Workshops
Samstag, 29. März 2025
Workshops
Samstag, 29. März 2025
Workshop in Deutscher Gebärdensprache
In diesem Workshop werden die Themenbereiche der Prävention und Beratung zur Vermeidung sprachlicher Deprivation bei Menschen mit unzureichendem Vermögen zur lautsprachlichen Rezeption in den Fokus genommen. Die Umsetzung von Präventionsmaßnahmen und Beratung scheitert oft an zahlreichen ungünstigen Rahmenbedingungen. Dazu gehören der vernachlässigte Stellenwert der Einbeziehung der Gebärdensprache in der Frühförderung und medizinische Beratung sowie fehlende Ressourcen. Die aktuellen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bieten keine zuverlässige Absicherung für die sprachliche Förderung nach der Diagnose.
Dieser Workshop ist ergebnisoffen konzipiert. Wir definieren den Begriff „Prävention sprachlicher Deprivation“ und erörtern, wie entsprechende Maßnahmen aussehen, teilen praxisnahe Erfahrungen und diskutieren Aspekte der Prävention auf verschiedenen Ebenen, z.B. in Form von Hausgebärdensprachkursen sowie die Einbeziehung des Themas in Frühförderstellen, medizinischen Beratungen, sozialpädagogischer oder sprachdiagnostischer Begleitung.
Was kann die Psychologie hierzu beitragen? Was sollten Beratungskonzepte und präventive Maßnahmen konkret beinhalten? Wie können Berührungs- und Verlustängste bei verunsicherten Eltern abgebaut werden? Wie könnte eine personelle Besetzung in Form gemischter Teams aussehen? Darüber hinaus werden aktuelle und potenzielle Ressourcen zur Unterstützung der präventiven Arbeit auf Basis des SGB und weiterer rechtlicher Rahmenbedingungen beleuchtet. Daraus werden wir sprach-, bildungs- und sozialpolitische Leitplanken ableiten und gesellschaftliche Mindestbedingungen für eine erfolgreiche Prävention formulieren.
Universität Hamburg
Simon Kollien (taub) ist ausgebildeter Diplom-Psychologe und Sprachwissenschaftler. Seit 1995 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Gebärdensprachdozent am Institut für Deutsche Gebärdensprache an der Universität Hamburg. Neben der Erforschung verschiedener gebärdensprachlicher Phänomene (z. B. idiomatische Gebärden, Textgestaltung und Metaphern) unterrichtet er die Deutsche Gebärdensprache (DGS) auf verschiedenen Sprachniveaus und lehrt im Modul „Deaf Studies“ zu verschiedenen psychosozialen Aspekten im Leben gehörloser Menschen. Hier vermittelt er unter anderem Inhalte zur Sprachdeprivation und deren möglichen Auswirkungen. Vor diesem Hintergrund beschäftigt er sich besonders mit psychologischen und soziologischen Themenstellungen in Bezug auf die Gemeinschaft gehörloser Menschen und deren reziproke Beziehung zur hörenden Mehrheitsgesellschaft.
mhDeaf e.V. & EZB München e.V.
Sofia Wegner (taub) ist Diplom-Psychologin, zertifizierte systemische Familientherapeutin und arbeitet seit über 20 Jahren in der Erziehungsberatung der Kinder- und Jugendhilfe. Sie forscht zu den Symptomen von Sprachdeprivation und deren Folgen. Insbesondere untersucht sie, wie sich Sprachdeprivation in der Praxis manifestiert und wie sie im Kontext der aktuellen Beratungslandschaft behandelt wird, welche Dynamik sie entwickeln kann und welche Grenzen es in der Kommunikation mit sprachdeprivierten Menschen gibt.
Dr. med. Ulrike Gotthardt und Dipl.-Psych. Cathrin Jürgensen-Böttcher
Cathrin Jürgensen-Böttcher, Taub, verheiratet und zwei Kinder. Geboren in Wedel/Holstein, Besuch der Schwerhörigenschule in Hamburg, anschließend Abitur an der Kollegschule (Wirtschaftszweig) in Essen. Studium der Psychologie an der Universität Hamburg. Nach kurzer Zwischenstation im BBW Husum seit 2003 im Behandlungszentrum für Hörgeschädigte der LWL-Klinik Lengerich mit Schwerpunkt Psychotherapie. Seit 2024 Niederlassung als approbierte Psychologische Psychotherapeutin in einer Privatpraxis in Münster.
Zu Beginn des Workshops werden einzelne Aspekte der Vorträge vom Vortag zum Thema Sprachdeprivation reflektiert und anhand von Beispielen aus dem Berufsleben der psychotherapeutisch tätigen Teilnehmern vertieft.
Mit Blick auf die bisherigen Forschungsergebnisse bzgl. Sprachdeprivation werden wir die Auswirkungen einzelner Symptome der Sprachdeprivation auch auf die Patient -Therapeut-Beziehung zwischen Tauben Patientinnen und Patienten sowie Tauben bzw. hörenden Therapeutinnen und Therapeuten reflektieren. Die psychotherapeutisch tätigen Teilnehmer erhalten ausreichend Raum zur Darlegung eigener Erfahrung und Ideen, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf den Austausch über die jeweiligen Erfahrungen in den verschiedenen Therapierichtungen (VT, TP, Psychoanalyse, Systemische Therapie etc.) liegen wird.
Abschließend möchten wir die Ergebnisse des Workshops mit Hilfe eines Abgleichs mit evidenzbasierten Methoden und effektiven und/oder nicht effektiven Ansätzen für künftige, der Sprachdeprivation angepasste, Behandlungsstrategien identifizieren und zusammenstellen. Damit könnten behandelnden Personen erste Leitlinien angeboten werden, die im Nebeneffekt auch als Argumentationshilfen für Kostenträger, z.B. in der Gesundheitsversorgung bei der Begründung für Behandlungsverlängerungen, aber auch für die Entwicklung neuer angepasster Behandlungsmethoden dienen können.
Der Workshop richtet sich an psychotherapeutisch tätige Psychologen und Ärzte sowie Psychotherapeuten in Ausbildung (PIA).
Präsidium Deutscher Gehörlosen Bund e.V.
Jahrgang 1958. Taub mit Hörresten. Bilingual aufgewachsen in einer Tauben Familie mit
hörender Großmutter. Einschulung in Schwerhörigenschule, halbes Jahr später Wechsel zur Beschulung unter Hörenden. 1977 Abitur an integrierter Gesamtschule. 1977/78 Studium Maschinenbau, 1978 Wechsel zur Humanmedizin. Nach Abschluss des Studiums 1985 für 6 Monate Assistenzärztin in der Forensischen Psychiatrie der LWL-Klinik Schloss Haldem. Von Oktober 1985 bis September 2023 tätig in der LWL-Klinik Lengerich und Aufbau des
Behandlungszentrums für Hörgeschädigte (BZH) mit stationären und ambulanten
psychiatrisch-psychotherapeutischen Diagnostik- und Behandlungskonzepten. Nach
Assistenzarztzeit 1992 Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, von 1996 bis 2014
Chefärztin des BZH, anschließend Bereichsleitende Oberärztin der Ambulanz des BZH. Seit 1990 Beauftragte für Gesundheit des Deutschen Gehörlosen-Bundes e.V.. Von
2015-2022 zudem Beisitzerin in dessen Präsidium.
Niederlassung Privatpraxis, Münster
Ege Karar & Klaudia Grote
Trotz hoher Prävalenzzahlen und zunehmender Relevanz von Sprachdeprivation in der psychotherapeutischen Versorgung gehörloser Menschen mangelt es an diagnostischen und therapeutischen Instrumenten, da das Sprachdeprivationssyndrom bisher wenig erforscht und Behandlungskonzepte unzureichend entwickelt sind. Dies führte in der Vergangenheit immer wieder zu Fehldiagnosen, wie z.B. die Einstufung von Kindern mit Sprachdeprivation als geistig behindert, oder zu suboptimalen bzw. inadäquaten therapeutischen Maßnahmen, wie z.B. die Verordnung von Psychopharmaka bei Folge- oder Begleiterkrankungen (Depressionen, Angst- und Persönlichkeitsstörungen etc.), die lediglich die Symptome lindern, aber keine Besserung bewirken.
Der Workshop richtet sich an Forscher und Therapeuten mit und ohne einschlägige Erfahrung, die lernen möchten, welche Aspekte des Verhaltens tauber Menschen auf ein Sprachdeprivationssyndrom hindeuten. Die Teilnehmenden sollen diagnostische und differenzialdiagnostische Instrumente kennenlernen und ausprobieren, eine Sensibilität für das Erkennen von sprachlichen Defiziten und Verhaltensweisen bei gehörlosen Menschen entwickeln, bestehende Vorurteile und Fehldiagnosen entlarven und mehr Sicherheit in der eigenen diagnostischen und psychotherapeutischen Arbeit gewinnen. Darüber hinaus soll das bisher als pathologisch wahrgenommene Störungskonzept der LDS vor dem Hintergrund einer sozial induzierten geistigen Behinderung reflektiert und kritisch hinterfragt werden. Die Einführung einer Gebärdensprachen-Lernpflicht für taub geborene Kinder soll diskutiert werden.
SignGes & mhDeaf e.V.
Ege Karar (taub) ist Diplom-Sozialarbeiter mit einer Zusatzausbildung zur systemischen Familienberater. Ege Karar hat türkische Wurzeln und ist in Deutschland aufgewachsen. Er gebärdet mehrere Gebärdensprachen und ist zertifizierter Gebärdensprachdolmetscher. Seit 2004 arbeitet er in verschiedenen Gebärdensprachprojekten am Kompetenzzentrum für Gebärdensprache & Gestik (SignGes) der RWTH Aachen. Derzeit ist er verantwortlich für die Gebärdensprachtests im TEBEK-Projekt (Testbatterie zur Erfassung der beruflichen Fähigkeiten von Gehörlosen und Schwerhörigen) an der RWTH Aachen.
SignGes & mhDeaf e.V.
Dr. Klaudia Grote (hörend) ist Kognitionspsychologin und leitet als wissenschaftliche Geschäftsführerin das Kompetenzzentrum für Gebärdensprache und Gestik (SignGes) an der RWTH Aachen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind der Einfluss von Sprache auf Kognition, insbesondere der Einfluss der Sprachmodalität auf kognitive Strukturen. Darüber hinaus arbeitet sie gemeinsam mit Pädagogen an der Entwicklung einer spezifischen Form der Didaktik, der sogenannten "DeafDidaktik", die sich die ästhetischen Elemente und grammatikalischen Strukturen der Gebärdensprachen zunutze macht.