Florica...Noch ist die Tasche mit den Schraubgläsern, in denen der heiße Eintopf hin- und herschwappt, gut gefüllt. Der lange Henkel, den Florica über die Schulter geworfen hat, drückt sich in ihr Fleisch. Auf ihrem wattierten Gilet glänzt der Concordia-Button, weist sie als Angestellte aus. Dass ich hier arbeiten kann, ist ein Segen, sagt sie und fasst sich mit der Rechten ans Herz. Es sei schwer, ja fast unmöglich, im Dorf einen Job zu finden. Einen, für den man auch Geld bekommt. Von ihr erfahre ich viel. Vor jedem Besuch erzählt sie mir von den Bewohnern, zu denen wir unterwegs sind. Ihre dunklen Augen sprechen mit. Wir wechseln von der Sonne auf den Wegen in den Schatten der Häuser, kommen vom Frühling draußen, vom Wachsen und Blühen ins Kahle, wenn wir die Türen öffnen, als liefe alles in die falsche Richtung. Obwohl Florica nur Rumänisch spricht, verstehe ich sie gut, besser als alle anderen. Vieles geht über Fühlen und Erfühlen, über Blicke und Gesten, die ich in diesen Wochen zu lesen gelernt habe. Florica wird mir zur Dolmetscherin der Befindlichkeiten all dieser Leute, die wir besuchen. Oft weist sie mich auf Details hin, auf die ich ohne sie nicht geachtet hätte. Meist braucht es ohnehin nicht vieler Worte, um zu verstehen. Viele Tage sind wir beide zusammen unterwegs im Labyrinth des Dorfes. Unsere Schritte legen sich über die der anderen, drücken Spuren in den Staub...
Unveröffentliche Texte aus dem Manuskript Gesichter Moldovas