Japan ist immer eine Reise wert! Allerdings nicht nur aus touristischer Sicht, sondern vor allem auch, wenn man ergründen will, was es mit der Geschichte und der heutigen Umsetzung von Lean Management in Japan auf sich hat. Und warum viele Dinge in japanischen Unternehmen scheinbar natürlicher und selbstverständlicher sind, wo wir uns eher schwertun.
Die japanische Gesellschaft ist geprägt von tief verwurzelten kulturellen Werten wie Disziplin, Respekt, Teamorientierung und einem starken Gemeinschaftssinn. Diese Werte spiegeln sich nicht nur im sozialen Miteinander, sondern auch in der Arbeitswelt wider – insbesondere im Lean-Management, das seinen Ursprung in Japan hat.
Das erst viel später als Lean Management bezeichnete zugrundeliegende Toyota-Produktionssystem (TPM), wurde in einem kulturellen Kontext entwickelt, der Effizienz, kontinuierliche Verbesserung (Kaizen) und langfristiges Denken betont. In Japan ist es selbstverständlich, Verantwortung gemeinsam zu tragen und Prozesse ständig zu hinterfragen, um Verschwendung (Muda) zu vermeiden. Hierbei stehen nicht nur Ergebnisse, sondern auch der Weg dorthin im Fokus. Grundlage stellt aber das Monozukuri dar: Dinge machen/herstellen; mit Ehrfurcht, Respekt, Hingabe und Ausdauer zur Perfektion.
Das TPM wird heute in der Regel mit der Produktion von Autos in Verbindung gebracht. Die ersten Wurzeln sind jedoch bereits viel früher entstanden. 1924 nämlich vollendete Sakichi Toyoda zusammen mit seinem Sohn seine erste „automatisierte Webmaschine“, in der zum ersten Mal das Jidoka-Prinzip („intelligente Automation“) des späteren TPM zum Einsatz kam. Möglich wurde das durch die Entwicklung eines Mechanismus, der bei einem Fadenriss automatisch die Maschine stoppte. Damit war der Weg frei für eine „Mehrmaschinen-Bedienung“.
Ein zentrales Konzept ist das Prinzip „Genchi Genbutsu“ – „Gehe an den Ort des Geschehens“ – was bedeutet, dass Führungskräfte Probleme vor Ort analysieren sollen, anstatt nur aus der Ferne zu entscheiden. Diese praxisnahe Denkweise wird durch die japanische Wertschätzung für Handwerk, Präzision und persönliche Verpflichtung zur Qualität unterstützt.
Ein weiterer Aspekt ist das Konzept der lebenslangen Anstellung, das zwar in den letzten Jahren abnimmt, aber immer noch Einfluss hat. Es fördert eine langfristige Mitarbeiterbindung und den Aufbau von Wissen innerhalb des Unternehmens – perfekte Voraussetzungen für ein stabiles, nachhaltiges Lean-System.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die erfolgreiche Anwendung von Lean-Management in Japan ist eng mit den kulturellen Besonderheiten des Landes verwoben. Unternehmen, die Lean-Prinzipien außerhalb Japans einführen, tun gut daran, nicht nur die Methoden, sondern auch die dahinterstehenden Werte zu verstehen und in die eigene Unternehmenskultur zu übersetzen. Lean Management ist also sehr viel mehr als nur Prinzipien, Methoden und Werkzeuge („linke Gehirnhälfte“). Vielmehr muss auch der „rechten Gehirnhälfte“, wo es um Visionen, Zielbilder, Haltung und Verhalten geht mindestens genau so viel Aufmerksamkeit geschenkt werden. Viele Lean-Ansätze in der westlichen Welt sind in der Vergangenheit genau daran gescheitert.
Auch wenn diese Erkenntnisse nicht neu sind, so war dennoch die unternommene 8-tägige Lean-Lernreise nach Japan im November 2022 nicht nur ein eindrucksvolles Reise-Erlebnis. Vielmehr konnten u. a. in den Besuchen japanischer Unternehmen eine ganze Reihe von Erkenntnissen gewonnen und neue Betrachtungsperspektiven eröffnet werden. Diese können zukünftig helfen, Unternehmensleitungen bei der Einführung von Lean-Management umfassender zu beraten und zu unterstützen und von Anfang an die Tragweite einer solchen Entscheidung bewusst zu machen, um häufige und typische Fehler zu vermeiden.