Hier werden die aktuellen Tagungsprojekte des Arbeitskreises für die nächste Zeit angekündigt
Tagung in Kooperation mit Hessen Kassel Heritage
Denkmalpflege, Museumsform und die Frage der Authentizität. Schlösser und Gärten im Selbstverständnis einer sich wandelnden Gesellschaft, 13.–14.11.2025, Kassel
Veranstalter:
Hessen Kassel Heritage in Kooperation mit dem Rudolstädter Arbeitskreis zur Residenzkultur e. V.
Veranstaltungsort:
Hessisches Landesmuseum
Hörsaal
Brüder-Grimm-Platz 5
34117 Kassel
Datum:
13.11.–14.11.2025
In Präsenz
Kontakt:
Anmeldung erbeten unter: info@heritage-kassel.de
Innerhalb der im letzten Jahr von der Arbeitsgemeinschaft deutscher Schlösserverwaltungen (ADGS) begonnenen Forschungs- und Tagungsreihe Staatliche Schlösser im 20. Jahrhundert als Spiegel des gesellschaftlichen und politischen Wandels widmet sich die diesjährige Tagung dem Thema „Denkmalpflege, Museumsform und die Frage der Authentizität. Schlösser und Gärten im Selbstverständnis einer sich wandelnden Gesellschaft“
Die Entwicklung der deutschen Denkmalpflege und ihrer Methoden spiegelt sich in derjenigen der Schlösser und Gärten. Bei den Schlössern, die nach dem Ende der
deutschen Monarchie 1918 der
Öffentlichkeit als Orte der Kunst und Geschichte offenstanden, reichte das Spektrum zunächst vom „Museumsschloss“ mit überlieferter Einrichtung bis hin zum „Schlossmuseum“, das als Hülle eine von Fachleuten neu konzipierte Ausstellung aufnahm.
Vor diesem Hintergrund entbrannte schon in den 1920er Jahren zur Frage der unterschiedlichen Adaptionsformen überlieferter Schloss- und Garten-Ensembles ein Expertenstreit. In der Diskussion um die Frage, in welcher Form Bauten, Raumschalen und Gartenbereiche präsentiert werden sollen und inwieweit (Kunst)Historiker und (Kunst)Historikerinnen sie im Rahmen konservatorischer Kompetenz verändern dürfen, spielten Begriffe wie Authentizität, Aura oder das Verhältnis von Restaurierung, Rekonstruktion und materieller Originalität eine zentrale Rolle. Dahinter verbarg sich aber letztlich das Ringen um die Entscheidung, inwiefern ein Schloss die Lebenswelt der letzten Bewohner, ein stilgeschichtliches Idealbild, ein Kunstmuseum oder eher ein Lernort der Geschichte sein sollte.
Seit dieser frühen Zeit, in der Schlösser zu einer neuen Museumskategorie wurden, veränderte sich mit den gesellschaftlichen und politischen Bedingungen auch immer wieder die Auffassung, was unter Begriffen wie Authentizität oder Rekonstruktion zu verstehen ist bzw. wie sie zu bewerten sind. Im Laufe des 20. Jahrhunderts. stellten zudem Ereignisse wie beispielsweise kriegsbedingte Zerstörungen oder temporäre Umnutzungen die Verantwortlichen vor zusätzliche Entscheidungen und gaben den Aneignungsprozessen neue Impulse.
Die Tagung widmet sich daher mit ihrem Fokus auf Schlösser und Gärten einem besonderen Kapitel der Geschichte denkmalpflegerischer und musealer Methodenentwicklung und ihrer zeitgebundenen Lösungsansätze. Es gilt herauszuarbeiten, inwieweit sich in den „Biographien“ von Anlagen in Deutschland der letzten hundert Jahre bestimmte Tendenzen und deren Hintergründe, aber auch das (Selbst)Bewusstsein einer Bürgergesellschaft, die das kulturelle Erbe der Schlösser und Gärten mit ihren von der Adelsgesellschaft abweichenden Maßstäben bewertete, erkennen lassen.
PROGRAMM
Donnerstag, 13.11.2025
13:00 Uhr: Registrierung/Kaffee
13:30 Uhr: Justus Lange (Kassel) / Matthias Müller (Mainz): Begrüßung und Einführung
14:00 Uhr: Wolfgang Wiese (Karlsruhe): ... in Ansehung ihrer selbst ... Sind Schlossräume mehr als museale Baudenkmäler?
14:45 Uhr: Cornelia Thielmann (Bamberg): Hegemonial-identitätspolitische Inanspruchnahme von Burgenrestaurierungen
15:30 Uhr: Kaffeepause
16:00 Uhr: Michael Keller (Dessau-Wörlitz): Kulturlandschaft als Welterbe und Gegenstand der Gartendenkmalpflege – Erfahrungen aus dem Gartenreich Dessau-Wörlitz
16:45 Uhr: Antje Vanhoefen (Potsdam): Zur Frage der Gattung Schlossmuseum in der DDR – Im Blickpunkt: Das Personal
17:30 Uhr: Antje Borrmann (Dresden): „Immer wieder schön. Aber manchmal auch etwas langweilig.“ Besucherperspektiven auf die Vermittlung der Schlösser, Burgen und Gärten am Beispiel Sachsen
Freitag, 14. 11.2025
9:00 Uhr: Gerrit Hollatz (Hannover): Schloss Marienburg – vom Familien – zum Schlossmuseum. Ein Werkstattbericht
9:45 Uhr: Jochen Ringer (Neustadt an der Aisch): Die lange Nachnutzung eines Hohenzollernschlosses in Neustadt an der Aisch. Verwaltungssitz, Betsaal, Krankenhaus, Museum
10:30 Uhr: Birgit Finger (Weesenstein): Schloss Weesenstein. Das Tapetenmuseum des Ostens
11:15 Uhr: Kaffeepause
11:45 Uhr: Nico Janke (Schwerin): Die Rettung des Schlosses Güstrow im 20. Jahrhundert – „Ein Schloss fürs Volk“
12:30 Uhr: Markus Miller (Eichenzell): Schloss Fasanerie als privates Museum: Konzeption und Entstehung unter Philipp Landgraf von Hessen (1951–1967)
13:15 Uhr: Abschlussdiskussion und Tagungsende
Tagung in Kooperation mit Stiftung Schloss und Park Benrath, Düsseldorf
Alltag im Schloss. Versuch einer Mikrohofkulturgeschichte, 27.–29.03.2026, Schloss Benrath bei Düsseldorf
+++ Bitte beachten Sie, dass die Tagung auf den 27.–29.03.2026 verschoben wird. +++
Werner Paravicini markierte vor 30 Jahren mit dem Band „Alltag bei Hofe“ das Themenfeld der höfischen Alltagsgeschichte als Forschungsdesiderat. Seitdem hat sich die kulturhistorisch geprägte neuere Hofforschung jedoch primär für die höfische Gesellschaft, den regierenden und nicht regierenden Adel, für höfische Geschlechtermodelle oder einzelne Akteurinnen und Akteure, das höfische Zeremoniell im Rahmen von Ereignissen oder standeskonforme Tätigkeiten wie diplomatische Missionen, kirchliche Ämter oder Reisen interessiert. Der Fokus lag dabei auf deren Bedeutung in Hinblick auf das dynastische Selbstverständnis des Adels und dessen Erinnerungskultur, auf der performativen Selbstvergewisserung der eigenen Lebensweise, der Einbettung in und Konkurrenz zur Referenzgruppe des europäischen Adels, der Binnendifferenzierung innerhalb des eigenen und der Abgrenzung zu den anderen Ständen. In Ansätzen ist dabei die Vernetztheit und Abhängigkeit des Adels vom Austausch mit anderen Statusgruppen thematisiert worden. Das Narrativ entfaltete sich dabei stets aus der Perspektive der Herrschenden und ihrer Interessen. Sebastian Kühn wies jüngst zu Recht auf das Phänomen der Dienerschaft als Forschungsfeld aus eigenem Recht hin. William Ritchey Newtons 2020 in deutscher Sprache erschienenes Buch „Hinter den Fassaden von Versailles“ ist durchaus hilfreich in Hinblick auf eine höfische Alltagsgeschichte, doch bedient er zugleich mit seinen Ausführungen zu Parasiten und Fäkalien in geradezu topischer Weise das voyeuristische Bedürfnis des 21. Jahrhunderts.
Das Schloss der Frühen Neuzeit ist in Abhängigkeit seiner Rolle als Residenz, Lust- oder Jagdschloss, Prinzenpalais oder Witwensitz der Ort, an dem die unterschiedlichsten Funktionen und Aufgabenfelder räumlich zusammentreffen und in alltäglichen Kooperationen und persönlichen Begegnungen gestaltet werden müssen. Schlösser boten dabei den höchsten Grad der Multifunktionalität sowie Komplexität und zeigen das Phänomen in verdichteter Form. Im Residenzschloss entfalten sich zunächst verschiedene zentrale Funktionen: es ist das Zentrum der politischen Herrschaft und der Verwaltung und der wichtigste Wohnort der Fürstenfamilie. In der Abhängigkeit von diesen beiden Grundfunktionen entfalten sich entlang der alltäglichen Bedürfnisse und Notwendigkeiten der beteiligten Personen sowie unikalen oder wiederkehrenden Ereignissen im Jahreslauf alle anderen Felder, die sich jeweils räumlich und personell abbilden. Das Schloss beherbergt die Hofkirche, die Kammer, Archiv, Bibliothek, Sammlungen, Zeughaus, Pferdestall, Ballsaal, Audienzräume, Gästezimmer, Kinderzimmer, Wochenbettstuben, Badezimmer, Ess- und Schlafzimmer, Küchen, Keller, Vorratsräume und Wachstuben. Es ist der Ort des unaufgeregten Tageslaufs, des Aufstehens, Betens, Musizierens, Reitens, Schachspielens, Lesens, Spazierens, der Beratungen, der Bearbeitung der Korrespondenzen, der Teilnahme an Unterricht in Sprachen, Fechten oder Tanzen, an Handarbeiten, Essens, Leibwäsche, Toilettengängen, Geschlechtsverkehr und nächtlichem Schlaf. Es ist der Ort, an dem sich die alljährlich wiederkehrenden Ereignisse des Jahreslaufs abspielen, an dem Gäste empfangen und Audienzen gewährt werden; es ist der Ort der wenn nicht alltäglichen so doch saisonalen oder regelmäßigen Vergnügungen des Theaters, der Jagd, des Glücksspiels, der Konzerte, der Bälle; es ist der Ort, an dem das Garten- und Küchenpersonal, Koch, Metzger und Konditor die Nahrungsversorgung sicherstellen, die Hofschneiderei die Kleidung und der Hofschreiner die Möbel wartet. Diese Liste ließe sich nahezu unendlich fortsetzen.
Wie aber gestalten sich die Kooperationen der einzelnen Ressorts und den ihnen zugeordneten Personen, wie bewegen sie sich im Raum miteinander, nebeneinander? Wie ist die Wegeführung in den Schlössern? Wie kommunizieren Sie? Wie begegnet man den Bedingungen des biologischen
Körpers? Wie gestalten sich Beziehungen zwischen den einzelnen Gruppen? Welchen Einfluss hat das Lebensalter der Beteiligten auf die Interaktionen?
Das Tagungsprojekt verfolgt einen Ansatz der Historischen Anthropologie, der den Hof im Rahmen einer (vergleichenden) Mikrogeschichte erschließen will. Der Blick richtet sich auf die strukturelle Verwobenheit der einzelnen Personen mit dem Ganzen, die Personengruppen in sich und untereinander. Das Erzählen entlang der Standeshierarchien soll trotz ihrer grundsätzlichen Anerkennung weitgehend vermieden werden. Im Kern steht das alltägliche, graduell in Abhängigkeit der Größe des Hofs sicherlich unterschiedlich stark ausgeprägte informelle Handeln der einzelnen Akteurinnen und Akteure, die alltäglichen Praktiken, die Normalität des Alltags jenseits der als politisch verstandenen Körper der Fürstenfamilien. Nicht das Exzeptionelle ist Ziel der Betrachtung, sondern das Banale. Nicht die große Form, sondern die kleine.
Das interdisziplinäre und zugleich museumsbasierte Tagungsprojekt verfolgt die These, dass der höfische Kosmos sich als eng verwobenes ‚Knäuel‘ an gegenseitigen Verbindlichkeiten zeigt, das alltägliche soziale Beziehungen über die Standesgrenzen hinweg und entgegen der normativen Vorstellungen von der Trennung der sozialen Sphären möglich macht ohne dabei egalitär zu sein. Es geht zugleich um die Dekonstruktion des Konzepts von der permanent nur in der Form des politischen Körpers erscheinenden Fürstin und Fürsten.
Veranstalter: Rudolstädter Arbeitskreis zur Residenzkultur e.V., Dr. Annette C. Cremer, Universität Gießen und Prof. Dr. Stefan Schweizer, Stiftung Schloss und Park Benrath, Düsseldorf
Wir laden ausdrücklich zu Beiträgen aus der Perspektive von Museen sowie Bildungs- und Vermittlungseinrichtungen ein. Bitte ein maximal einseitiges abstract sowie eine kurze Info zur Person an:
Kontakt und Information:
Prof. Dr. Stefan Schweizer
Wissenschaftlicher Vorstand
Stiftung Schloss und Park Benrath
Benrather Schloßallee 102
40597 Düsseldorf
Tel.: 0211 8997140
stefan.schweizer[at]schloss-benrath.de
Bitte besuchen Sie auch die Seite Bisherige Veranstaltungen mit den dortigen Programminformationen.
Bildtitel: C. H. Fritsche, Feuerwerk auf der Elbe am 6. Juni 1709 (1710, Staatliche Kunstsammlungen Dresden)