Chronik

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden etwa zwölf bis 14 Millionen Deutsche aus ihrer angestammten Heimat im Osten vertrieben.

1946 führte der lange und beschwerliche Weg ins Unbekannte die mittellosen und entkräfteten Vertriebene aus der Provinz Schlesien über Durchgangslager auch nach Ostbevern. In diesem Jahr wurden in Ostbevern 182 Familien und 975 Personen von Vertriebenenbeiräten betreut. (Quelle 1)

Die ersten Schlesier kamen Karfreitag 1946 in Ostbevern an. Die circa 60 Personen, die überwiegend aus Peilau, Kreis Reichenbach stammten, wurden zunächst bei Bauern und im ehemaligen Reichsarbeitsdienstlager (RAD-Lager) in Ostbevern untergebracht. Weitere folgten in den nächsten Wochen aus anderen Gebieten Schlesiens, u. a. aus dem Kreis Neiße.



Einwohnerzahl Ostbevern (Quelle 2)


1939: 3.226

1950: 4.327


Davon Vertriebene: 654 (15,1 %)

Weil man Vertriebene und Flüchtlinge nicht gern in Dorfnähe ansiedeln wollte, wurde im Außenbereich nach Baugrundstücken gesucht. Im Sommerbrinksknapp am Lengericher Damm schuf die Kreisbau- und Siedlungsgesellschaft 1951 die „Ostvertriebenensiedlung“. Die Siedlung trug noch den vorläufigen Namen „Gruppensiedlung in der Dorfbauerschaft“ oder „Ostvertriebenensiedlung“. Bald kam die Diskussion auf, dass die Siedlung einen richtigen Namen bräuchte. Von Familie Klamt (Hausnummer 2) kam der nicht ernst zu nehmende Vorschlag, die Siedlung „Am Dreckloch“ zu nennen, weil der Lengericher Damm noch unbefestigt und die Zufahrt zu der Zeit bei Regen stark verschlammt war.

Die Idee, die Siedlung nach dem schlesischen Schriftsteller Joseph Freiherr von Eichendorff zu benennen, kam von Alfred Rieger (Hausnummer 3). Schon 1955 wurde die Idee mit Hilfe der Mitglieder des Bundes der vertriebenen Deutschen (BVD) Ostbevern umgesetzt.


Der ausgewählte Namenspatron „Eichendorff“ war einer der bedeutendsten Dichter und Schriftsteller der Romantik. Er wurde im Jahr 1788 als Sohn einer Adelsfamilie in Oberschlesien geboren und starb 1857 in Neisse. Ihm als Schlesier ist auch der Gedenkstein gewidmet. Gleichzeitig soll dieser Stein an die Vertreibung nach dem 2. Weltkrieg und das Leid der Vertriebenen erinnern. Die Idee hierzu stammt von Edmund Teuber (Hausnummer 13) und wurde 1998 umgesetzt.

Informtionen zu Joseph Freiherr von Eichendorff finden Sie hier

Das erste Haus der Siedlung wurde 1951 fertiggestellt. Der Eigentümer Paul Kujack war selbst Maurer (Hausnummer 4). Die Häuser Nr. 1 bis 8, Kaufpreis circa 16.200 DM, bekamen ihre Hausnummern erst, als die ersten acht Gebäude standen. Zu jedem Haus gehörte ein Schweinestall. Ursprünglich waren die baugleichen Häuser mit roten Tonziegeln eingedeckt und hatten eine graue Kellen-Putzfassade. Aufgrund der damals nach dem Krieg herrschenden Wohnungsnot musste jeder Eigentümer eine weitere Familie im Haus aufnehmen.


Die Häuser mit den Hausnummern 9 bis 11 wurden 1952 / 1953 erbaut. Luise Krätzig (Hausnummer 12) konnte 1960 im neu errichteten Haus ihren 100. Geburtstag feiern.

Die bereits vorhandenen Häuser in dem Bereich der heutigen Eichendorff-Siedlung, zum Beispiel das Haus der Familie Heinrich Voss, später Josef Antemann, erbaut 1937, nahmen den Namen Eichendorff-Siedlung nicht an. Aus diesem Grund gibt es hier leider eine Straße mit unterschiedlichen Straßennamen. Das Haus der Familie Goldmann wurde nach dem Bau der Siedlung im Jahr 1963 auf der gegenüberliegenden Straßenseite erbaut, trägt aber die Straßenbezeichnung Dorfbauerschaft 33 a. Die Dorfbauerschaft 33 liegt fünf Häuser entfernt am südlichen Bereich der Siedlung direkt am Lengericher Damm. Dort standen schon in der Zeit des Nationalsozialismus die Offiziershäuser des Reichsarbeitsdienstes. Die Barackenlager zur Unterbringung der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter standen eine Meter davon entfernt gegenüber des Bauernhofes Schapmann, Dorfbauerschaft 28 und wurden nach dem Krieg von Flüchtlingen und Vertriebenen bewohnt.

Im Jahr 1949 wurde die Gemeinde Ostbevern vom Siedlerobmann Heinrich Teuber aufgefordert die Möglichkeit schaffen für Vertriebene Eigentümer oder Hoferben eines verlorenen Bauernhofes Nebenerwerbsstellen zur Verfügung zu stellen. Es dauerte noch acht Jahre, bis Grundstücke zur Verfügung standen. 

1957 wurden von der „Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft Rote Erde GmbH“ für sieben Inhaber des Siedlereignungsscheins Nebenerwerbshäuser mit den Hausnummern 13 - 19 gebaut. Der Kaufpreis betrug 46.040 DM. Die ersten Bewohner stammten aus dem Kreis Neisse / Oberschlesien. Die Baderäume waren mit WC, Waschtisch, Badewanne und Kohleöfen versehen. Die Wände waren mit Ölfarbe gestrichen. Die Bäder und Küchen konnten durch Eigenleistung verfeinert werden. Jede Siedlerstelle hatte eine eigene Hauswasserversorgung. Die Schmutzwasserentsorgung lief über eine Vierkammerklärgrube, die zweimal im Jahr geleert wurde. Die schwach vorgeklärten Abwässer wurden über eine Verrieselungsstrecke auf jedem Grundstück verrieselt. (Quelle 3)

Zur Eigenversorgung wurde Getreide gesät und Kartoffeln gepflanzt. Viehhaltung war auf den Nebenerwerbsstellen stark verbreitet. Es wurden Schweine, Gänse, Hühner und Enten gehalten.

Natürlich waren auch Hausschlachtungen nach heimatlicher Art üblich. Zu den schlesischen Spezialitäten gehörten vor allem Wellfleisch und Grützwurst. Einige Kostproben wurden dann zwischen den Nachbarn ausgetauscht.

Von 1953 bis 1975 gab es in der Siedlung einen „Tante-Emma-Laden“ (Hausnummer 12) den die Geschwister Emma Krätzig und Fritz Kuhnert betrieben. Hier gab es Lebensmittel und das Nötigste zu kaufen. Bis das Haus von Familie Krätzig fertig war, wurden von 1953 bis 1960 provisorisch im Haus der Familie Kuhnert (Hausnummer 9) Lebensmittel verkauft. In den siebziger Jahren stand neben dem heutigen Kräuterbeet und der Bank der Kolpingsfamilie eine Telefonzelle. Alfred Rieger, Haus Nr. 3 handelte mit Textil- und Kurzwaren. Diese vertrieb er hauptsächlich im mobilen Handel. Es gab ein kleines Geschäftszimmer im eigenen Haus.

Weitere Daten:


1960 Bau eines Schlackenfußweg in der Eichendorff-Siedlung

1965 Aufstellung von selbst gefertigten Straßenlaternen

1967 Anschluss an das öffentliche Wassernetz der Gemeinde

1987 Anschluss an die Kanalisation und das Erdgasnetz

1996 Erstellung des Radwegs von der Eichendorff-Siedlung nach Ostbevern

1998 Aufstellung des Eichendorff-Gedenksteins

2021 Gründung der Initiative Eichendorff-Siedlung e. V.

Einweihung der Mehrgenerationenhütte, Anlage von Beeten mit Pflanzung eines westfälischen Apfelbaums

Versetzung des Gedenksteins

Nach Erzählungen und Erinnerungen von Gerhard Pohl, Ewald Rieger, Rudolf Schlerfer und Edmund Teuber.

Zusammengetragen von Siegmund Friedrich, Thomas Pohl und René Teuber.

Quellen:

Wandtafel in der Eichendorff-Hütte