Der vermutete Wanderzug (auf die Karte klicken für GoogleMaps):
Im Jahre 1772 zog unser [möglicher] Vorfahre Christian Kosolowski aus unbekannten Gründen weg von Gut Ossowo bei Tuchel in Westpreussen (Fußnote 2) (evtl. ist von Bedeutung: im Jahre 1772 fand die erste polnische Teilung zwischen Österreich, Preußen und Rußland statt).
[Anm. v. SK: Im Rahmen der Erstellung des Westpreußischen Kontributionskatasters wird 1772/73 in Stobbendorf, heute Stobiec, ein Peter Kosolowski als Familienoberhaupt erfasst. Mehrere Familien mit Namen Kosolowsky siedelten in unmittelbarer Nähe in den Landkreisen Marienburger Werder und Elbinger Niederung. Laut der Online-Suchmaschine GEDBAS sind Ende des 18. und im 19. Jhdt. einige Einträge in Gundau bei Wehlau (heute Snamensk) verzeichnet, das auch nicht allzu weit entfernt liegt]Im Jahre 1792 wird in Presdlow/Brest/Polen ein Johannes Kosolowski geboren, der 1815 nach Beresina/Besserabien (Fußnote 3) (heute Ukraine) zog (Karl Stumpp: „Die Auswanderung aus Deutschland nach Rußland in den Jahren 1763 bis 1862“, S. 340: 13. Verzeichnis der Familien in der katholischen Siedlung Krasna, Bessarabien
Über die Urheimat der einzelnen Familien sind wir nicht informiert. Nur in dem Bericht von Malinowsky heißt es: "Die ersten Ansiedler der Kolonie Krasna, röm.-kath. Religion waren Untertanen des Churfürstentums - jetzt Königreichs Bayern im Minker Kreis, aus Rheinfranken und Rheinland-Pfalz. In den Jahren 1800-1803 kamen die jetzigen Krasnaer in das Herzogtum Warschau. Von hier wanderten auf Grund des Aufrufs der russischen Regierung 133 Familien von den polnischen Orten Orschokowin und Schitonitz 1814 unter Anführung von Mattheis Müller und Peter Becker nach Bessarabien aus.
[Anm. v. SK: Schitonitz ist wohl das heutige Sitaniec. Der Ort namens Orschokowin lag aufgrund der Quelle https://www.krasna-photo-collection.de/ebook/herkunft/d-00-04-22 hier und weist damit ebenfalls auf Ostpreußen als Ausgangspunkt hin.]
Im heutigen Krasna wurden dann 1815 zuerst 90, dann 1816 weitere 43 Familien angesiedelt. 1825 wurden die 19 evang. Familien aus Krasna nach Katzbach umgesiedelt.) Nach meiner Einschätzung ist das dort angegebene Herkunftsland Bayern schlichtweg falsch bzw. wird deswegen erwähnt, weil die Siedler von Beresina praktisch alle von ca. 1800 – 1814 in Orschokowin oder Schitoniz/Polen (Grafschaft Warschau, s.o.) lebten und fast alle bayerischer Herkunft waren (Hinweis: auch die Pfalz war bayerisch!) Man sollte sich auch bewusst machen, dass heutige Genauigkeitsmaßstäbe nicht angelegt werden können.
Wie erwähnt wissen wir aus den Erzählungen unserer Eltern und Großeltern definitiv, dass unsere Vorfahren einige Jahre „bei Warschau“ festgehalten wurden und dass sie aus Krasna/Bessarabien in die Dobrudscha weiter gezogen sind. Insofern ist also volle Übereinstimmung mit der vorhandenen Literatur festzustellen. Die unterschiedlichen Siedlungsorte Beresina (es handelt sich nicht um den Ort, an dem die berühmte Schlacht Napoleons in Rußland stattfand) und Krasna sind so zu erklären, dass die katholischen Kosolowskis aus dem evangelischen Beresina recht schnell in das katholische Krasna weiter gezogen sind; solche Bereinigungen waren damals normal (s.o. Die Kolonie Kras(s)na wurde ebenfalls 1815, mit katholischen Einwanderern unterschiedlicher Herkunft, angelegt. Unser Ururgroßvater Peter (Adam) wurde hier 1821 geboren, unser Urgroßvater Johannes am 06.03.1853.
Wir wissen ferner aus den Erzählungen – und auch das stimmt mit der Literatur überein -, dass für die Kindeskinder in Bessarabien (russisches Erbrecht, der jüngste Sohn bekam „Alles“) nicht mehr ausreichend Land vorrätig war, sich die russische Siedlungspolitik verschlechterte (Militär, Steuer, Religion), also frühere Versprechungen (z.B. die Freistellung vom Militär) nicht mehr eingehalten wurden.
Im Frühjahr 1876 trafen dann also in der Dobrudscha, in die sie vorher Kundschafter ausgesandt hatten, ungefähr 25 bis 30 Familien aus der bessarabischen Kolonie Krasna ein (s.o. - Paul Traeger: „Die Deutschen in der Dobrudscha“). Unser Ururgroßvater Peter (Adam) war dabei, Urgroßvater Johannes natürlich auch. Er war ja auch schon ca. 23 Jahre alt. Nach ihrer Ankunft in der Dobrudscha teilten sich die Siedler. Die Mehrzahl ließ sich ca. 10 km nordöstlich von Caramurat im Ort Tasaul nieder [Anm. v. SK: Mit der Eingabe "Caramurat Rumänien" wird bei Google Earth auf Mihail Kogălniceanu (heutiger rumänischer Ortsname) verwiesen.]. Der ausbrechende „Russisch-Türkische Krieg“ vertrieb sie und sie fanden Zuflucht in dem Dorfe Caraibil (Kareibel) bei Sarinasuf, Nähe Razelm-See [Anm. v. SK: es gibt Hinweise dass er sich hier befindet/befand]. Hier wurden z.B. 1878 und 1879 die Schwestern unseres Großvaters Hipolit, Rosa und Theresia, geboren; dafür starb Ururgroßvater Peter (Adam) hier. Schon wenig später zog man, aus wiederum unbekannten Gründen, weiter. Ein Teil zog noch Norden und siedelte in Pos(s)ta(e), 15 km von Tulcea, an. Dort wurde unser Großvater Hypolit am 02.10.1880 geboren.
Aber auch hier war des Bleibens nicht lange und man fand endlich ein Zuhause in Colelia. Dort wurde schon 1881 Großvaters Bruder Isidor geboren, der aber sofort nach der Geburt verstarb. Der Ort war von Tataren bewohnt, die in Folge des Krieges geflüchtet und nicht mehr in ihre Heimat zurückgekehrt waren. In Colelia wohnten unsere Ur-, Groß- und Eltern bis 1940. Meine vier älteren Geschwister (Basilius/Sili, Hypolit/Poldi/Josef, Katharina/Kathi, Ottilie/Otti) wurden ebenfalls dort geboren. Unser Urgroßvater Johannes hatte ca. 130 ha, Großvater Hypolit ca. 100 und nach ihm unser Vater Josef ebenfalls ca. 100 ha (und 1 ha Weinberg!) an Landbesitz.
Die Heimholung ins Reich fand Ende 1940 mit dem Schiff auf der Donau, vorher und nachher mit der Bahn, statt. Eine vorübergehende Bleibe fand man im Kloster „Maria Schnee“ in Lülsfeld bei Gerolzhofen in Unterfranken, wo im Oktober 1941 unser Fünfter (Longinus/Linus) geboren wurde. Ein anderer Teil unserer Verwandtschaft wurde im Kloster St. Ludwig (gegenüber Wipfeld) untergebracht.
Danach sollte die Neuansiedlung im „Nahen Osten“, in Polen, stattfinden. Das war ja der eigentliche Zweck der Aktion. Die Deutschen aus den fernen Ostgebieten holen und sie im Nahen Osten (Polen) ansiedeln. Das Lager Kirschberg bei Litzmannstadt (Lodz) war der Aufenthaltsort. Nach rund 150 Jahren war man also fast wieder am Ausgangsort angelangt. Nach einigen weiteren Wirren und letztendlich nicht erfolgter Ansiedlung unserer Familie, u.a. weil Güter in der Größe von 100 ha überhaupt nicht (mehr?) zur Verfügung standen (das ist kein Witz, die Bescheinigung befindet sich in meinem Besitz), „ging“ es per Flucht vor den Russen wieder westwärts, über die Zwischenstationen Frauenaurach und Wildflecken 1945 endlich nach Würzburg. Brüder unseres Großvaters Hypolit landeten mit ihren Familien in St. Ludwig (Johannes) bei Wipfeld und in Gerbrunn (Manuel) bei Würzburg. Also ebenfalls in Unterfranken.
1946 kam ich (Johannes, Hans-i) in Würzburg als Sechster und Letzter der Geschwister auf die Welt. Am Johannistag 1947 verstarb unser Vater, ich war gerade 10 Monate alt. Er hat den Verlust seines schönen und großen Gutes nie verwunden. Unsere Mutter Rosalie lebte bis zu ihrem Tod 1986 in Würzburg.
Hans Kosolowski
Dieser Versuch einer Rekonstruktion des Wanderzuges der Familie Kosolowski stammt in wesentlichen Teilen aus dem Jahr 1999, wurde im Laufe der Jahre aber verfeinert.
Fußnoten:
2 Ossowo gehört zum Kreis Tuchel bzw. Conitz bzw. zum Kirchspiel Wielle. Die Taufbücher der Jahre ab 1768 aus dem Kirchspiel Wielle liegen im Bischöflichen Archiv in Regensburg. Ich habe sie durchforstet und konnte dabei festellen, dass zwischen 1768 und 1772 (Wegzug) kein Kosolowski mehr in Os(s)owo geboren wurde.
3 Die Taufbücher von Beresina aus den Jahren 1849 bis 1851 liegen ebenfalls in Regensburg. Auch hier konnte ich natürlich keinen Vorgang feststellen. Wir wissen ja eigentlich sicher, dass die Kosolowskis zu dem Zeitpunkt schon in Krasna waren.
weitere interessante Quellen: