Aktuelle Situation
Die Sonne steht tief über Los Angeles, das Licht ist warm und golden, und Rocco lehnt sich auf seinem Bett zurück. Der Ventilator summt leise im Hintergrund, während draußen das Leben weiterzieht – Autos, Stimmen, Musik irgendwo vom Nachbarhaus. Es ist einer dieser Abende, an denen die Stadt wirkt, als würde sie kurz stillstehen.
Rocco scrollt durch seine Playlists, bleibt an einem alten Song hängen, der ihn an Michigan erinnert. An die langen Nachmittage im Skatepark, an die Gespräche im Schneematsch, an die kalten, stillen Winter. In LA fühlt sich alles lauter an, schneller, bunter – aber irgendwie auch weiter. Freier.
Er ist noch dabei, seinen Platz zu finden. In der Schule kennt er kaum jemanden, manchmal fühlt er sich wie ein Beobachter – als ob er in einen Film geraten ist, in dem alle schon ihre Rollen kennen. Aber mit jedem Tag wird es ein kleines bisschen besser. Ein Junge aus der Bio-Klasse hat ihm heute ein Kompliment zu seinem T-Shirt gemacht. Kein großes Ding – aber es hat sich gut angefühlt. Ehrlich.
Rocco denkt viel nach in letzter Zeit. Über sich, über das, was er fühlt, was ihn ausmacht. Nicht, weil er jemand anderes sein will – sondern weil er das Gefühl hat, dass er mehr sein kann, wenn er sich wirklich kennenlernt. LA gibt ihm Raum dafür. Niemand hier scheint überrascht, wenn du anders bist. Oder wenn du dir nicht sicher bist, was „normal“ überhaupt heißt. Es zählt, dass du echt bist.
Er schaut in den Spiegel an der Wand. Nicht kritisch. Einfach neugierig. Da steht ein 17-jähriger Junge, der aus Österreich hierhergezogen ist. Nicht weil er musste, sondern weil er wachsen wollte. Weil er wissen wollte, wer er noch sein kann – ohne Lärm, ohne Schubladen.
Er steht auf, schnappt sich sein Skizzenbuch, das irgendwo zwischen Texten, Zeichnungen und Ideen liegt. Vielleicht schreibt er heute Abend wieder ein paar Zeilen. Nicht für Likes. Nicht für andere. Nur für sich.
„Ich bin Rocco,“ denkt er.
„Und ich bin genau dort, wo ich sein soll.“
,,Nur muss ich eine Frau werden.´´