Verbrannt: Wenn das Spiel mit dem Feuer wehtut
Verbrannt: Wenn das Spiel mit dem Feuer wehtut
Article by Benjamin Lonicer (12.12.2024)
Über Manuel Neuers aggressiven Spielstil und Kritik an unvermeidbaren Konsequenzen
Mit dem Pokalaus am 3.12. bestätigt der FC Bayern München den Trend der sinkenden Dominanz. Noch vor ein paar Saisons war das einzige, was den deutschen Fußball interessant machte, ob Bayern im DFB Pokal ein Fauxpas passiert. Die Zeiten sind nun vorbei. Sie sitzen zwar wieder gemütlich an der Tabellenspitze, jedoch haben sie in Leverkusen einen wahren Widersacher. Letzte Saison haben sie schon die jahrzehntelange Dominanz der Münchner in der Bundesliga zu Ende gebracht und diese dann auch in einem „vorgezogenen Finale“, wie es der Bayern-Präsident Herbert Hainer beschrieb, aus dem Pokal gestoßen. Jedoch gibt es innerhalb der Mannschaft einen weiteren Trend. Manuel Neuer ist nun 38 Jahre alt, und nach seiner Roten Karte, die den Münchnern vielleicht das Spiel gekostet hätte, fragten sich Fans und Experten, ob er der Rolle noch gewachsen sei. Diese Kritiker fragen sich, ob er noch Stammtorhüter bei einer Mannschaft sein kann, die den Anspruch hat, die Nummer Eins der Welt zu sein. Und das ist zu unrecht.
Neuer wird die Rote Karte gezeigt. IMAGO/Teamfoto/Markus Ulmer
Manuel Neuer ist kein herkömmlicher Torwart. Er ist erst mit 18 Jahren vom Feldspieler ins Tor gestellt worden. Aus diesem Grund besitzt er auch außergewöhnliche Fähigkeiten am Ball, welche bei manchen Fans schon Herzrasen auslösen. Er ist der Inbegriff des „Sweeper Keepers“—ein mitspielender Torwart, der den Gefahrensituationen früh begegnet und sie im Keim löscht. Mal greift er 15 Meter vor dem Sechzehnmeterraum zur Grätsche oder dribbelt im eigenen Strafraum den Stürmer aus. Früher wurde für die Position und Aufgabe ein ganzer Feldspieler geopfert. So wurden zum Beispiel Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus als „Liberos“ zu Ballon d’Or-Gewinnern. (Der Ballon d’Or ist die höchste Einzel-Ehrung im Fußball.) Moderne Trainer und Taktiken übertragen die Rolle des Liberos verstärkt auf die technisch besser werdenden Torhüter, um einen Feldspieler mehr in die Offensive einbeziehen zu können. Der Unterschied zum Libero ist jedoch, dass der Torhüter dann nicht mehr als letzte Instanz hinten steht.
Das Extrembeispiel, bei dem was schiefgehen kann, wurde in dem Pokalspiel sichtbar. Neuer wollte den schnell anlaufenden Jeremie Frimpong in seiner Aktion stören, traf jedoch nur den Leverkusener und nicht den Ball. Der Angreifer wurde dadurch in seiner Torchance behindert und es gab eine klare Rote Karte für den ehemaligen Nationaltorhüter wegen einer Notbremse. In dem Interview nach dem Spiel reflektiert Neuer besonnen, dass die Aktion spielentscheidend war und es ihm „natürlich Leid“ tue. Reue ist aber nicht im Interview zu finden.
Foulspiel an Frimpong. Sven Hoppe/DPA
Reue ist aber auch nicht angebracht. Durch solche Situationen verdient Neuer seinen Legenden-Status. Eine solche Aktion hat der gebürtige Gelsenkirchener etliche Male erfolgreich absolviert. Dass er sich mal an solch einer Situation die Finger verbrennen würde, war längst überfällig. Der Platzverweis durch eine glatt-rote Karte ist sein erster in 867 Pflichtspielen im Profibereich. Auch wenn das Spiel und die Situation sehr unglücklich ausfielen und es wahrscheinlich zum Münchner Pokalaus führte, nimmt man diese bei einer solchen Rolle (und der Erfolgsquote in der Rolle) eine Rote Karte in Kauf. Wäre er einen Moment früher da gewesen oder wäre der Ball ein bisschen glücklicher gesprungen, wäre Neuer an den Ball gekommen und die Rekordmeister hätten vollzählig zu Ende spielen können.
Die Situation lässt sich mit der Situation im WM Finale 2014 vergleichen. Damals hatte der argentinische Stürmer Higuain auch die Chance durch einen langen Ball. Auch hier kommt Neuer raus und klärt mit der Faust an der Strafraumgrenze den Ball. In der Aktion kam es zu einer spektakulären Karambolage zwischen Stürmer und Torhüter, die ohne Ballkontakt des Letzteren in einem Elfmeter und Überzahl für die Südamerikaner hätte enden können, womit das Spiel wahrscheinlich entschieden gewesen wäre. Doch die Ballberührung führte zu einem Foul von Higuain und Freistoß für die Deutschen, obwohl Neuer ihn mit dem Knie abräumte. Somit wird eine Chance, die in früheren Jahren eine Hochkarätige wäre, annulliert und Neuer somit zum Helden.
Aktion von Neuer gegen Higuain im WM-Finale. Getty Images
Das Risiko welches mit Neuers Spiel einher geht ist evident. Ein solcher Fehler war überfällig. Da er so spät in seine Karriere kam, lässt eventuell spekulieren, dass sein Alter ihn eingeholt hat. Jedoch ist es sein erster großer Patzer dieser Art. Wenn es noch weitere Male in diesem oder den nächsten Jahren geschieht, dann ist die Diskussion legitim. Bis dahin verdient Neuer jedoch weiterhin das Vertrauen, diese aggressive Spielweise zu spielen und dadurch Erfolg zu generieren. Wer weiß, ob die Münchner ohne ihren Stammtorhüter ihre Dominanz in den 2010er Jahren so ausspielen hätten können. Seine Schuld war es jedenfalls nicht, dass der Platz in der Sonne an Leverkusen verloren ging.
Sources:
Schulte, Volker. “Neuer Sieht Rot: Leverkusen Kegelt Die Bayern Aus Dem Pokal.” Sportschau.De, Sportschau, 4 Dec. 2024, www.sportschau.de/fussball/dfbpokal/leverkusen-nutzt-neuers-platzverweis,muenchen-leverkusen-100.html&ved=2ahUKEwiAq-mm8ZuKAxWizwIHHco8OvYQFnoECB0QAQ&usg=AOvVaw0-zn50hyGgqbIDVorVgcXj.
“‘DAS WAR SPIELENTSCHEIDENT.’” TikTok, SkySportDE, 4AD, vm.tiktok.com/ZNeT522tx/.
Pictures:
Neuer wird die Rote Karte gezeigt. IMAGO/Teamfoto/Markus Ulmer https://home.1und1.de/magazine/sport/fussball/dfb-pokal/tatsache-mittlerweile-unuebersehbar-40420234
Foulspiel an Frimpong. Sven Hoppe/DPA https://www.br.de/nachrichten/sport/aus-im-dfb-pokal-fuer-den-fc-bayern-rot-fuer-neuer,UVuXM8M
Aktion von Neuer gegen Higuain im WM-Finale. Getty Images https://www.espn.com/soccer/story/_/id/37399008/tactical-trends-2014-world-cup