Kiki Kogelnik - Rede zur Ausstellungseröffnung

Kiki Kogelnik
Rede zur Ausstellungseröffnung am 1.2.2023
(Gertraud Klemm)

Taggenau 26 Jahre nach ihrem Todestag stehen wir hier vor dem Kiki Kogelnik Kosmos. Knallige Farben, poppige Motive, modische Mannequins, futuristische Roboter, Punkte, Scheren, Hände, quietschbunte Glasköpfe... Als ich begonnen habe, zu recherchieren, hab ich genau dieselben Vorurteile gehabt wie 1998, als Kiki im Belvedere gezeigt wurde. Ich hab mir die Ausstellung damals nicht angesehen. Kiki Kogelnik, das war mir zu bunt, zu kitschig, zu unpolitisch. Die Kogelnik war mir ehrlichgesagt nicht feministisch genug. Feministinnen sind sehr streng, vor allem mit anderen Frauen.

Als ich jetzt in dem Katalog von damals blätterte, tat es mir schnell leid. Die Tiefgründigkeit ihres Werks hatte sich damals nicht zu mir durchgesprochen. Und dass Feminismus auch bunt sein und Spaß machen darf, ist auch noch nicht so lange bekannt. In dem Katalog fiel mir aber auch was ganz anderes auf.
Wie viele Fotos von Kiki drin sind, auf denen sie umwerfend aussieht!
Wie viel Text da in Relation zum Bildmaterial ist! Wie viele Männer etwas über sie zu sagen haben!
Kikis Schönheit, Schaffenskraft und Einzigartigkeit, ihre schillernde Partypersönlichkeit: Der New Yorker „Boy Club“ um Roy Lichtenstein und Clas Oldenburg und Tom Wesselmann streut ihr Rosen. Insgesamt 25 Mal lobt sie Andy Warhol „great“.
Und die Wiener „Burschen“ rund um Monsignore Maurer? Kikis Schönheit, Schaffenskraft und Einzigartigkeit, ihre schillernde Partypersönlichkeit – noch mehr schnöde Rosen.
Friedensreich Hundertwasser bezeichnet sie als eine der wenigen Frauen, die sich ein Weltbild ermalt haben und sinniert darüber, dass es die unglaubliche körperliche Schönheit gewesen sein muss, die sie da in Kunst umgewandelt hat.
Als frisch und direkt, als Farbtupfer und fröhlichen Mosaikstein mit Kindfrauencharm bezeichnet sie Ex-Verlobter Arnulf Rainer.
Dass sie es nicht besonders schwer gehabt haben kann, resumiert Oswald Oberhuber, und dass sie als Frau mit einem gewissen Unvermögen an die Sache rangegangen wäre.
Prachensky beschreibt sie als fraulich und gleichzeitig burschikos, und dass es ihr bestimmt geholfen habe, dass sie so eine begabte, attraktive und wohlerzogene Frau war.
Erinnern wir uns, dass österreichische Künstler einander jemals als Farbtupfer, maskulin und gleichzeitig mädchenhaft bezeichnet hätten? Hat man einem Künstler jemals Artigkeit und propere Erscheinung als Marktvorteil zugemutet? Ist es überhaupt vorstellbar, dass über einen männlichen Künstlerkörper mehr geredet wird als über seine Kunst?

Sogar Kollegin Maria Lassnig spricht von Kogelniks Schönheit und Sexappeal, und von der finanziellen Unterstützung durch den Ehemann. Bitter. Hätte die Kollegin posthum nicht ein bisschen Liebe hervorwürgen können? Andererseits: hat Lassnig nicht unter ganz anderen Vorzeichen ihre Kunst produzieren und vorantreiben müssen, und ist die Missgunst nicht ein bisschen nachvollziehbar? Was sagt Carolin Schneemann, die Ateliernachbarin in NY?
Cunt Mascots seien sie und Kiki gewesen, hat sie gesagt. Muschi Maskottchen.

Wir fassen zusammen:
Wer, wie die Avantgarde-Künstlerinnen Renate Bertlmann und Margot Pilz , deklariert feministisch arbeitete, wurde vom Kunstmarkt in den Bankrott boykottiert.
Wer wie Lassnig undeklariert einfach gute Kunst machte, musste auf ein langes Leben hoffen, um vielleicht noch vor dem Tod Anerkennung zu genießen.
Und wer wie Kiki Kogelnik mit Humor, Leichtigkeit und experimentellem Mut punkten wollte, wurde belächelt und auf das Weibchen reduziert.
Konnte man als Frau irgendetwas nicht falsch machen?

Dass Kunst von Frauen geschnitten und ignoriert wird, ist immer noch Gang und Gäbe; nicht vielen erfolgreichen Künstlerinnen ist es gestattet, den Playern der jeweiligen Märkte ihren Feminismus unter die Nase zu reiben. Immer noch bewährt es sich, das Reizthema zu vermeiden, wenn frau mitspielen will. Wer will sich schon mit stinknormalem Alltagsfeminismus – Kinder, Körper, Altersarmut - zu Tode langweilen?

My paintings pretend, they are beautiful, they pretend to be happy
its all just at the surface
hat Kiki Kogelnik über ihre Bilder geschrieben.
Wer genau hinschaut: Sieht den banalen Modepuppen die Wucht ihrer Bedeutungslosigkeit ins Gesicht geschrieben. Sieht die Wasserleiche im Beachgirl, das Rache- und Kastrationbesteck in der unschuldigen Bastel-Schere, die Muffins-Bleche im Roboterkörper und das gar nicht so Harmlose am Kleiderhaken. Oder das Blut, das vom Pinsel tropft und eine neue Periode einleitet.
my paintings are about women
about illusoins women have about themselves
Mit dieser Thematik ist Kiki Kogelniks Kunst in der digitalen Realität am Puls der Zeit.

Dazu muss sie keine deklarierte Feministin gewesen sein.
Sie war in erster Linie Kunstschaffende. Aber als Kunstschaffende, die noch dazu Frau ist, hatte sie genug Probleme, auch ohne feministische Agenda. Zu viele Rosen, zu wenig Geld. Fehlende Galerien. Kein Zimmer für sich allein. Die Krux mit der Mutterschaft. Die 19-jährige Sigrid hat sich im Nachkriegswien das Essen vom Mund abgespart und sich von Mama Sonnenblumenkerne aus Bleiburg schicken lassen, damit sich ein kleines Atelier ausgeht. Und auch in New York hat sie oft mit dem Rotz gerauft. Die buntesten, fröhlichsten Frauenbilder sind in den Zeiten größter Krisen entstanden. Dass über ihre Hüte und Beine mehr geschrieben wurde als über ihre Kunst, ärgerte sie. Dachte sie wirklich, ihr sei dieselbe Extravaganz erlaubt wie ihrem Kollegen Andy Warhol? Nun: quod licet Andy, non licet Kiki.

Ich habe genug! schreibt sie 1970. Ich brauche keine Liebe, sondern Geld! Ich brauche 20000 Dollar und ein Atelier in den Innenstadt! Alle Trotteln um mich machen Reklame und haben Erfolg. Ich will jetzt auch Erfolg!

Anerkennung unabhängig von Geschlecht, das Bestehen auf ein eigenes Atelier, das Weiterarbeiten trotz Mutterschaft – allesamt lupenreine feministische Forderungen. Dass sie dafür nicht auf die Straße gegangen ist, oder sich als Aushängeschild instrumentalisieren lassen hat, nahmen ihr die Feministinnen natürlich übel. Auch, dass sie bei der All-Women-Gruppenausstellungen 1975 nicht mitgemacht hat. Alle Frauen in einer Ausstellung zusammenpferchen? Kiki Kogelnik wollte als sie selbst gewürdigt werden – und nicht, weil zufällig das internationale Jahr der Frau war!

Das Jahr der Frau im Zeitalter des Mannes. Wir vergessen gerne, was das für Umstände waren, in denen ihr Werk entstanden ist. Empfängnisverhütung ist gerade erst auf dem Markt, Schwangerschaftsabbruch da wie dort noch verboten, eine eheloses Leben finanziell und moralisch revolutionär, und #metoo ist bestenfalls ein feuchter feministischer Traum. Mann ist qua Gesetz noch Familienoberhaupt; und außer der Queen gibt es so gut wie überhaupt keine Frauen in Machtpositionen welcher Art auch immer. Über die Leinwände flimmert der amerikanische Traum: in ihm sitzt James Bond mit vier unterwürfigen Asiatinnen in einem Whirlpool und lässt sich von ihnen das Brust- und Rückenfell einschäumen und bewundern. Alleine für das Erinnern an diese Szene müsste ich korrekterweise mindestens drei Triggerwarnungen aussprechen.

I m like the doctors wife cooking. Nobody talks about my paintings…..
my social standard is wrong.
Wie wrong der social standard ist, ist auf eine Ausstellungseinladung der Galerie Kornfeld Zürich 1978 nachzulesen. Dort steht:
Kiki Kogelnik wurde 1935 in Beiburg in Kärnten geboren, studierte Malerei an der Akademie für Bildende Künste in Wien, übersiedelte 1961 nach NY , verheiratete sich 1966 mit einem mediziner und gebar 1967 ihr einziges Kind, einen Sohn mit Namen Mono.
Sie zeigte ihre Werke in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in den USA und in Europa , (mit einer bedeutenden Retrospektive 1977 in der Jack Gallery in New York). Trotz einem verhältnismäßig glücklichen Eheleben ist eine gewisse feministische Aggressivität in ihrem Werk nicht von der Hand zu weisen.

Kogelnik hat all diese Einladungen, derer sie habhaft werden konnte, eigenhändig zensuriert - in der Schau sind beide Versionen zu sehen, vor und nach der Zensur. Und ich finde sie fast genauso wichtig wie die Bilder. Denn sie zeigen, unter welchen Umständen Kiki Kogelnik und ihre Kolleginnenarbeiten mussten. Es waren harsche Bedingungen in Testosteronistan, und die Pionierinnen, die uns vorausgegangen sind, verdienen jeden erdenklichen Respekt.

Ja; Frauen werden immer noch gern in saloppe Grüppchen zusammengefasst, wenn sie zu musealen Ehren kommen sollen. Und nein, es gibt noch keine amerikanische Präsidentin, und auch keine österreichische, und nur einem politischen Unfall ist es zu verdanken, dass Österreich ein halbes Jahr von einer Kanzlerin regiert werden durfte. Ja; in fast allen großen Theatern und Musikhäusern dieses Landes befehligen Männer die Aufführung von Kunst, die von Männern gemacht wurde, die schon sehr lange sehr tot sind - für ein mehrheitlich weibliches Publikum. Und mit einer Frage danach, wann vielleicht die Zeit für eine weibliche Dirigentin zu Neujahrskonzert gekommen ist, kann man im Jahr 2023 Männerseelen noch empfindlich aufwühlen. Und ja, in der Literatur sind die zentralen Positionen in Verlagen und Feuilletons im Gegensatz zum Rest des Betriebs fest in Männerhand. Gerade erst hat ein begeisterter Kritiker seine Rezension damit eingeleitet, dass er die Autorin als aufgescheuchtes Reh mit sinnlichen Lippen beschreibt.

Auch, wenn es lange gedauert hat, und auch, wenn wir uns leise fragen, wo eine Kiki Kogelnik noch zu Lebzeiten hinkommen hätten können, wenn sie als Mann geboren worden wäre und echte Aberkennung bekommen hätte statt Rosen: schauen wir nach vorne. Es gibt sie schon, die Schwergewichts-Einzelausstellungen von Künstlerinnen, die Blockbuster von Regisseurinnen, die Literatur-Nobelpreisträgerinnen.
Seit Museen und Literaturhäuser in weiblicher Hand sind, was vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten passiert ist, wurden Künstlerinnen wiederentdeckt oder durften debütieren. Ihre Werke wurden aus Kellern und Dachböden hervorgeholt, und mit Preisen bedacht, und manche durfte und darf das noch erleben.
Wenn Frauen an der richtigen Stelle sitzen, dann klappt es plötzlich mit der Aufteilung der Ressourcen in Form von Aufmerksamkeit, Ausstellungsplatz, Bühne, Fördergeld, Prestige. Dann hat es sie plötzlich gegeben, die preiswürdigen, genialen Malerinnen und Bildhauerinnen, Musikerinnen und Schriftstellerinnen. Und: Kann es ein Zufall sein, dass die beiden Museen, in die Kiki Kogelniks Werke weiterwandern dürfen, von Frauen geleitet werden?

Daydreaming: I have always thought of myself as a great artist although I never say it. There’s a secret life in me which only comes out in my work. And im̀ waiting fort the day they will be discovered.

Tja liebe Kiki. The time is now. Ich darf die Ausstellung für eröffnet erklären.