WiMi.UP

Kurzdarstellung zu §2 Abs. 2 WissZeitVG


Darstellung zur Vorgehensweise bei Anträgen auf Einstellung in Drittmittelprojekten (mit Befristung gem. §2 Absatz 2 WissZeitVG[1])

Das Problem

Langfristig können sehr gut qualifizierte Kolleginnen trotz bereits eingeworbener Mittel in Drittmittelprojekten nicht angestellt werden, da die Verantwortlichen an der Universität Potsdam (Präsidium, Personaldezernat, Fakultäten und Institute) dies als arbeitsrechtlich zu riskant betrachten. Das WissZeitVG sieht in §2 Abs. 2 aber genau diese befristete Beschäftigung von Wissenschaftlerinnen vor und wir fordern, das Gesetz auch an der Universität Potsdam zur Anwendung zu bringen und somit erfahrenen Mitarbeiterinnen weiterhin ihre Arbeit zu ermöglichen.

Gesetzliche Grundlage

Das WissZeitVG sieht zwei Gründe zur Befristung von Mitarbeiterinnen vor. Einerseits können Wissenschaftlerinnen nach §2 Abs. 1 befristet beschäftigt werden. Bekannt ist diese Regelung auch unter dem Schlagwort "12-Jahres-Regel“. Demnach ist (etwas vereinfacht dargestellt) eine Befristung zunächst nur max. 6 Jahre bis zur und dann weitere 6 Jahre nach der Promotion zum Zwecke der wissenschaftlichen Qualifikation der Mitarbeiterin möglich. Der Befristungsgrund ist hierbei die Qualifikationsphase der Wissenschaftlerin.

Unabhängig von dieser Regelung sieht das WissZeitVG die Befristung nach §2 Abs. 2 für in Drittmittelprojekten tätige Mitarbeiterinnen vor. Hier ist eine Befristung (ohne die in §2 Abs.1 genann ten zeitlichen Begrenzungen) möglich:

"(2) Die Befristung von Arbeitsverträgen des in § 1 Abs. 1 Satz 1 genannten Personals ist auch zulässig, wenn die Beschäftigung überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert wird, die Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt ist und die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter überwiegend der Zweckbestimmung dieser Mittel entsprechend beschäftigt wird; die vereinbarte Befristungsdauer soll dem bewilligten Projektzeitraum entsprechen.“.

Das Gesetz sieht also ausdrücklich eine Befristung vor, wie sie dem Hochschulalltag entspricht: Drittmittelprojekte sind keine Ausnahme, sondern eine Regel, und genau für diesen Regelfall wurde §2(2) vom Gesetzgeber am 18. April 2007 geschaffen.

Die Gerichte sehen in einer dem Gesetz folgenden Praxis ebenfalls kein Problem: So formulierte das Bundesarbeitsgericht (höchste Instanz auf deutscher Ebene) im Leitsatz zum Urteil[2]einer Klage durch eine zuletzt nach §2(2) befristeten Mitarbeiterin der Universität Leipzig (nach 11-facher Befristung mit unterschiedlichen Befristungsgründen und einer Laufzeit von insges. 22 Jahren): „[Die Voraussetzung für eine Befristung nach §2(2) WissZeitVG] ist erfüllt, wenn bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags aufgrund objektiver Anhaltspunkte die Prognose gerechtfertigt ist, dass sich der Mitarbeiter zu mehr als 50 % der Arbeitszeit - bezogen auf die Gesamtlaufzeit des befristeten Arbeitsvertrags - dem drittmittelfinanzierten Vorhaben widmen wird.“. Das BAG sah entsprechend auch die Grundlage für einen Anspruch auf Entfristung der Klägerin als NICHT gegeben.

Ist-Zustand an der Universität Potsdam

Bislang wurde ein Antrag auf Beschäftigung mit Drittmittelbefristung nach §2 Abs. 2 WissZeitVG vom Personaldezernat an die jeweilige Fakultät/Institution weiterverwiesen. Es wurde darauf hingewiesen, dass eine Einstellung auf Grundlage von §2 Abs. 2 nur möglich ist, wenn die Fakultät das "arbeitsrechtliche Risiko“ trägt. In der Folge wird dann dieses angebliche Risiko innerhalb der Fakultät häufig bis zum Institut weitergereicht, wo es zu großer Verunsicherung und in der Regel letztlich zur Ablehnung des Antrages führt. Dies geschieht, obwohl niemand in der Lage ist, das konkrete Risiko im jeweiligen Einzelfall zu benennen. Das Risiko wird hierbei wahrscheinlich in einer drohenden Klage der jeweiligen Mitarbeiterinnen auf Entfristung mit den entsprechend unangenehmen Auswirkungen auf das Dauerstellenkonzept des Instituts gesehen, auch wenn – wie oben dargelegt – das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland hier kein Risiko sieht.

Seit dem Treffen von WiMi.UP Vertreterinnen mit dem Präsidenten der Uni Potsdam, Prof. Oliver Günther wissen wir: Ab Juni 2019 gibt es nun eine neue Regelung für den Umgang mit §2 Abs. 2 WissZeitVG an der Uni Potsdam.

Der entsprechende Vermerk des Präsidenten vom 13. Juni 2019 liegt uns vor. In diesem Vermerk wird behauptet, dass eine nach §2 Abs. 2 WissZeitVG mögliche Befristung nicht "ad infinitum" möglich ist, da hierdurch ein Klagerisiko entsteht. Diese Sichtweise ist weder durch den Gesetzestext, noch andere anwendbare Gesetze noch die Sichtweise des Bundesarbeitsgerichts begründbar, dennoch ist sie nun die offizielle Sichtweise unserer Hochschulleitung. Im Unterschied zur bisherigen Regelung darf nun maximal 4 Jahre nach §2(2) befristet werden (und/oder max 3 Projekte). Die jeweilige Einrichtung muss zudem (wie bisher) erklären, dass für den Fall der Entfristung der Mitarbeiterin (nach erfolgreicher Klage) eine Stelle (nicht mehr jedoch welche Stelle genau) vorgehalten wird.

Dies ist häufig extrem problematisch für die jeweiligen Drittmittelprojekte und steht zudem in starkem Kontrast zur Praxis an zahlreichen anderen deutschen Hochschulen (wie z.B. den Berliner Hochschulen, den Instituten auf dem Telegraphenberg, der FH Potsdam oder HNE Eberswalde), wo die Befristung nach §2 Abs. 2 Alltag ist. Fraglich ist, weshalb die Universität Potsdam sich vor diesem Vorgehen so scheut und worin exakt die Verantwortlichen trotz Gesetzeslage und einschlägiger Rechtsprechungen das "arbeitsrechtliche Risiko“ sehen?

Zur Zielsetzung

Ziel unserer Bemühungen ist eine Neuregelung des Vorgehens bei Antrag auf Einstellung für drittmittelbefristete Arbeitsverhältnisse nach §2 Abs. 2 des WissZeitVG an der Universität Potsdam. Eine faktisch grundsätzliche Ablehnung der Drittmittelbefristung als Sachgrund zur Befristung ist unserer Ansicht nach nicht juristisch begründbar. Wir lehnen eine Uni interne "hausgemachte Gesetzgebung" ab und fordern die Umsetzung des vom Gesetzgeber eigens geschaffenen WissZeitVG.

Wir fordern die grundsätzliche Berücksichtigung dieses Befristungsgrundes bei der Erstellung von Arbeitsverträgen. Um hierbei das arbeitsrechtliche Risiko auf ein vertretbares Niveau zu reduzieren, fordern wir die Definition klarer und konstruktiver Richtlinien zur Erstellung von Tätigkeitsdarstellungen und Arbeitsverträgen. Diese können den ausführenden Stellen bei der Einstellung von Mitarbeiterinnen helfen zu erkennen, unter welchen Bedingungen eine Befristung nach §2 Abs. 2 WissZeitVG ein vertretbares Risiko birgt und wann nicht. Für den Fall einer Ablehnung eines Antrages auf Einstellung fordern wir die Darlegung des konkreten arbeitsrechtlichen Risikos (Zum Beispiel: „Die Tätigkeitsdarstellung enthält mehr als 50% Tätigkeiten außerhalb des Projektes" oder "die Dauer der Befristung weicht von der Projektlaufzeit ab" oder " die geplante" Lehrtätigkeit überschreitet ein gewisses Maß“ etc.). Ansonsten soll das Gesetz im Sinne der Mitarbeiterinnen und Projekte wie vom Gesetzgeber vorgesehen zur Anwendung gebracht werden.

Es ist aus unserer Sicht nicht sinnvoll, wenn "top-down" entschieden wird, welche Personalpolitik für welches Projekt oder welche individuelle Vita geeignet ist. Die Sachkompetenz für diese Entscheidungen liegt in den Projekten und bei den Projektleiterinnen selbst. Anstelle der derzeitigen Praxis der Verbreitung diffuser Ängste vor „hohen arbeitsrechtlichen Risiken“, fordern wir von der Universität Potsdam also sachlich korrekte Formulare und Richtlinien für alle Beteiligten (Arbeitsgruppen-/Projektleiterinnen, Sachbearbeiterinnen, Mitarbeiterinnen etc). Solche konstruktiven Richtlinien ermöglichen die Erstellung von Tätigkeitsdarstellungen und Arbeitsverträgen die potentielle arbeitsrechtliche Risiken vermeiden und geben der Wissenschaft den Freiraum, welchen das WissZeitVG vorsieht.


[1]https:/ww.gesetze-im-internet.de/wisszeitvg/BJNR050610007.html[2]Urteil vom 08. Juni 2016 – 7 AZR 259/14 –, BAGE 155, 227-244