Networking Remarque

Die Ausstellung »Networking Remarque« geht von Remarques bereits 1929 (siehe links) formulierten Selbstverständnis eines global wirkenden und denkenden Schriftstellers aus, der die ihm zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel nutzt, um seine humanistische, auf Völkerverständigung und Aussöhnung orientierte Botschaft einem breiten internationalen Publikum zu vermitteln. Im wahrsten Sinne über den Globus verteilt sind Netzwerke, an denen sich Remarque selbst beteiligte oder die aus seinem Wirken heraus entstanden sind.

Seine aktive Beteiligung an Flucht, Unterbringung und Finanzierung von Geflüchteten aus dem »Deutschen Reich« ist dabei ebenso bemerkenswert wie seine »Rettung von Kunst« oder Mitwirkung in unterschiedlichsten Gruppierungen zur Förderung von Völkerverständigung und Kultur.

Aktuelle Netzwerke – nicht nur in den sozialen Medien – zeigen, gerade bezüglich der Entwicklung des Krieges Russlands gegen die Ukraine seit Februar 2022, die ungebrochene friedensstiftende und völkerverständigende Bedeutung Remarques. Im Fokus der Ausstellung steht somit die grundsätzliche Frage nach der Wirkmächtigkeit von Literatur und Kunst – und im Fall Erich Maria Remarques nach seinem gegenwärtigen Stellenwert über den Status eines Klassikers der internationalen Literatur hinaus.

Remarque weltweit

Bereits kurz nach seinem Welterfolg Im Westen nichts Neues realisierte Remarque, dass nur eine weltweite Verbreitung seiner Werke seinem Anspruch der Völkerverständigung durch Kultur und Literatur, wie in dem Interview mit Le Matin formulierte, gerecht werden könne. So kaufte er kurzerhand mit seinem Agenten Otto Klement die Rechte zu Im Westen nichts Neues von Ullstein wieder zurück und startete mit dem Folgeroman Der Weg zurück eine nie dagewesene Publikationsstrategie, die er auch für seine dann folgenden Romane – soweit während Exil und Krieg möglich –fortsetzte.

Auch seine Interviews gab und verbreitete er über so genannte Sydicates gezielt und inhaltlich genau auf die Adressaten abgestimmt, so dass Abdrucke in Hunderten von Zeitungen gewährleistet waren und eine größtmögliche Verbreitung seines humanistisch geprägten Pazifismus gesichert sah. Mit Übersetzern seiner Werke unterhielt Remarque teils freundschaftliche Verbindungen.

Diese Strategien setzen sich bis in die heutige Zeit durch die Rechteverwalter fort und sogar der Sender Netflix plante und veröffentlichte die Neuverfilmung von Im Westen nichts Neues in 190 Ländern am selben Tag (28. Oktober 2022), was Erich Maria Remarque sicherlich sehr gut gefallen hätte.

Kunst(-rettung)

Erich Maria Remarque war ein bedeutender Kunstsammler; zahlreiche Künstler*innen, Kunstsammler*innern und -händler zählten zu seinem Freundes- und Bekanntenkreis, Galerien zeigten seine Werke und fragten immer wieder nach Bildern für verschiedenste Ausstellugen.

Eine Ausstellung der 45 Werke auf Papier von Paul Cézanne, die im Juli 1939 bei der neu gegründeten Kunsthandlung Paul Cassirer Ltd. in London gezeigt wurden, war ein Ereignis, das Aufsehen auslöste. Es waren sechs Zeichnungen und neununddreißig Aquarelle zu sehen, von denen achtzehn zum ersten Mal ausgestellt waren. 8 Aquarelle gehörten Remarque, 10 Frans Koenigs, dem holländischen Bankier und 15 gehörten Walter Feilchenfeldt. Dieser beschloss, zehn davon mit der Sammlung Remarque nach Amerika zu schicken und so vor dem Krieg zu schützen.

Die zehn Aquarelle und ein Degas gingen – zusammen mit der Sammlung Remarque – jedoch erst ein Jahr nach Ausbruch des Krieges auf die Reise, nämlich im August 1940. Sie erreichten Los Angeles laut Remarques Tagebucheintrag am 29. August 1940. So nutzten Feilchenfeldt und Remarque ihr Kunst-Netzwerk zur Rettung bedeutender Werke.

Hilfe für Geflüchtete

Sowohl in seiner 1931 erworbenen Villa »Casa Monte Tabor« am Lago Maggiore als auch in seinem New Yorker Apartment, im Hotel Ambassador und in Los Angeles empfing und unterstützte Erich Maria Remarque Exilierte aus Europa. Er half ihnen ohne viel Aufhebens davon zu machen und unterstützte sie finanziell, gewährte ihnen Unterkunft oder schaffte mit Hilfe anderer Emigrant*innen für sie Flucht-, Unterkunfts- und Aufenthaltsmöglichkeiten.

Zeugnisse darüber gibt es kaum, da Remarque diese Aktivität möglichst geheimzuhalten versuchte.

Im Hotel Ambassador z.B. mietete Remarque von 1939 bis 1953 eine Suite, aus der er unter anderem Care-Pakete an Freunde und Bekannte schickte.

In seinem New Yorker Apartment hielt er mit zahlreichen von dort versendeten Briefen, Postkarten und Telegrammen sein weltweites berufliches und privates Netzwerk aufrecht. Nachweisbar ist auch der Kontakt zu verschiedensten Museen, denen er Werke aus seiner Kunstsammlung zu Ausstellungszwecken zur Verfügung stellte.

Von Los Angeles aus engagierte Remarque sich z.B. über den European Film Fund für die finanzielle Unterstützung im kulturellen Bereich tätiger Emigrant*innen.

Politik & Kultur

Auch wenn Erich Maria Remarque häufig als unpolitischer Autor bezeichnet wird, stellt man bei genauerer Betrachtung fest, dass er zahlreiche Organisationen, Petitionen und Veranstaltungen unterstützt oder befürwortet hat.

Als Beispiele sei seine Mitgliedschaft in der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und dem Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller, seine Teilnahme am Ersten internationalen Schriftsstellerkongress zur Verteidigung der Kultur 1935 in Paris und am World Congress of Writers 1939 in New York genannt.

1944 schrieb er für den amerikanischen Geheimdienst OSS eine Denkschrift, anlässlich des Armistice Day 1929 wurde aus seinem Roman für einen Spendenaufruf zitiert, die Deutsche Liga für Menschenrechte setzte sich für Remarque ein, dessen Romanverfilmung Im Westen nichts Neues 1931 in Deutschland verboten wurde.

Diese Beispiele zeigen die durchaus (gesellschafts-)politischen Aktivitäten und Verflechtungen Remarques, immer mit kulturellem oder friedenspolitischem Hintergrund.

Verlagswesen

Schon kurz nach seinem Welterfolg Im Westen nichts Neues engagierte Erich Maria Remarque seinen ersten Literaturagenten: Otto Klement. Dieser unterstützte Remarque beim Rückkauf der internationalen und der Nebenrechte von Im Westen nichts Neues und Der Weg zurück von Ullstein.

Ebenfalls von großer Bedeutung war die Zusammenarbeit mit sogenannten »Syndikates«, also Zeitungssyndikatdienste, die Inhalte für Redaktionen auf der ganzen Welt zur Verfügung stellen. Auf diese Weise konnte Remarque seinen Roman Der Weg zurück als Vorabdruck im Dezember 1930 in über 20 Staaten weltweit publizieren. 

Syndikate wie die Newspaper Enterprise Association und das United Feature Syndicate bedienten in den 1930er bereits über 700 Klienten wodurch eine weltweite Berichterstattung mit nur sehr geringem Aufwand möglich war. 

Auch die Verlage sollten gut ausgewählt sein: Remarques erster Verlag, Ullstein, hatte großen Einfluss auf den Erfolg des Romans Im Westen nichts Neues: Die zunehmend kontroverse Diskussion um den Roman verwertete der Ullstein-Konzern geschickt zur weiteren Werbung für das Buch. In schneller Folge erschienen 1929 Werbebroschüren, die sowohl positive als auch kritische Stimmen in Auszügen abdruckte. Spätestens jetzt wollte jeder das Buch erwerben, um bei der Debatte mitreden zu können.

Hollywood

Nachdem Erich Maria Remarque im September 1939 aus der Schweiz in die USA fliehen musste, ließ er sich für einige Jahre in Los Angeles nieder und lebte von April 1940 bis Januar 1942 in einem angemieteten Haus in Westwood. 

Tagebucheinträge Remarques aus diesen beiden Jahren zeugen von zahlreichen Besucher*innen seines Domizils, darunter namhafte Persönlichkeiten aus der Film- und Medienbranche: Marlene Dietrich, Nelly Sachs,  Josef von Sternberg, Greta Garbo und Remarques Agent Otto Klement, oft im Beisein Denver Lindleys, der Remarques Romane ins Englische übersetzte.  

In Los Angeles lernte er auch das Ehepaar Elsie Mendl (1865 – 1950) und Charles Mendl (1871 – 1958) kennen, die bekannt für ihre berüchtigten Parties waren, zu denen ausschließlich die High-Society geladen war. Auf einer dieser Parties lernte Remarque die beiden kennen und blieb bis zuletzt in enger Freundschaft mit der Innenarchitektin und dem Diplomaten verbunden. 

FacebookTwitterInstagram