfekte Beispiel dafür, dass die Gastarbeiter*innen auf engstem Raum leben mussten. Sie teilten sich mit vielen anderen Personen ihren Schlafplatz und von Privatsphäre ist gar keine Rede.
Der Hauptaufenthaltsort war auch hier der Raum, der beheizt wurde, wobei hinzuzufügen ist, dass dies auch der einzige Raum war, in dem sie Leben mussten.
Das Wohnen im Heim
Wie schon erwähnt, war es für die Gastarbeiter, sowohl von ihrer, als auch von deutscher Seite, nicht geplant über einen langen Zeitraum in Deutschland zu bleiben. Deshalb gab es nur wenige, vereinzelte Integrationsprogramme, wie z.B. Sprachkurse. Außerdem hat es sich für sie nicht gelohnt eigene Wohnungen zu suchen. Stattdessen haben sie in oft schmutzigen und überfüllten Wohnheimen Unterkunft gefunden, da es oft in ihren Anwerbeabkommen und Arbeitsverträgen so vorhergesehen war. Die Arbeiter*innen mussten in der Nähe ihres Arbeitsortes wohnen, damit sie fussläufig ihren Arbeitplatz erreichen konnten. Der Arbeitgeber hat damit zum Beispiel die Fahrtkosten gespart.
Diese Unterkünfte waren allerdings sehr klein. Sie beinhalteten Etagenbetten, einen Schrank und einen Tisch pro Zimmer, in welchen vier Männer untergebracht wurden. Da es dort eng war und keiner wirklich Privatsphäre hatte, wurden sie umgangsprachlich als „Bullenkloster“ bezeichnet.
Die jungen Männer (Frauen waren selten unter den Gastarbeitern) waren ca. zwischen 18 und 30 Jahre alt. Um die Innenräume zu vermeiden, verbrachten sie einen Großteil ihrer Freizeit draußen. Sie gingen bei Gelegenheit in die Innenstädte und Parks, wo sie sich entspannten und grillten, was zur damaligen Zeit sehr ungewöhnlich war, aber heutzutage als normale Freizeitaktivitäten gelten. Die jungen Gastarbeiter bemühten sich darum ihr Umfeld zu erkundigen und ihre Freizeit draußen zu verbringen, um ein wenig von der Arbeitswelt wegzukommen.
Unser Fazit
Wie bewerten wir die Wohn- und Lebenssituation der Gastarbeiter*innen?
Worauf hätte man damals achten müssen?
Die Gastarbeiter kämpften mit vielen Herausforderungen sowohl auf der Arbeit als auch Zuhause. Ob in Heimen oder in ihren winzigen Wohnungen, sie haben es irgendwie aus dieser schwierigen Situation geschafft.
Ihr damaliges Zuhause war unangenehm und bot ihnen nur wenig bis gar keine Privatsphäre. Der einzige Vorteil bzw. gleichzeitig auch Nachteil war: Sie lernten neue Menschen kennen. Einige Freundschaften halten bis heute, andere sehen sich immer noch als Feinde.
Die Regeln der Heime waren vergleichbar mit den Regeln der Jugendherbergen heutzutage, denn die Arbeiter wurden wie kleine Jungen im Ferienlager behandelt, obwohl sie die Gäste waren, die Deutschland zu dem machten, was es heute ist. Jeder einzelne Gastarbeiter, jede einzelne Gastarbeiterin, führte dazu, dass die Wirtschaft Deutschlands angekurbelt wurde und das unabhängig von der Herkunft.
Heute leben ca. 2,9 Millionen türkischstämmige Menschen in Deutschland und das, obwohl sie damals unter so schlechten Bedingungen hier in Deutschland leben mussten. Die meisten akzeptierten die Abhängigkeit von Deutschland und blieben, denn es beruhte auf eine bilaterale Abhängigkeit: Deutschland brauchte sie und sie brauchten Deutschland! Sie arbeiteten hart und es handelte sich um eine sogenannte „win-win“ – Situation.
Obwohl es immer noch viele Integrationsschwierigkeiten gibt, hat sich die Lage stark verbessert, worüber nicht nur die betroffenen glücklich sind, sondern auch Deutschland, denn noch immer sind beide Seiten abhängig voneinander, denn die Existenz vieler in Deutschland lebenden Türken hat sich hier aufgebaut und so etwas ist sehr schwer aufzugeben. Außerdem kommt noch hinzu, dass viele verstänlicher Weise Deutschland als ihre zweite Heimat sehen.
Wie wir aus der Webseite entnehmen können, ist diese Situation heutzutage gar nicht vorstellbar, aber trotzdem haben die Gastarbeiter das Beste daraus gemacht.
Leider ist die Vergangenheit nicht veränderbar, aber man sollte aus der Geschichte lernen, um die Zukunft besser zu gestalten. Heute kann man sagen, dass man damals mehr auf die Bedürfnisse und Lebensqualität der Arbeiter eingehen sollte, auch wenn sie "nur" Gastarbeiter waren. Schließlich sind sie auch nur Menschen genauso wie alle anderen Nationalitäten und Deutschen. Man hätte sie unterstützen müssen und sich in sie hineinversetzen müssen, um ihnen bei der Intergartion zu helfen.
Zum Bespiel hätte man mehr Dolmetscher oder Lehrer ausbilden können, um den türkischen Gastarbeitern Deutsch als Zweitsprache beizubringen, damit sie eine langfristige oder unbefristete Arbeit finden, genug Geld verdienen und danach in eine familiengerechte Wohnung einziehen konnten.
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