... hinter der Tür

Alan, Barcelona

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Die Bestätigung, dass wir die anderen brauchen, sogar zum Sterben.

Was würdest du gerne bewahren? Die sonnigen Dächer und die Stille rund um die Uhr.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Ich gäbe eine Million, wenn ich sie denn hätte, um das zu wissen.

Anna, La Garriga

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Dass ich durch Felder und Wälder laufen muss, sie sehen muss, mehr als ich ahnte. Es ist recht wahr, dass wir Menschen Berührung sind.

Was würdest du gerne bewahren? So manches Gespräch, das Klarheit und Nähe herstellte, einfach um einander zu unterstützen. Konzentrierte Lektüren, die intensiver waren als im üblichen Alltag.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Ich sehe ein Bild des schneebedeckten Núria-Berges. Die Aussicht vom Gipfelkreuz, an einem Werktag um Viertel nach sieben in der Früh, auf den See und ins Gebirge. Ich war dort bevor alles platzte und die Welt erstarrte.

Graciela, New York

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Wie unnötig es doch war so viel Geld beim Frisör auszugeben.

Was würdest du gerne bewahren? Zuhause zu arbeiten.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Ans Reisen. Daran, in der Natur zu sein.

Gabriel (Gracielas Mann), New York

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Es ist das „normale“ Leben, jenes ohne Pandemie, das mich entsetzt.

Was würdest du gerne bewahren? Meinen Sohn den ganzen Tag um mich zu haben… Obwohl er das wahrscheinlich anders sieht.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? An die ferne Vergangenheit.

Gina, La Garrotxa

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Verletzlichkeit. Sie entblößt Unsicherheiten, Launenhaftigkeit, Sehnsucht, Zärtlichkeit, Liebe, Kameraderie und Naivität. Aber sie ist auch auf intensive Weise schön. Die dunkle und dystopische Seite der Verletzlichkeit: Vieles kann in einem Ausnahmezustand eingeführt und als Fortschritt verkündet werden, obwohl es auf Kosten der Menschenrechte und Würde geht. Es ist wichtig, weder eingeschüchtert noch selbstgefällig zu sein.

Was würdest du gerne bewahren? Die Zeitlosigkeit im Jetzt. Die Schönheit und die geschärften Sinne, wenn ich arbeite oder aus dem Haus gehe. Meine langsame Entdeckung dieser atemberaubenden Landschaft, wie wir zusammenpassen.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Vielleicht bin ich am verwildern, vielleicht aber stöbere ich auch nur im Labyrinth meines Geistes.

Marcelo, São Paulo

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Dass Zeit ein anderes Wort sein kann für Angst. Und dass Angst alles sein kann. Denn meine Pein ist letztendlich nicht nur meine. Und dass das Leben unsinnig sein mag, aber die Gedichtbände intakt geblieben sind, siedend heiß, zwischen denselben Buchklappen, und dass so viele Verse noch ungelesen sind. Ich habe entdeckt, dass Sehnsucht Verzweiflung ist, Verzweiflung, Verzweiflung.

Was würdest du gerne bewahren? Diesen Ausnahmezustand, diesen Schrecken in der Luft, damit wir die Illusion von Freundschaft beibehalten, von Liebe, vom Überlebensinstinkt – und ernsthaft die Dichtung betrachten.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? An alles. Nicht sein ist vollkommen sein, in dem ich mich selbst umarme und Mitgefühl empfinde mit den armen Objekten, die meine kleine Existenz definieren.

Margalida, Les Guilleries

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Die Freude, die Welt vor meiner Tür zu wissen.

Was würdest du gerne bewahren? Zeit für mich.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Meine Sinne erwachen, und meine Gefühle reichen weiter als das Auge sieht.

Roger (Margalidas Mann), les Guilleries

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Dass sich alles von einem Moment auf den anderen wenden kann. Jemand kann jederzeit neue Regeln aus dem Ärmel zaubern.

Was würdest du gerne bewahren? Dieses Gefühl nicht zu wissen ob es Montag oder Samstag ist.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Dass uns Teil dieser Entschleunigung bleibt, aber ich habe wenig Hoffnung.

Danny, London

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Ich habe viele gute Freunde. Wir haben viele schlechte Politiker…

Was würdest du gerne bewahren? Die Langsamkeit der Zeit.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Leider noch immer an zu vieles.

Vivi, Santiago de Chile

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Die Erkenntnis, wie klein der Mensch ist. Die Zerbrechlichkeit des Lebens und die Anwesenheit des Todes wurden latent. Mit Wucht wurde mir die Zuneigung gegenüber meiner Liebsten bewusst: jenen hier und jenen dort, verteilt über die Kontinente. Wehmut überkam mich, weil ein Zusammenkommen unmöglich wurde, da die Entfernung unüberbrückbar ist. Ich fühlte Erleichterung für die von mir geliebten Abwesenden. Ich entdeckte meine Bewunderung für die Weisheit der Originalvölker, für ihre kosmische Weitsicht, die den Menschen im Einklang mit der Natur und dem Universum sieht. Ich schließe mit Pablo Nerudas „Ich gestehe gelebt zu haben“ und bestätige, dass mein Leben intensiv und erfüllt war, und dass, sollte es Zeit sein zu sterben, ich dies annehme.

Was würdest du gerne bewahren? Die Bescheidenheit, die Zärtlichkeit, die Bedeutung des Lebens, die kleinen großen alltäglichen Dinge. Die Überzeugung, dass im Leben Einfachheit und Freundlichkeit genügen. Brüderlichkeit, grenzenlose Solidarität, Natur, Schönheit, Kunst. Mich haben die Künstler überwältigt, die Wundervolles geschaffen und es so großzügig in diesen schlechten Zeiten angeboten haben. Unendlichen Dank. Die Hoffnung auf eine Zeit der Umarmungen.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Zu Beginn der Pandemie erstarrten meine Gedanken: die Angst, die Ungewissheit lähmten meinen Geist und ich fiel in eine existenzielle Leere. Inzwischen, wenn ich nicht denke, fühle ich mich eins mit der Größe der Natur: die endlosen, kräftigen Meereswellen, die üppigen, im Wind geneigten Wälder, der erneuernde Regen und die kleinen bunten Blumen, die erscheinen; die Sonne, die meinen Körper und mein Herz wärmt.

Helen, Melbourne

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Dass ich Strukturen benötige, sonst gehe ich verloren.

Was würdest du gerne bewahren? Die Abwesenheit von Autos auf den Straßen, wunderbar sorgenloses Laufen, saubere Luft.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Essen – was ich zum Abendessen koche, das große Ereignis.

Arnau, Sant Petersburg

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Dass ich auf zu Hause beschränkt leben kann.

Was würdest du gerne bewahren? Den Rhythmus.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Mir kommen Erinnerungen.

Guido, Los Angeles

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Dass mir diese Entschleunigung gefällt. Nach einem schweren Unfall vor drei Jahren kam mein Leben ebenfalls mehrere Monate zu Halt. Ohne Arbeit, kaum aus dem Haus (oder Krankenhaus) rauskommen, unendlich viel Zeit zum Nachdenken. Zum ersten Mal lernte ich ein Mantra: Bewegung – öffnet – Leben(squalität). Mit der Zeit habe ich es mit mehr Bedeutung gefüllt, vom Atmen übers Denken bis zu den Bewegungen dieser Worte auf dem Bildschirm, usw. In dieser Zeit des Stillstands finde ich immer mehr Interpretationen.

Was würdest du gerne bewahren? Kürzlich stieß ich auf das Konzept der Donut-Ökonomie. Die Idee ist, dass ökonomisches Wachstum ein ökologisches Dach haben sollte (der Rand des Donuts) und gleichzeitig wird verhindert, dass jemand sozial abfällt (das Loch im Donut).

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Woran genau weiß ich nicht, aber ich weiß, wer jeden Tag bei mir ist: Christine starb im Mai letzten Jahres. Da sie an Lungenversagen starb bringen die Corona-Bilder von Krankenhäusern, Beatmungsgeräten und Monitoren mit Sauerstoffkurven schwere Wochen zurück, gerade jetzt wo sich der Jahrestag nähert. Aber jenseits der Trauer und des Schmerzes heiße ich alle überraschenden Erinnerungen willkommen, in denen sich Nähe, Gelächter und Liebe in ein Gefühl verwandeln, dass ich für immer bewahren möchte.

Nico, Barcelona

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Dass ich Wasserfarben mag.

Was würdest du gerne bewahren? Nicht zur Schule zu gehen.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? An mehr spielen und mich langweilen.

Sílvia (Nicos Mutter), Barcelona

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Die Notwendigkeit anzuhalten. Ich mag das Leben jetzt, also prä-Covid, nicht, dieses sinnlose Hasten, ohne Richtung, ohne zu Sehen.

Was würdest du gerne bewahren? Die Intensität jeden Moments, die Beziehungen. Sie erleben und schätzen zu können, obwohl manche weit weg sind.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Wahrscheinlich summe ich im Geiste ein Lied.

Georgina (Sílvias Schwester), Paris

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Dass ich seit Jahren tausend Leben innerhalb eines Jahres lebe, und dies ist eins mehr, und wie überraschend es ist, wieviel andere dasselbe erleben… Und das sie einander vermissen, solange es anhält, um danach schnell zu vergessen oder sogar einander zu hassen.

Was würdest du gerne bewahren? Den Wechsel der Jahreszeiten sehen, meinetwegen den ganzen Tag lang. Ob du willst oder nicht, denn Neugier bewegt sich wie eine Schlange.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? An das Herzstück von Saint-Saëns Samson et Dalila (und ein Mix von „Die Erziehung der Gefühle“ und Balzac).

Maggi, München

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Wie man zu viert in einer Raumstation überlebt.

Was würdest du gerne bewahren? Die Ruhe und das Gefühl, dass ich nichts leisten muss, weil alles stillsteht.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? An meinen Schrebergarten.

Wolf, Schiedam

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Erst gab es kaum einen Unterschied zu meiner täglichen Routine, dann begann ich eine angenehme Stille zu bemerken, die ich zu lieben gelernt habe.

Was würdest du gerne bewahren? Die Stille und das langsame Tempo des Lebens.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Dasselbe, wenn ich ohne nachzudenken atme: ein allgemeines Wohlgefühl.

Ester, La Bisbal del Penedès

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Ein paar neue Kochrezepte; dass es für Kinder vielleicht einfacher war, sich der Situation anzupassen, als für Erwachsene. Dass die Arbeit im Homeoffice mindestens genauso anstrengend ist wie im Büro. Aber vor allem, dass der Lockdown für alle eine Gelegenheit war filterlos zu überprüfen, was wirklich wichtig ist im Leben.

Was würdest du gerne bewahren? Die Bedeutung von Freiheit und die in der Lockerungsphase des Lockdowns neu entdeckten Spazierwege.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Wolken rasen vorbei, und der Himmel wird wunderschön blau.

Lina, São Paulo

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Dass wichtige Fragen, so wie diese, ihre Zeit zum Beantworten bedürfen. Wir wissen so wenig. Und oft ist das, was wir vorher wussten, nun nicht mehr ausreichend, vor allem angesichts der Welt. Aber lasst uns nicht eilen. Spontan kann ich sagen, dass ich entdeckt habe, alleine leben zu können, solange ich Verbündete habe, die Kunst und Wissen schätzen. Und dass ich gleichzeitig nicht mit Menschen zusammenleben kann, die stark unterschiedliche Ziele und Ideale haben. Ich habe mich während des Lockdowns getrennt und wohne nach Jahren des Zusammenlebens wieder alleine. Aber die Isolation wurde dadurch nicht stärker. Die Nähe zu wichtigen Freunden und sogar das Eingeständnis des Bedürfnisses, eine alte Liebe neu zu erfinden oder gar aufzuwärmen, haben mich während dieser Zeit genährt. Ich fühle einen spirituellen Bund mit meinesgleichen und bin voller Neugierde. Ich spüre, dass sie mir helfen, und ich helfe ihnen.

Was würdest du gerne bewahren? Die Routine Zuhause zu lernen gepaart mit der körperlichen Pflege aufgrund einer beruflichen Neuorientierung. Jahrzehntelang war ich Journalistin, aber ich studiere seit inzwischen zwei Semestern Physiotherapie. Online Unterricht hat mir eine neue Disziplin gegeben, die ich als Journalistin und Schriftstellerin verloren hatte. Die Nöte des Körpers können nicht aufgeschoben werden, anders als Worte.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? An die Verbindung zu großen und tiefen Gefühlen. Und ich antworte ohne groß nachzudenken, dass ich gerne einem außerirdischen Wesen begegnen würde, wir Sex haben, uns wild verlieben um später herauszufinden, dass wir beide von hier und Nachbarn sind.

Agyedo, Nairobi

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Dass die Menschheit Geisel ihrer eigenen Gier sein kann.

Was würdest du gerne bewahren? Die Verlangsamung der Zeit, was vielen erlaubt über Dinge nachzudenken, die sonst außeracht bleiben. Es bietet uns auch Raum für banale Aspekte des Lebens, die wir kaum in Worte fassen in dieser eiligen Zeit der sozialen Netzwerke.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Mein Kopf steht nie still, meine Hyperaktivität lässt mir keine Ruhe, aber ich wäre jetzt gerne nackt und alleine an einem einsamen Strand, um dem Rauschen der Wellen zuzuhören.

Julie, Barcelona

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Zeit und Raum haben sich verändert. Vorher war die Zeit aufgeteilt und der Raum war frei. Nun ist der Raum begrenzt, aber die Zeit ist frei.

Was würdest du gerne bewahren? Ein wenig der zeitlichen Freiheit gepaart mit der wiedergewonnenen räumlichen Freiheit.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? An die Liebe als körperliche Empfindung in einer Stimme am Telefon.

Rezene (die Stimme an Julies Telefon), Dallas

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Dieser Moment hat vielen ermöglicht verlorengeglaubte Stimmen wiederzuhören und zu tun, was getan werden muss.

Was würdest du gerne bewahren? In großem Ausmaß bereitsein für das Unvermeidliche, sowie für die Entscheidungen, die die Gesellschaft fällen muss.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? An die Wiederbegegnung mit einer Stimme, die mein Selbstbewusstsein erneuert hat und mir hilft, mehr über mich zu lernen.

Susie, Edinburgh

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Dass ich Einsamkeit/ Isoliertheit gewohnt bin, und dass ich keine Angst vor dem Tod habe, sollte er kommen. Ich möchte nicht an dieser Krankheit sterben (ob ich sie bereits hatte…?), aber die Vorstellung vom Tod beschäftigt mich oft und gehört zu den Dingen, die mich am Leben interessieren. Ich verbringe meine Zeit ähnlich wie sonst, abgesehen von Bibliotheken, Besuchen oder Umarmungen. Sinnvollerweise lerne ich gerade besser auf mich zu hören, also was ich brauche und fühle, und dass ich mich nicht schuldig fühlen muss über das, was ich eigentlich tun sollte. Niemand kann mich finden. Niemand weiß. Das ist ein Stück Freiheit. Ich hoffe zurück zu Kreativitätsmustern zu finden, kleine Projekte, die ich aufgrund Krankheit und Erschöpfung nicht ausgeführt habe, was mir schlechtes Gewissen bereitet. Ich habe gelernt (und erlerne es immer neu, da ich es wiederholt vergesse), dass, wenn etwas Spaß bedeutet – oder als solches eingeordnet werden kann – ich mit größerem Elan spiele. Ohne Spaß ist das Tier in mir nicht fröhlich. Ich kann alleine spielen. Ich lerne gerade vieles erneut.

Was würdest du gerne bewahren? Die Stille der Stadt, die saubere Luft. Die Spuren von Pflanzen und Vögeln und Insekten, die verraten, dass sie sich Plätze erobern, die sonst voller Menschen sind. Es herrscht mehr Höflichkeit im Austausch (nicht bei allen; manche sind verängstigt und meiden Blickkontakt). Dass die gemeinschaftliche Erfahrung sehr wertvoll ist, obwohl jeder in seiner kleinen Blase lebt. Möge der Respekt (oder das Bewusstsein) bewahrt bleiben, den die Reichen endlich für die schlechtverdienenden, unentbehrlichen Arbeiter erlernt haben – und dass dies bessere Qualität, soziale Strukturen und Integration zur Folge hat. Ich wünsche mir, die Welt möge nach dieser Zeit der Selbstbetrachtung aufhören zu rasen und so laut zu sein.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? An Charaktere, die ich erfunden habe und deren Leben ich noch am Entdecken bin, auch wenn ich gerade nicht über sie schreibe; an Charaktere aus Geschichten anderer, die in meinem Kopf wohnen; Charaktere aus Filmen. Und oft versuche ich nicht zu denken oder den Gedanken freien Lauf zu lassen, ohne dass ich es merke. Was mich zurück zur ersten Frage führt – ich bin glücklicher, wenn ich mehr das Tier bin und weniger Kopf. Wenn ich also Sport treibe (was mir außerirdisch erscheint), wenn ich Pflanzen oder Bäume oder Texturen berühren kann, führt es mich vom immer beschäftigten Gehirn weg hin zu einem halb-meditativen Zustand, der wie Medizin wirkt. Trotzdem „nicht-denkt“ das Tier in mir immer auch, an was ich wohl als nächstes esse. Überleben.

Lluís, Pla de l'Estany

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Vielleicht habe ich die Leere entdeckt, hinterlassen von all dem, was man in der Ausgangssperre nicht hat: Die Abwesenheit der Patienten, die Abwesenheit lebendiger Stadtlandschaften, die Abwesenheit der Nähe von Freunden, was verstörend ist, bis sie auch in einem selbst wiederhergestellt ist.

Was würdest du gerne bewahren? Zeit mit Unsinn zu verplempern.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Ich denke an Viky, eine Freundin, die seit 45 Tagen auf der Intensivstation liegt und die es möglicherweise nicht schaffen wird.

Lynn, Aotearoa Neuseeland

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Dass ich alt genug bin um als „gefährdet“ zu gelten. Ich bin 65. Dass mein Lebensgefährte und ich einander helfen können Probleme zu lösen. Ich wusste es, aber es ist schön, daran erinnert zu werden. Dass Facebook, das ich normalerweise ignoriere, sich als hilfreich herausgestellt hat für lokale Informationen, z.B. wo man während der Ausgangssperre frisches Gemüse kaufen kann, usw. Dass Nachbarn sehr wichtig sind. Unsere Nachbarn waren sehr freundlich und einige Unbekannte haben angeboten, für uns einzukaufen, was reizend war.

Was würdest du gerne bewahren? Der Gottesdienst meiner Synagoge fand über Zoom statt. Ich bin kurz davor umzuziehen, nächste Woche, mehrere 100 Km entfernt, in ein Dorf ohne jüdische Gemeinde, und ich würde gerne Mitglied meiner Gemeinde bleiben und weiterhin am Gottesdienst meiner Synagoge teilnehmen, auch wenn ich körperlich nicht anwesend sein kann.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Manchmal gehe ich im Hinterkopf Nahrungsmittel und Medikamente durch, die wir brauchen. Manchmal denke ich eigentlich gar nichts, aber da ist so ein dumpfes Summen der Beklemmung in Geist und Körper.

Claire, Paris

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Die Bedeutung der ersten zwei Verse aus der Ode von Mönch Luis León: Welch ein geruhsam Leben dem, der entflieht der Welt Gewimmel!

Was würdest du gerne bewahren? Das Gefühl einer Schuld, dieses „Gracias a la vida“, das Violeta Parra sang.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? An nichts. An das Privileg nichts zu denken.

Sam, Tivoli NY

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Seit zehn Jahren lebe ich in meinem Dorf und glaubte, die Landschaft meiner Umgebung komplett erkundet zu haben. Aufgrund der Abstandsregeln habe ich neue, kaum begangene Pfade gesucht, und ich fand Wege und Wälder, die ich nie gesehen hatte, viel weiter und größer als jene die ich bereits kannte. Überall sah ich rote Waldlilien und gelbe Ringelblumen. Es fühlte sich an wie eine geheime Welt, die sich auf diesen Wegen eröffnete. Sie waren immer hier gewesen, nur hatte ich sie bisher nicht entdeckt. Nie ging ich so tief in den Wald, blieb stets auf bekannten Pfaden – in den 90ern geschah ein schrecklicher Mord in der Gegend, und viele Menschen hier haben ein kompliziertes Verhältnis zu diesen Wäldern. Es ist interessant, wie ich mich darin plötzlich sicher fühle, und dass meine Familie sich dort sorglos bewegen kann, ohne Angst vor Ansteckung.

Was würdest du gerne bewahren? Diese endlose Dankbarkeit dafür, ein Zuhause zu haben, genügend Essen, nahegelegene Bauernhöfe, ein Dorf, indem sich die Nachbarn kennen und auf einander aufpassen. Ich würde auch gerne das Nichtstun beibehalten und der ständigen Bewegung widerstehen. Und ich werde wohl ab nun zugeben, dass Technologie nicht allzu böse ist.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Diese Hintergrundangst ist konstant. Ich sorge mich wegen meiner Mutter. Ich sorge mich wegen meiner Töchter. Ich bin ziemlich sicher, dass meine Familie das Virus bereits hatte, obwohl die Tests negativ ausfielen. Ich sorge mich, jemanden angesteckt haben zu können. Ich denke viel an meine verstorbenen Familienmitglieder: mein Vater, die Großmütter, Onkel und Tanten, und die Bücher, die ich noch besitze und die einst diesen Menschen gehörten.

Jordi, Barcelona

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Die Pause. Den Luxus weniger Termine zu haben und Zeit zu finden. Die Kurzgeschichten von Mercè Rodoreda. Lernen Nutella zu machen. Aber auch die unerklärliche Angst, die Unfähigkeit der Regierung.

Was würdest du gerne bewahren? Die Tagträumerei, nach vielen Jahren wieder aktiviert. Im Bett zu liegen und an die Decke zu starren, oder von einem Sessel aus in den Himmel zu blicken, den Geist zu befreien und sich in Gedanken zu verlieren, die nirgendwo hinführen und auf gut Glück kommen und gehen, ohne den Druck etwas tun zu müssen.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Dieses Nichtdenken ist die Leichtigkeit des Lebens im Jetzt, vor allem wenn man Ballast ablegen kann. Und dann, mit dem Kopf leer, gleich einer Wolke die allmählich an Form gewinnt, baut sich ein Bild von New York mit seinen Straßen und Gebäuden auf.

Miranda, New York

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Diese Stadt, in der ich wohne, gehört zu den Lieben meines Lebens: das Heim für Träume, Phantasien, große Errungenschaften und große Verfehlungen, und vor allem für die Energie und Kakophonie ihrer Bewohner. Nun, wo wir alle eingesperrt sind, ist wenig von dieser Energie übrig. Aber ich habe New Yorks physische Schönheit entdeckt. Früh morgens, wenn niemand unterwegs ist, spaziere ich durch Teile der Stadt, die ich ansonsten aufgrund der vielen Menschen immer vermieden hatte: das Finanzdistrikt und sein lärmender Verkehrsknoten; das „Oculus“; die Skulpturen von Louise Nevelson und Louise Bourgeois, versteckt in schattigen Winkeln; die Holzpfeiler am East River, ein perfekter Sitzplatz, um den leeren Fähren zuzuschauen, die zwischen Manhattan und Brooklyn verkehren.

Was würdest du gerne bewahren? All diese Dinge werden, nach dem Lockdown, noch immer hier sein, aber sie bewundern zu dürfen wird erneut ein seltenes Glück – immerhin eine wundervolle, leuchtende Erinnerung an diese Katastrophe. Positiv sind auch die Videokonferenzen mit Freunden und Verwandten. Manche banal, andere bedeutend, aber alle eine Gelegenheit, um einander unsere Liebe und Verbundenheit zu bestärken. Familienbeziehungen, die bisher nur selbstverständlich galten, haben eine neue Festigkeit erlangt, die hoffentlich bewahrt bleibt.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Bei Geistesabwesenheit erfüllt mich die Dankbarkeit für das Leben, das ich bisher hatte und noch immer genieße, für meine wertvollen Freunde und Verwandte, für das Bewusstsein, wie fragil alles ist.

Erika, Núcleo Rural Capoeira do Balsamo, Brasília

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Dass ich mit viel weniger auskomme, dass den Himmel und die Pflanzen zu betrachten eine große Bereicherung ist.

Was würdest du gerne bewahren? Diesen erreichten Seelenzustand, auf mich aufpassen, meine Nächsten umsorgen, in Ruhe essen, das Leben in Allem gegenwärtig spüren und mich dem Leid jener widmen, denen es nicht gut geht.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? An Leere, an die Welt, die von so einem kleinen Virus verschluckt wurde.

Sian, Margate

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Es hat mich überrascht, wie trotzig ich bin und niemanden um Hilfe bitten mag. Am liebsten kümmere ich mich selbst um alles, was dazu geführt hat, dass ich mir schlimm den Arm gebrochen habe und lernen musste, Hilfe anzunehmen. Interessant finde ich auch, dass ich eingeschränkt bin und nur mit einem – dem schlechten – Arm arbeiten kann. Das bedeutet, dass ich meine Kunst vereinfachen musste. Ich habe nicht mehr diese unendlichen vielen Möglichkeiten. Ich kann nicht mehr so ehrgeizig sein, und ich kehre gerade zu früheren, ehrgeizigen Projekten zurück und suche in ihnen nach einfacheren Lösungen. Das ist sehr befriedigend.

Was würdest du gerne bewahren? Ich würde gerne die Einfachheit des Lebens bewahren. Ins Studio gehen, arbeiten, essen, mit dem Hund am Strand spazieren, nach langer Zeit wieder Romane lesen statt der üblichen theoretischen Texte (die Hilary Mantel-Trilogie), und diese wundervolle, bereichernde Zeitreise genießen, die mir die Lektüre ermöglicht. Weniger Autofahren! Normalerweise fahre ich 700 Meilen pro Woche, und jetzt nur noch 10!

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Ich überprüfe unbewusst meine seelische Gesundheit, und auch wie es meinem Körper geht. Nach meinem Unfall habe ich starke, unbekannte Schmerzen entdeckt, die bedeutend sind in Bezug auf den Heilungsprozess (bewege ich mich falsch, mache ich es noch schlimmer?). Auch habe ich beunruhigende Erinnerungsblitze, wie ich von der Leiter falle, aber zum Glück sind sie immer seltener!

Carolin, Vienna

Was hast du während des Lockdowns entdeckt? Mein fertig geschriebenes Buch nicht Verlagen zum Fraß oder nicht Fraß vorzuwerfen, sondern eine audio-visuelle Uraufführung im Internet zu gestalten und spontan 30 Schauspieler für ein "temporäres, virtuelles Ensemble" zu begeistern. Ich habe mein eigenes Buch ganz neu entdeckt und mir meine persönliche Bühne geschaffen, an der alle teilhaben können.

Was würdest du gerne bewahren? Bewahren werde ich aus der "Episode Covid 19" die Erkenntnis, dass Selbstheilung effektiver ist als Besuche oder Videotelefonate bei Medizinern, Medizinalräten oder anders Überforderten.

Woran denkst du, wenn du an nichts denkst? An Nichts denken ist eine besondere Kunst, die ich erst noch erlernen muss.

Amaranta, Torino

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? In einer kalten dunklen Wohnung kann ich mir nun Schwalbe Stamm Eiche vorstellen, die geduldig, im unerfüllbaren Mittagslicht, warten, dass der Frühling zum Sommer wird. Ich bin die Baumwipfel, die ihre hoffnungsvollen Blätter still über den Boden streuen. Inmitten Kämpfe Schreie Zahlen Tode bin ich Blumensträuße. Rinde, die nicht abfällt, trotz der Albträume, die sie schütteln. Erinnerung wie Knochenmark, die frei fließt und die freundlich die Stimmen der Unauffindbaren unterdrückt. Wurzeln, manche stark, manche noch weich, brauchen kaum etwas, um sich nicht zu verlieren.

Was würdest du gerne bewahren? Nicht-menschliche Stille, menschliche Empathie, Rot und Gelb, Liebe, Strände, Himmel, den ich mir nur vorstellen kann. Ein wenig Hoffnung, dass alles neu entdeckt und geheilt werden kann, dass eine Geste und ein Lächeln einen neuen Wert erlangen, und dass nichts mehr als selbstverständlich gilt. Das riesige, fließende Gefühl des Blauregens auf der Straße, unbekannt, alleine, ich allein.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? An die Umarmungen, die ich nicht geben konnte. An die Tränen, die ich sah und mir selbst nicht erlaubt habe.

Peter, Oxford

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Der virtuelle Kontakt mit Freunden und Familie ist mit dem echten nicht zu vergleichen, aber virtuelle Gespräche oder Workshops erreichen viel mehr Menschen. Ich arbeite Zuhause und spaziere in den Feldern am Ende meines Gartens im Lockdown genauso wie in normalen Zeiten. Ich vermisse mit der Familie auswärts essen zu gehen, vermisse Kinos und Geschäfte. Heftig.

Was würdest du gerne bewahren? Die Abwesenheit des Autobahnlärms, der uns anbrüllt, wenn der Wind dreht und wir gerade im Garten werkeln oder draußen essen, wenn’s mal nicht regnet oder fröstelt.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Dass wir uns mit dem Lockdown nichts vormachen müssen: die meisten von uns sind sowieso meistens eingesperrt, und wir ertragen das allgemein ziemlich gut, sehen es sogar recht entspannt. Ein Lächeln, Wörterfetzen auf einer Seite oder einem Bildschirm, die Sicht und die Laute von fliegenden Schwänen oder Reihern, oder das Schnattern einer Gans, die sich am Abend zurückzieht. Wie die Lerche gestern, die direkt vor meinen Füßen zwitscherte. Nie bin ich einer so nahe gewesen. Die frühen Sonntagsspaziergänge mit meinem Vater, als ich noch ein kleiner Junge war, vor siebzig Jahren. Wird unser Vermieter den jährlichen Vertrag verlängern?

Carolin, Munich-Pasing

Was hast du während des Lockdowns entdeckt? Ich habe meine Freude darüber entdeckt, nicht mehr vor der Entscheidung zu stehen, wen ich zur Begrüßung küsse.

Was würdest du gerne bewahren? Das würde ich gern bewahren.

Woran denkst du, wenn du an nichts denkst? Wenn ich an nichts denke, spüre ich Erleichterung.

Letícia, Salvador da Bahia

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Wir sind ständig Zuhause und erleben, was in der Welt da draußen existiert. Unser Zufluchtsort wurde von einem Umstand verschluckt, für den uns die Worte fehlen. Ich habe in vielen Bleiben gelebt, oder besser gesagt viele Bleiben waren in mir im Laufe der Jahre. Bleiben in England, Bleiben in Rio de Janeiro, Hochzeitsbleiben, vorübergehende Bleiben. Bleiben die es nur gibt, damit man merkt, dass man fortgehen muss, um zurückzukehren, usw. Ich vermisse die meinen, die selbstverständlich und also mein Zuhause sind. Daher kommt die Entdeckung von innen heraus: Zuhause ist meine eigene Konstruktion, ich bin dessen Architektin.

Was würdest du gerne bewahren? Die Gedichte, mögen die Gedichte bewahrt bleiben.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Ich habe zuletzt viel geschrieben, habe mich dazu gezwungen und eine Routine der Finger gefunden. Schreiben als Sprung ins Überleben, ohne Abgabepflicht. Das Abgabedatum liegt auf dem Tisch, wir essen mit ihm zu Mittag, wir schlafen mit ihm, wir entscheiden darüber.

Lise, Copenhagen-Frederiksberg

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Ich bin aufgeblüht, seitdem alles etwas langsamer ist, ich mehr Zeit zum Nachdenken habe und näher der Familie und den Freunden bin – und meine kleinen Alltagsroutinen ohne die übliche, ständige Eile absolviere. Jeden Tag habe ich mit meinem Vater gesprochen. Jede Woche versuche ich etwas mit meiner Mutter zu unternehmen. Jeden Tag bin ich in Kontakt mit Freunden, ob über soziale Medien oder per Handy. Ich habe wieder angefangen zu backen, Brot und Kuchen, ich werkele im Garten und miste das Haus aus. Lockdown hat mir ermöglich, mich ohne den Druck von Aussen auf Wichtiges zu konzentrieren.

Was würdest du gerne bewahren? Dieses mehr Zeit haben zum Nachdenken und für Dinge, die mir Freude bereiten. Generell nicht so gehetzt sein.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Dass ich ein gutes Leben habe und dankbar bin.

Catherine, Meudon

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Dass ich diese Zeit der Verlangsamung gebraucht habe. Dass ich gerne in meinem Haus lebe. Auch habe ich entdeckt, dass ich einen innigen Bund mit der Natur habe. Dass ich weder Whatsapp-Gruppen mag noch Menschen mit erhobenem Zeigefinger.

Was würdest du gerne bewahren? Mein großes Glück ist in einem Haus zu wohnen, dessen Garten in den Wald von Meudon mündet. Das möchte ich bewahren: die Natur zu beobachten, jeden einzelnen Baum beim Knospen zu betrachten, jedes Blatt, jede Blume, die erscheint. Zusehen dürfen wie die Entlein schlüpfen und die Wasserlilien auftauchen. Der morgendliche Spaziergang zum Etang aux Ecrevisses gleicht einer Meditation. Eine privilegierte Zeit, um deinen Nächsten zu sagen, dass du sie liebst. Ein Gefühl der Zwiespältigkeit: in der Welt von Morgen aktiv zu sein (mehr denn je Teil der Veränderung zu sein, die man erleben möchte!). Gleichzeitig die Sehnsucht versteckt zu leben, mich zu schützen.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Dass ich glücklich bin.

Tonia, Menorca

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Dass es mir ohne den beruflichen Stress viel besser geht, dass ich die Arbeit weniger brauche als ich dachte.

Was würdest du gerne bewahren? Die Ruhe und die Stille.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Dass mich meine Gedanken stören.

Irene, Amsterdam

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Lockdown war nicht sehr anders als mein üblicher Alltag. Ich arbeite Zuhause und bin gerne allein. Natürlich wäre es anders, würde ich alleine leben, aber zum Glück wohne ich mit meinem Freund zusammen. Ich vermisse Galerien und Museen, Kino und Theater. Ich habe entdeckt, wie wenig ich benötige: Mit einem Becher Kaffee in der Sonne zu sitzen macht mich bereits glücklich. Auch habe ich entdeckt, dass ich Videokonferenzen mag, denn plötzlich scheinen die Freunde in der Ferne näher, vielleicht, weil wir alle im selben Boot sitzen. Ich habe herausgefunden, dass die Menschen miteinander solidarisch sind, vor allem Menschen mit kleinen Geschäften, Menschen mit bescheidenen Gehältern, Künstler, Schriftsteller, Sänger, Schauspieler, die ihre Werke online anbieten. Ich habe herausgefunden, dass ich Umarmungen dringender brauche als ich dachte, dass ich soziale Kontakte mehr benötige, als ich glaubte.

Was würdest du gerne bewahren? Vor allem, kleine Gesten zu schätzen und meines Glücks bewusst zu sein. Das möchte ich unbedingt bewahren: schätzen was ich habe und nicht jammern über was ich nicht habe. Freunde, mir Zeit für sie nehmen und nicht immer nur für die Arbeit. Wir halten alles für selbstverständlich, vielleicht ist es das, was ich gelernt habe, dass nichts im Leben selbstverständlich ist, sondern alles sehr besonders.

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? Denke ich an nichts Konkretes überwältigt mich die Einsicht, dass alles anders sein könnte, dass es nichts als ein riesen Zufall ist, wo ich bin, und wer.

Max, Taunus

Was hast du während des Lockdowns für dich entdeckt? Wie stark mich das Weltgeschehen trifft und betrifft, und die Überraschung, wie sehr ich mich doch Teil eines Ganzen fühle.

Was würdest du gerne bewahren? Die Einsicht aller, dass Kultur lebensnotwendig ist. Sie hat uns im Stillstand so viel Bewegung und Trost geschenkt: Musik, Literatur, Film, die schönen Künste...

Woran denkst du, wenn du nicht denkst? An Alles – ein erfülltes Leben – und Nichts – einen angstfreien Tod.