Lehrerinterview mit Herr Lauckner

Zettel - Kaffee - Laptop

Mathe und Physik - wenige Lehrkräfte stehen so sehr für ihr Fach wie Herr Lauckner. Wir haben ihn über Schule und Hobbies ausgefragt und dabei ein ganz neues Prinzip entdeckt! Lest gerne mal rein!

14.03.2025 Nico Schneider

Seit wann sind Sie am HLG?

Seit 2009, das sind inzwischen 15 Jahre. Das ist eine ganze Menge Holz, ich komme mir so alt vor. [lacht]

Was ist denn Ihr erster Gedanke, wenn Sie ans HLG denken?

Der allererste Gedanke sind die Besonderheiten unserer Schülerschaft, mit all ihren Facetten. Der zweite Gedanke ist, dass das HLG mein Arbeitsplatz ist und ich da mein Geld verdiene.

Welche Ausreden haben Sie denn fürs Zuspätkommen damals als Schüler genutzt?

Eigentlich keine. Als ich in der Unter- und Mittelstufe war, bin ich nicht allzu oft zu spät gekommen. Das liegt daran, dass ich keine U-Bahn hatte, mit der ich zu jedem Zeitpunkt in die Schule fahren konnte. Ich hatte halt meinen Schulbus. Und der Schulbus, der ist halt irgendwann abgefahren, dann war er weg. Das heißt, den musste ich erwischen. Damals war ich immer sehr knapp dran. Ich habe dann auch schon gewusst, wo noch die nächste Haltestelle ist, zu der ich gerade noch hinrennen kann. In der Mittelstufe mussten mich meine Eltern dann öfter reinfahren, weil ich verzweifelt vom Schulbus zurückgekommen bin: „Ich hab den Schulbus verpasst.“ Jedenfalls hat dieser so selten fahrende Schulbus dafür gesorgt, dass ich im Unterricht eigentlich immer pünktlich war. In der Oberstufe war es ein Bisschen anders. Da habe ich dann für mich selbst entschieden, ob mir es wert ist, für diesen Unterricht, den ich an einem Tag in der ersten Stunde habe, früh aufzustehen. In meinem Physikleistungskurs war ich sehr gut. Aber ich war bei Weitem nicht in jeder Stunde da. Denn ich habe gelernt, dass das, was mir der Lehrer in 90 Minuten erzählen will, das kann ich mir in 30 Minuten selbst anlesen. Und deswegen habe ich dann immer wieder den Physikunterricht in der 1. und 2. Stunde geschwänzt. Und da ich trotzdem geliefert habe (Ich habe immer meine Hausaufgaben gehabt und auch den Stoff nachgelernt), gab es auch keine Probleme. Mein Physiklehrer hat zu jedem Stundenbeginn immer irgendwen abgefragt. Irgendwann musste er mich natürlich auch mal drannehmen. Ich war immer vorbereitet, sodass er mich jederzeit abfragen kann, auch nachdem ich mal wieder gefehlt habe. Das hat er aber nie gemacht.

Viele Jahre später: Jetzt sitzt Herr Lauckner auf der anderen Seite des Lehrer*innenpults

Welches Lied beschreibt denn die Arbeit als Systembetreuer am besten?

Damit kann ich jetzt eigentlich mangels vertiefter Kenntnis der populären Liedkultur kaum dienen, muss ich sagen. Mir fallen zwar Lieder ein, aber die passen jetzt nicht zum Systembetreuer. Die Frage war zu offen. Ich brauche so etwas geschlossenes: ja, nein; ankreuzen. [lacht]

Welches Lied von DorFuchs ist das Beste und warum?

Ich finde tatsächlich das Lied zur Lösungsformel ganz gut. Und zwar aus mehreren Gründen. Erstens ist dieser Refrain so eingängig, dass die Schüler, wenn sie den Refrain in zwei Unterrichtsstunden gehört haben, die Formel auswendig kennen. Ob sie wollen oder nicht. Und genau das ist der Sinn und Zweck der Übung, dass sie danach um Mitternacht, wenn man sie aufweckt, die Formel immer noch draufhaben.
Zweitens erzeugt das Video wichtige Aha-Momente. Die Herleitung der Mitternachtsformel ist sehr komplex. Viele Schüler schalten währenddessen im Unterricht ab oder steigen aus, weil es einfach so viel auf einmal ist. In diesem Video wird diese Herleitung nochmal wiederholt. Und wenn ich das Video dann mit einem gewissen zeitlichen Abstand zur eigentlichen Einführungsstunde den Schülern zeige, dann hört man Stimmen aus dem Klassenzimmer: „Ah, ach so ist das“. Das heißt, mit diesem Video können die Schüler in kürzester Zeit viel neues dazulernen und dann auch altes mit neuem verknüpfen. Das ist ein riesiger Gewinn.

Was ist Ihr alternatives Schimpfwort?

Wenn ich mich über mich selbst ärgere, dann sage ich auch mal einfach, dass ich ein Depp bin. Oder ich frage laut, was ich denn überhaupt kann. [lacht] Da bin sehr klar gegenüber mir selbst. Und wenn ich dabei gerade vor einer Klasse stehe, ist mir das auch egal.
Gegenüber Schülern versuche ich ganz zielgerichtet zu beschreiben, was gerade genau das Problem ist. Auch wenn ich mal in Rage sein sollte, versuche ich, die Sache sachlich auf den Punkt zu bringen, ohne der Person jetzt persönlich zu nahe zu treten.

Eine Sache auf Ihrer Bucketlist.

Die Frage ist, wie man jetzt diese Bucketlist genau versteht. Man könnte sich darunter Geschenke oder Urlaube vorstellen, die man „abhaken“ möchte. Ich würde gerne einfach mal ein paar Monate lang durch nördliche Länder Fahrrad fahren; am liebsten zusammen mit ein, zwei tollen Menschen. Darauf hätte ich echt Bock. Wenn es um Ziele geht, die mir ganz wichtig sind, wäre es mir ein großes Anliegen, es zu schaffen, das Pareto-Prinzip noch mehr zu verfolgen, damit ich mehr Freizeit habe. Weil ich versuche, viel zu viele Dinge viel zu gut zu machen. Dieses Versuchen – Ich sage nicht, dass ich es immer schaffe –das raubt ganz schön viel Zeit.

Zwischenfrage: Was ist dieses Pareto 80-20-Prinzip?

Mit 20 Prozent der Arbeit kann man 80 Prozent der Leistung erbringen.

Was war denn so die peinlichste Sache, die Ihnen im Unterricht passiert ist?

[lacht] Ja… ich hatte schon viele peinliche Situationen. An viele kann ich mich nicht mehr erinnern. Das heißt, das, was ich jetzt sage, muss nicht die peinlichste sein. Aber die, die mir als erstens in den Sinn gekommen ist, ist, dass mir live im Unterricht meine Hose aufgerissen ist. [lacht] Da hat es einmal laut „Ratsch“ gemacht. Das war in Physik in N010.

Zwischenfrage: Und was haben Sie dann gemacht?

Das war zum Glück gegen Ende der Stunde und danach hatte ich keinen Unterricht mehr.

Seit diesem Moment habe ich immer Wechselklamotten in der Schule. Damals war es noch nicht so. Damals konnte ich den Riss noch halbwegs verdecken und ich habe geguckt, dass ich schnell nach Hause komme. Allerdings muss man wissen, ich fahre nicht mit dem Auto, sondern mit öffentlichen Verkehrsmitteln. [lacht] Das heißt, ich hatte da noch ein paar Meter vor mir.

Wie schaffen Sie es, die Schulaufgaben und Tests so schnell zu korrigieren? Gibt es so etwas wie die Lauckner'sche Zeitdilatation?

Nein. Es gibt da zwei Rezepte dafür. Das erste Rezept ist die Gestaltung der Aufgabenstellung. Ich kann ungefähr einschätzen, wie korrekturintensiv eine bestimmte Art von Aufgabenstellung ist. Die korrekturintensivsten Fragestellungen sind die, bei denen die Schüler auf eine offene Fragestellung in Freitext antworten müssen, so wie das in Deutschklausuren regelmäßig der Fall ist. Es gibt Situationen, da kann ich es nicht vermeiden, dass ein Großteil der Arbeit so gestaltet ist. Da wird die Korrektur dann sehr brutal. Aber in Mathematik kann man in den Aufgaben auch Graphen zeichnen lassen, mal eine Rechnung aufgeben, und wenn ich die Aufgaben so kombiniere, dass nur wenige Aufgabenstellungen mit Freitext enthalten sind, und ich gleichzeitig im Rahmen der Aufgabenstellung bereits die Arbeitsstruktur vorgebe, komme ich sehr schnell durch die Korrektur durch. Das ist das erste Rezept. Und das zweite, und das ist sehr wesentlich, ist Disziplin. Und dieses Wort Disziplin muss man unter mehrerlei Hinsicht verstehen. Erstens habe ich meinen Unterricht aller, aller spätestens am Sonntagabend für die komplette nächste Woche vorbereitet, sodass ich während der Woche zeitlichen Puffer habe. Das bedeutet, wenn ich eine Schulaufgabe geschrieben habe, habe ich den gesamten Nachmittag, falls ich keinen Nachmittagsunterricht habe, zur Korrektur zur Verfügung. Wenn ich an einem Tag Schulaufgabe schreibe und ich ginge so vor wie viele Lehrkräfte, dass ich meinen Unterricht für den nächsten Tag noch vorbereiten müsste, dann würde mir es auf keinen Fall gelingen, an diesem Tag noch die Schulaufgabe zu korrigieren. Zweitens ziehe ich die Korrektur bis in den Abend durch. Ich habe, wenn ich eine Arbeit korrigiere, ein großes Interesse daran, wie die einzelnen Schüler sich da geschlagen haben, wie gut sie sind, was sie gut können, und welche Ideen sie bei den schweren Aufgaben hatten. Und wenn ich die Korrektur gleich durchziehe, dann schaffe ich es, diese Neugier beizubehalten. Bis zum späten Abend. Einfach so, aus eigenem Interesse. Dann setze ich eben Prioritäten. Das bedeutet auch: Ich schiebe mein Privatleben zur Seite und mache erst mal die Schulaufgabe für den Tag fertig. Dann habe ich es hinter mich gebracht und ich fühle mich gut dabei. Dabei spüre ich keine Erschöpfung und meine Familie gibt mir Rückendeckung. Ansonsten wäre das schwierig.

Als ich mein erstes Jahr hatte nach dem Referendariat, habe ich natürlich auch eine meiner ersten Schulaufgaben geschrieben. Ich war auch nicht so geschickt in der Aufgabenstellung. Und dann hatte ich gemerkt, dass mir während der Korrektur irgendwann die Puste ausgeht. Und dann habe ich die Arbeit beiseitegelegt. Und am nächsten Tag kam ich irgendwie nicht dazu, weiter zu korrigieren. Oder habe ich es ein Bisschen vor mir hingeschoben. Und dann war meine Neugier weg. Und meine Motivation. Und dann lag das Ding rum. Und als ich die Korrektur wieder angegangen bin, dann war ich sehr langsam dabei.

Wenn ich heute Erschöpfung merke und ich einfach nicht mehr kann, dann lege ich die Arbeit zur Seite, mache aber am nächsten Tag sofort weiter.

Das alles geht aber eben nur deswegen, weil ich A, bis Sonntag bereits eine Woche Unterricht vorbereitet habe, und B, weil ich auch nach 15 Jahren irgendwie immer noch neugierig bin, wie die Schüler sich so schlagen.

Auch unterwegs kann man arbeiten, damit zu Hause weniger zu tun ist!

Was ist denn so das Schlimmste am Lehrer sein?

Das habe ich vorhin schon am Rande erwähnt. Am schlimmsten finde ich die Arbeitszeit, die ich im Mittel pro Woche investiere. Da bin ich zum Teil selbst schuld, wie schon genannt, Pareto-Prinzip und so. Mein Zeitinvest ist weit mehr als die 35- oder 40 Stunden Woche in einem anderen Beruf. Es gibt bestimmt noch mehr Berufe, bei denen man sehr viel arbeiten muss, aber das zeitliche Volumen, das reine zeitliche Volumen, das finde ich am Lehrerberuf am schlimmsten.

Und was finden Sie am schönsten?

Es gibt viele Dinge, über die ich mich besonders freue. Zwei geben mir mit am meisten Kraft und machen mir am meisten Spaß. Das Erste sind diese ständigen neuen Situationen, diese Kreativität, die auf mich einsprudelt. Wenn ich in irgendeiner Klasse drin bin, die Klasse muss nicht leistungsstark sein, bloß willig, und dann kommt irgendeine Idee, irgendein Kommentar, irgendwas aus dem Off, mit dem ich überhaupt nicht gerechnet habe, was aber wunderbar zur Situation passt. Das macht mir richtig Freude. Und das Zweite, das mir wirklich Spaß macht, ist, dass ich ja in gewissem Maße meine Prioritäten selbst setzen kann. Also wo ich mich tiefer reinarbeite. Manchmal habe ich die Gelegenheit, mich in irgendetwas total „reinzunerden“. Ob das jetzt ein PowerShell-Skript für Microsoft Teams ist oder ob ich jetzt eine Unterrichtsstunde bis ins Detail ausfeile, weil ich eine ganz bestimmte neue Methode oder neue Didaktik ausprobieren möchte. Ich kann in meinem Beruf manchmal Prioritäten setzen, auf die ich selbst Lust habe, und das macht mir einfach Spaß. Ich habe ja nicht umsonst Mathe und Physik studiert. Ohne so eine Motivation, sich in Sachen reinzunerden, wäre es schwierig mit dem Studium. Und ja, das Hinein-Nerden macht mir Spaß, im Studium und auch jetzt.

Beschreiben Sie sich in drei Worten.

Nerd… Kaffee…Laptop! Aber Laptop und Nerd kann man eigentlich zusammennehmen … Zettel.

Zettel, Kaffee, Laptop!

Gibt es eine Sache, die man von Ihnen auf gar keinen Fall erwarten würde, so als Schüler?

Als ich Schüler war, da habe ich Lehrer nur in ihrem Beruf wahrgenommen. Dass sie zusätzlich auch noch Privatmenschen sind, das war für mich ein verrückter Gedanke. Einen Lehrer draußen auf der Straße zu treffen, das war für mich komisch.

Womit würden Schüler am wenigsten rechnen?

Dass ich ab und an nachts mit der Taschenlampe durch den Wald gehe, um irgendwelche wenig kartierten Höhlen zu erkunden und nach Geocaches zu suchen mit Freunden. In letzter Zeit nicht mehr so häufig, leider.

Dafür krabble ich jetzt im Urlaub zusammen mit meinen Kindern durch irgendwelche Schlammpfützen im Hindernisparcours. Früher bin ich mehrmals pro Woche tanzen gegangen, jetzt nehme ich im Urlaub gerne an Zumba- Animation teil. Da bin ich dann meistens der einzige Mann und beim ersten Termin bekomme ich daher immer komische Blicke.

Wenn Sie eine Sache am HLG ändern könnten, was wäre das dann?

Meine erste Intuition war, dass ich die Klassen innerhalb der Jahrgangsstufen anders mischen würde. Allerdings bin ich mir darüber bewusst, dass die organisatorischen Umstände gute Gründe dafür geben, warum es eben gerade so ist, wie es ist. Das heißt, ich weiß nicht, ob ich den aktuellen Zustand wirklich ändern würde, wenn ich die Macht dazu hätte. Wenn man mir alle Möglichkeiten geben würde, die man sich nur grundsätzlich vorstellen kann, würde ich vielleicht die Lehrerzimmer und die Klassenzimmer räumlich anders strukturieren. Und zwar so, dass die Lehrkräfte, die gemeinsam in einem Fach arbeiten, in den Pausen oder in Freistunden automatisch aufeinandertreffen. Denn ich bin davon überzeugt, dass eine Zusammenarbeit die Qualität der Arbeitsergebnisse verbessern kann, vielleicht sogar langfristig unter reduziertem zeitlichem Aufwand. Das geht aber nur dann, wenn die Hürden für diese Zusammenarbeit gering sind. Gemeinsame Treffpunkte können dabei helfen. Wir haben natürlich Lehrerzimmer, aber die sind über verschiedene Orte im Schulhaus verteilt und jeder rennt immer überall rum, weil das Haus eben so ist, wie es ist. Als erstes würde ich also die räumliche Struktur ändern.

Was wünschen Sie sich dann für die Zukunft?

Ich will immer die eierlegende Wollmilchkuhsau. Das ist jetzt nicht der Zukunftswunsch, sondern man muss sich das so vorstellen: Ich hätte gern den High-End-Gaming-PC, aber bitte für 50 Euro. Das vorangestellt, hätte ich gerne zwei Dinge. Erstens eine leitende Position in einem Gebiet, das ich gut kann. Und zweitens würde ich es gern schaffen, das Pareto-Prinzip mehr zu würdigen und am Wochenende mehr Zeit für meine Familie zu haben.

Vielen Dank für das Interview!

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