Wohnsitz
Wohnsitz in zwei EU-Staaten – Rechte, Pflichten und Sanktionen
Im Zuge der studentischen Mobilität wird immer wieder die Wohnsitzfrage gestellt. Bin ich am Studienort meldepflichtig? Was ist der Unterschied zwischen Domizil und Wohnsitz? Kann ich in zwei EU-Ländern gleichzeitig einen Hauptwohnsitz haben?
Da die Rechtslage nicht bis ins letzte Detail geklärt ist und zudem die Praxis von der Theorie abweicht, sind die nachfolgenden Informationen mit Vorsicht und ohne Gewähr zu betrachten.
Zwei Hauptwohnsitze in zwei Ländern - geht das?
Theoretisch hat jede Person dort ihren Hauptwohnsitz, wo der Lebensmittelpunkt liegt. Im Zweifelsfall ist dies dort, wo man mindestens 183 Tage im Jahr lebt (also ein halbes Jahr + 1 Tag). Die Praxis in den jeweiligen Meldewesen der verschiedenen Staaten regelt die Sache jedoch anders. So muss man z.B. in Deutschland mindestens einen Hauptwohnsitz haben - einen Nebenwohnsitz kann man dort nur dann anmelden, wenn man bereits in einer anderen Stadt in Deutschland einen Hauptwohnsitz hat. In Österreich hingegen kann man einen Haupt- oder einen Nebenwohnsitz anmelden.
Da Österreich diese Möglichkeit bietet, empfehlen wir eine Anmeldung des Nebenwohnsitzes. In einigen Fällen entscheiden sich Studierende trotzdem dafür, am Studienort einen weiteren Hauptwohnsitz anzumelden, da Vergünstigungen (z.B. Semesterticket) oder Förderungen (z.B. Mietbeihilfe) oft an den Hauptwohnsitz gekoppelt sind.
Der Gemeindenverband Südtirol bzw. die "Task Force EU-Recht" rät - auf Basis der theoretischen Rechtslage - tendenziell davon ab, mehrere Hauptwohnsitze anzumelden.
Jene Studierende, die zwei Hauptwohnsitze haben, tun dies "auf eigene Gefahr". Die betroffenen Studierenden müssen sich bewusst sein, dass sie durch eine jederzeit beschließbare Änderung der Melderegelung (oder wenn die betroffenen Staaten beginnen sollten, ihre meldeamtlichen Daten abzugleichen) ihren Wohnsitz in einem der beiden Länder verlieren könnten, mit allen verbundenen Folgen!
Achtung: bitte die Hinweise zur Meldepflicht in Deutschland und Österreich beachten!
Welche Nachteile hat die Wohnsitzabmeldung in Südtirol?
Bevor man seinen Wohnsitz in Südtirol abmeldet, sollte man bedenken, dass dadurch einige Rechte, die an den Wohnsitz gekoppelt sind, verloren gehen. Oft muss der Wohnsitz bereits eine bestimmte Zeit unmittelbar vor der Gesuchstellung in Südtirol gelegen sein:
Studienbeihilfe für Studierende außerhalb Südtirols: zum Zeitpunkt der Gesuchstellung min. 2 Jahre Wohnsitz in Südtirol
Studienbeihilfe für postuniversitäre Ausbildungen außerhalb Südtirols: (hier zählt nur mehr das Einkommen + Vermögen der Antragstellerin/des Antragstellers): zum Zeitpunkt der Gesuchstellung min. 2 Jahre Wohnsitz in Südtirol
Leistungsstipendien für Studierende außerhalb Südtirols: der Hauptwohnsitz muss sich bei Einreichefrist des Leistungsstipendiums seit min. zwei Jahren in Südtirol befinden;
Wahlrecht: Wer den Wohnsitz in Südtirol abmeldet und sich nicht ins AIRE-Register einträgt, verliert das Wahlrecht für Landtags- und Gemeindewahlen.
Zudem verliert man bei einer Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland die italienische Krankenversicherung.
Der Stellungnahmen der Task Force EU-Recht und der Abteilung Örtliche Körperschaften ist folgendes zu entnehmen:
EU-BürgerInnen:
Generell haben alle EU-BürgerInnen das Recht, sich innerhalb der Union frei zu bewegen und aufzuhalten (Art. 21 AEUV) und dort auch zu arbeiten (Art. 45).
UnionsbürgerInnen, die im Besitz eines gültigen Personalausweises/Reisepasses sind, können sich generell bis zu drei Monate am Stück in einem EU-Land aufhalten ohne weitere Bedingungen erfüllen oder Formalitäten erledigen zu müssen (Art. 6 Richtlinie 2004/38/EG).
Wer aus Arbeitsgründen oder zu Ausbildungszwecken in einem anderen Mitgliedstaat ist, kann auch länger als drei Monate bleiben, wobei das Aufnahmeland eine behördliche Anmeldung verlangen darf (Art. 8 2004/38/EG). Die Nichterfüllung der Anmeldepflicht kann (verhältnismäßig und nichtdiskriminierend) sanktioniert werden.
Es gibt keine einheitliche Definition von Wohnsitz in der EU. Laut Task Force ist es „in der Regel nicht möglich“, einen Hauptwohnsitz in zwei EU-Staaten zu haben. Der Hauptwohnsitz sollte dort sein, wo der „Mittelpunkt der Interessen einer Person“ liegt, z.B. da wo sie sich am meisten oder am längsten aufhält, oder dort, wo ihre Einkommensquelle liegt.
Rechtlich problematisch wird ein doppelter Wohnsitz, wenn unrechtmäßige Doppelleistungen bezogen werden (z.B. Studienbeihilfe in Südtirol und Mietbeihilfe in Österreich).
Italienische Staatsangehörige:
Laut italienischem Recht ist das Domizil dort, wo sich der Hauptsitz der Geschäfte und Interessen einer Person befindet. Der Wohnsitz ist dort, wo sich eine Person hauptsächlich aufhält (Art. 43 Italienisches Zivilgesetzbuch). Italien sieht also keinen Haupt- und Nebenwohnsitz vor, sondern nur einen Wohnsitz und ein Domizil. Schon damit ist klar: Zwei Wohnsitze zu haben ist nicht möglich.
Der Wohnsitzwechsel ist nicht automatisch an die Eintragung ins AIRE gekoppelt. Die Eintragung ins AIRE ist nur bei einer Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland für einen Zeitraum von über zwölf Monaten vorgesehen. Mit der Eintragung im AIRE erfolgt automatisch die Streichung aus dem Melderegister der Heimatgemeinde (APR), weshalb ein doppelter Wohnsitz für mehr als zwölf Monate laut italienischem Recht nicht möglich ist. Studierende bilden hier keine Ausnahme.
Zusammenfassend ist zu sagen:
In vielen Fällen ist die parallele Eintragung von zwei Wohnsitzen in zwei verschiedenen EU-Staaten rein technisch möglich.
Rechtlich vorgesehen und gutzuheißen ist der doppelte Wohnsitz nie.
Definitiv rechtswidrig ist die Inanspruchnahme ungerechtfertigter Doppelleistungen, die an den Wohnsitz gekoppelt sind.
Ein Verstoß gegen die Ordnung über das Meldeamtswesen sieht Sanktionen vor.
Eine meldeamtliche Eintragung kann nach drei Monaten Aufenthalt im ausländischen Staat verlangt werden.
Die Eintragung ins AIRE muss nach zwölfmonatigem Wohnsitz im ausländischen Staat erfolgen und hat die automatische Streichung aus dem Melderegister der italienischen Heimatgemeinde zur Folge.