Keyserling als Student, Foto von P. Barth, Dorpat

Eduard von Keyserling wurde Mitglied der Studentenverbindung Curonia. Noch im ersten Semester, am 10. März 1876, starb sein Vater. Nach Ende des ersten Semesters und bestandener Fuchsenzeit (Probezeit) erhielt er die „Farben“ der Curonia. Schon fünf Tage nach diesem Termin wurde er zum ersten Mal exmatrikuliert. Aus dieser Zeit stammt vermutlich auch das folgende Foto.

Die Curonia war die Verbindung der kurländischen Studenten in Dorpat, sie wurde im Jahr 1808 gegründet. Im Jahre 1875 war ungefähr die Hälfte der kurländischen Studenten Mitglied der Curonia. Die Zusammensetzung der Mitglieder unterschied sich deutlich von der allgemeinen Studentenschaft in Dorpat. Juristen waren mit einem Anteil von 44% die mit Abstand größte Gruppe in der Curonia; die Mediziner waren unterrepräsentiert (22%). Oeconomen waren überdurchschnittlich vertreten, Theologen unterdurchschnittlich, Pharmazeuten waren rar.

Dass die Zahl der Studenten der Jurisprudenz doppelt so hoch war wie die der Medizin steht mit einem anderen Sachverhalt in Zusammenhang: Der Anteil der Studenten aus adligem Elternhaus lag in der Curonia deutlich über dem Durchschnitt der Studentenschaft. Unter den kurländischen Medizinstudenten in Dorpat war der Anteil der Studenten aus adligen Familien sehr gering (<10%), unter den Juristen war er wesentlich höher (>40%). Für Jurastudenten aus adligem Haus war die Mitgliedschaft in der Curonia wohl obligatorisch, für Medizinstudenten fakultativ.

Insgesamt elf Mitglieder der Familie von Keyserling waren Mitglied der Curonia. Sechs begannen ein Studium der Jurisprudenz, darunter auch Eduards ältere Brüder Otto und Heinrich. Vier studierten Politische Oeconomie (bzw. Cameralistik, wie der Studiengang vor 1870 hieß). Lediglich ein Mitglied der Familie begann ein Medizinstudium, wechselte aber später zu Jura.

Fünf Mitglieder der Familie waren Chargierte der Curonia, d. h. sie hatten eine Führungsposition inne. Sein Bruder Heinrich war 1869 für zwei Semester Senior, Otto war 1870 für zwei Semester Senior. Der Senior ist der Sprecher der Verbindung und Vertreter nach außen, de facto der „Vorsitzende“. In der Regel wechselt der Senior mit jedem Semester, die Tatsache, dass Eduards Brüder den Posten zwei Semester lang hintereinander ausübten, zeugt von ihrem hohen Ansehen.

Eduard von Keyserling bekleidete ebenfalls Ämter in der Curonia. Im Semester 1877 I war er Burschenrichter, in 1877 I und II Chargierter, in 1877 II Senior und, im Semester 1878 I Ehrenrichter. Er war also zweieinhalb Jahre lang sehr aktiv in der Curonia, obwohl er in dieser Zeit nur gut zwei Monate immatrikuliert war.


Die Anfänge der Curonia reichen zurück bis ins Jahr 1772. In diesem Jahr ist erstmals eine Landsmannschaft kurländischer Studenten in Göttingen nachweisbar. Göttingen war damals bevorzugter Studienort vieler Kurländer, insbesondere der Juristen, auch aus der Familie von Keyserling.

Viele Studenten der Theologie stammten aus Polen und Russland; in diesen Ländern war ein Studium der ev. Theologie nicht möglich, als zukünftige Pastoren der evangelischen Minderheit mussten sie im „Ausland“ studieren. Die Pharmazeuten hatten in Dorpat einen eigenen Verein (Fraternitas Pharmaceutica Dorpatensis). Die Zahlenangaben sind auf die Jahre 1870 bis 1879 bezogen, Füchse und Inaktive sind enthalten. Quelle: Album Curonorum, Mitau 1885.