Blogbeitrag roteco.ch

Der Originalbeitrag ist auf roteco.ch, einer praktischen Plattform für Lehrpersonen mit einer Vielzahl an Unterrichtsplanungen, Informationen und Weiterbildungen zum Thema Automatisierung, Digitalisierung, Robotik und Informatik, erschienen. Roteco.ch wird von der ETH, der EPFL und der SUPSI in Zusammenarbeit mit zahlreichen pädagogischen Hochschulen als Partner betrieben.

«iMake-IT» – erfinde, programmiere und baue dir deine Welt!

Erfahrungen mit Schulklassenworkshops zum Thema «Digital Making».


«Making» bedeutet, den Hut der Erfinderin und des Erfinders aufzusetzen: Eigene Ideen ausprobieren und interaktive Dinge bauen, die Spass machen. Dabei wird getüftelt und gebaut, programmiert und fabriziert. Nebst den traditionellen Werkzeugen des technischen und textilen Gestaltens wird mit Hilfe von digitalen Tools, wie 3D-Drucker, Lasercutter und Mikrocontroller, gearbeitet. So entstehen beispielsweise Minigolfanlagen mit beweglichen Hindernissen, individuelle Bilderrahmen sowie ferngesteuerte Fahrzeuge.

Im Rahmen des vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Projekts «iMake-IT» der Pädagogischen Hochschule Schwyz (PHSZ) und in Zusammenarbeit mit der öffentlichen Werkstatt «Turbine» in Brunnen können Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen der

5.–9. Klasse Making in einem «richtigen» Makerspace erleben. Die kostenlosen Workshops werden von einem motivierten und kompetenten Tutorenteam bestehend aus Studierenden der PHSZ durchgeführt. In der diesjährigen Challenge kreieren die Schülerinnen und Schüler in Gruppen ihre eigene interaktive Minigolfanlage (siehe Videos unten). Sensoren detektieren den Ball, Motoren machen Elemente beweglich, Lichterketten und Lautsprecher zeigen einen erfolgreichen Schuss an. Programmiert wird ein micro:bit, gebaut ausschliesslich mit Recyclingmaterialien wie PET-Flaschen, Aludosen und Karton. Konstruiert wird mit Heissleim und wiederverwendbaren Kartonschrauben. In drei Stunden entstehen die unterschiedlichsten Minigolfanlagen, die jeweils am Ende des Workshops mit grosser Begeisterung von den Schülerinnen und Schülern ausprobiert werden.

Projektbeispiele der «Minigolf-Challenge» umgesetzt von Schülerinnen und Schülern im Rahmen des dreistündigen «iMake-IT» Workshops

Making macht Schule!

Schülerinnen und Schüler können eigene High-Tech Produkte kreieren, ähnlich wie die digitalen Systeme, welche sie tagtäglich selbst bewusst oder unbewusst nutzen. Somit geht Making perfekt einher mit den Inhalten des Lehrplan 21-Moduls «Medien und Informatik», welches neben einem grundlegenden Verständnis auch das Mitgestalten der digital vernetzen Welt fordert. Für die Schule kann Making als didaktischer Ansatz betrachtet werden. Durch das projektbasierte Arbeiten sollen Lernende eine Haltung erwerben, die geprägt ist von Selbstvertrauen und der Motivation, eigene Ideen umzusetzen. Maker-Projekte befinden sich an den Schnittstellen zu Bereichen wie MINT, Gestalten, Musik und Medien. Die Grenzen zwischen Disziplinen werden durch den didaktischen Ansatz bewusst aufgelöst. Das projektorientierte Arbeiten ermöglicht ein Durchlaufen des gesamten Problemlöseprozesses, von der Idee über die Recherche, Umsetzung, das Testen und Revidieren sowie Präsentieren. Neben den fachlichen Kompetenzen werden auch wichtige weitere Skills, wie beispielsweise Kollaboration,

Kommunikation, Kreativität und Selbstinitiative gefördert.


Erfahrungen nach dem ersten Projektjahr

Das Ziel dieses Projekts ist es, Making als didaktischer Ansatz den Schülerinnen und Schülern, den Lehrpersonen und Eltern näherzubringen. Nach dem ersten Projektjahr mit insgesamt 25 durchgeführten Workshops und 450 Schülerinnen und Schülern möchten wir gerne erste Erfahrungen teilen. (Die während der Coronavirus-Schulschliessung geplanten Workshops mit weiteren 89 Schülerinnen und Schülern mussten leider abgesagt werden. Nach der Schulöffnung fanden die Workshops aufgrund des Verbots von Exkursionen nicht in der Turbine sondern bei den Schulen vor Ort statt).


Didaktisches Setting

Hardware & Software

Für die beweglichen und interaktiven Elemente der Minigolfanlagen werden Sensoren (Taster, Distanzsensoren, Helligkeitssensoren), Aktoren (Servomotoren, Lichterketten, LEDs, Lautsprecher) und Mikrocontroller verwendet. Für einen möglichst niederschwelligen Einstieg wird das Grove Inventor Kit für micro:bit eingesetzt, welches um weitere Standardkomponenten wie Taster, Schalter und LEDs ergänzt wurde. Die Schülerinnen und Schüler programmieren das Verhalten ihrer Minigolfanlage mittels der micro:bit Blockprogrammierung.

Der micro:bit und das Grove Inventor Kit werden als Hardware eingesetzt. Der Programmcode wird mittels Blockprogrammierung erstellt.

Rapid Prototyping

Für ein schnelles Ausprobieren und Umsetzen der Projektideen wird Recyclingmaterial verwendet. Dabei wird mit Sicherheitscuttern geschnitten, mit Heissleim und Klebeband geklebt und die Elemente mittels wiederverwendbaren Kartonschrauben montiert. Um die Hardwarekomponenten des Grove Systems auf den Karton anzubringen, wurden im Rahmen dieses Projekts Acrylglaselemente designt und mit einem Lasercutter gefertigt. Diese dienen als Montagehilfe für die Befestigung der Elemente mit den Kartonschrauben.

Für die Konstruktion der Minigolfanlagen wird Recyclingmaterial verwendet

Digitale Fabrikation

Aus Zeitgründen kann während der Workshops für Schulklassen nicht vertieft auf die digitale Fabrikation eingegangen werden. Der Lasercutter und 3D-Drucker der Werkstatt werden zwar demonstriert und vorgefertigte Komponenten werden für das Prototyping verwendet, jedoch designen die Schülerinnen und Schüler keine eigenen Elemente.

Neben den Schulklassenworkshops werden auch noch Workshops für Familien und Kinderworkshops während den Sommerferien angeboten. In diesen Workshops wird ebenfalls ein micro:bit programmiert, jedoch mit einem reduzierten Set von Komponenten. Der Hauptfokus liegt dabei auf dem 2D- und 3D-Design und der digitalen Fabrikation mittels Schneidplotter, Lasercutter und 3D-Drucker. Die individuell designten Bilderrahmen sind ein schönes Beispiel für die Verbindung von Programmierung (micro:bit und Lichterkette), digitaler Fabrikation (3D-Druck, Lasercutter und Schneidplotter für das individuelle Motiv) und der Verwendung von klassischen Werkzeugen der Holzverarbeitung (Bilderrahmen).

Individuelle Bilderrahmen erstellt im Rahmen der Familienworkshops

Challenge Cards

Aufgrund von fehlenden Vorlagen ist eigens auf diesen Workshop abgestimmtes Lernmaterial entwickelt worden. Dazu gehören ein Arbeitsblatt, welches die Gruppen bei der Planung unterstützt (siehe Beispiele weiter unten), sowie die «Challenge Cards». Mit diesen lernen die Teilnehmenden zu Beginn des Workshops selbständig das Programmieren mit dem micro:bit. Zudem werden sie während dem Problemlöseprozess als Nachschlagewerk genutzt. Die Challenge Cards thematisieren alle Programmierprinzipien (wie Sequenz, Schleife und Bedingung), Programmbausteine, Sensoren und Aktoren, die den Schülerinnen und Schülern für ihr Projekt zur Verfügung stehen. Die aktuelle Version besteht aus einem Set von zehn Karten, wobei die Vorderseite jeweils eine Aufgabe zum Nachbauen (Reproduktion) vorgibt und nützliche Hinweise liefert, während auf der Rückseite mehrere Challenges (Rekonstruktion) zu finden sind, die den Schülerinnen und Schülern ein vertieftes Verständnis, durch selbständiges Anwenden der neu gelernten Inhalte, ermöglichen.

Vorder-und Rückseite einer Challenge Card: Die Schülerinnen und Schüler sehen den Code zum Nachprogrammieren und die benötigten Hardware-Komponenten. Die Hinweise helfen den Teilnehmenden, selbständig zu arbeiten.

Ablauf der Schulklassenworkshops

Der Weg zur eigenen Minigolfanlage beginnt mit der Begrüssung und einer Führung durch die offene Werkstatt. Beim Anblick einer Beispielbahn sind viele erstaunt, dass sie an einem einzigen Nachmittag ein ebenso tolles Projekt realisieren sollen. Die leichte Skepsis weicht schnell einer umso grösseren Motivation. Bei der Gruppeneinteilung durch einen zum Zufallsgenerator programmierten micro:bit kommen die Schülerinnen und Schüler zum ersten Mal direkt mit dem Mikrocontroller in Kontakt.

Um einen Lebensweltbezug zu schaffen, wird der Frage nachgegangen, wo überall im Alltag Computer anzutreffen sind. Schnell ist klar, dass dies nicht nur auf dem Schreibtisch, sondern auch in der Waschmaschine, im Auto, am Handgelenk und im Backofen der Fall ist.

Zur vertieften Beschäftigung mit dem Programmieren teilen sich die Gruppen auf, sodass immer zwei Kinder an einem Computer arbeiten. Viele kennen grafische Programmierumgebungen bereits aus schulischen oder privaten Projekten, aber auch die anderen finden sich schnell mit der Blockprogrammierung zurecht. Sie bearbeiten nun schrittweise verschiedene Aufgabenstellungen in den Challenge Cards und lernen die unterschiedlichen Programmbausteine und das Einbinden der Elektronikbauteile kennen. Bei jeder bewältigten Herausforderung, beim ersten funktionierenden Programm, bei der ersten leuchtenden LED und beim ersten Erklingen des Lautsprechers, sind strahlende Augen zu sehen und die Freude steht den Schülerinnen und Schülern ins Gesicht geschrieben.

Nach einem Input zu den Bastelmaterialien und Werkzeugen beginnen die Gruppen mit dem eigentlichen Problemlöseprozess: Im ersten Schritt «Think» sammeln sie Ideen, einigen sich auf ein Projekt und planen gemeinsam ihre Minigolfanlage. Als Unterstützung steht den Gruppen dafür ein Arbeitsblatt zur Verfügung. Auf den folgenden Bildern sieht man, wie eine solche Planung aussehen kann:

Skizzen und Beschreibungen der geplanten Minigolfanlage

In der anschliessenden «Make»-Phase beginnen die Gruppen mit Karton, Bastelmaterialien, Elektronikbauteilen und micro:bits ihre Minigolfanlage aufzubauen und die interaktiven Elemente zu programmieren. Die Schülerinnen und Schüler werden hierbei mit zahlreichen mechanischen und informatischen Herausforderungen konfrontiert, welche sie durch das Ausprobieren von verschiedenen Lösungen, durch Tipps von Gruppenmitgliedern oder Hinweise der Tutorinnen und Tutoren lösen können. Sie lernen, dass für das erfolgreiche Gelingen eine gute Absprache und der konstante Austausch innerhalb der Gruppe notwendig ist.

Eine Stunde später werden die Arbeiten unterbrochen, um zu Beginn der «Improve»-Phase die fertigen Elemente zu testen und zu prüfen, was noch fertiggestellt oder verbessert werden muss. Sobald alles wie gewünscht funktioniert, können die Gruppen ihre Anlagen verzieren oder mit weiteren Funktionen erweitern.

In der anschliessenden Demonstration können die Schülerinnen und Schüler ihre Minigolfanlage vorstellen und die Arbeiten der anderen Gruppen betrachten und ausprobieren. Zudem lernen sie den 3D-Drucker besser kennen, der während des Workshops im Hintergrund neue Verbindungselemente gedruckt hat. Auch können sie dem Lasercutter zuschauen, der für die stolzen Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein kleines Andenken aus Holz ausschneidet und deren Namen graviert.

Nach dem Aufräumen und Sortieren der Materialien folgt eine kurze Auswertung, in der sich die Gruppenmitglieder über ihr Produkt und ihren Arbeitsprozess austauschen. Vor der Verabschiedung können die Schülerinnen und Schüler eine Rückmeldung zum Workshop geben. In den Gesichtern und Antworten spiegelt sich der Stolz auf das Erreichte und es ist den Erfinderinnen und Erfindern anzusehen, dass sie in den letzten drei Stunden sehr intensiv gearbeitet und viel Neues gelernt haben.


Herausforderungen

Die Workshops finden innerhalb von nur drei Stunden mit der vollen Klassengrösse statt. Das ergebnisoffene Unterrichtssetting, das limitierte Zeitgefäss sowie das heterogene Vorwissen der Schülerinnen und Schüler stellt eine grosse Herausforderung für die Tutorinnen und Tutoren dar. Um eine optimale Betreuung zu gewährleisten, ist der Betreuungsschlüssel 1 Tutor auf 5 Teilnehmende. Wenn allerdings ähnliche Projekte aufbauend und über einen längeren Zeitraum mit der gleichen Schülergruppe durchgeführt werden, ist es gut möglich, die Klasse zu zweit z.B. durch Unterstützung einer Klassenassistenz oder IF-Lehrperson zu betreuen. Hierbei sind Zwischenaufträge hilfreich, mit denen die SuS allfällige Wartezeiten sinnvoll überbrücken können. Eine weitere Erleichterung ist die Form des Halbklassenunterrichts (z.B. im technischen- und textilen Gestalten oder Aufträge aus anderen Fachbereichen, an denen eine Halbklasse selbständig arbeiten kann.).

Da bei einem Problem der Fehler an verschiedenen Orten (micro:bit Programmcode, Elektronikschaltung, Kabelverbindungen, Elektronikbauteile, leere Akkus, USB-Verbindung zum PC etc.) liegen kann, ist es sehr sinnvoll, bei der Fehlersuche systematisch vorzugehen. Hierbei kann eine Checkliste helfen, mit der die Schülerinnen und Schüler die Fehlerquelle selbst oder mit Hilfe der Betreuungspersonen finden und das Problem lösen können. Mutmasslich defekte Komponenten werden markiert, nach dem Workshop erneut getestet und bei Bedarf entsorgt.

Nebst kleineren Verbesserungen im Ablauf des Workshops sowie einiger Verbindungselemente der Hardware war die Erstellung geeigneter Unterrichtsmaterialien, insbesondere der «Challenge Cards» sehr hilfreich. Dennoch bleibt eine gute Betreuung durch die Tutorinnen und Tutoren die wichtigste Voraussetzung für einen erfolgreichen Workshop.

Eine gute Betreuung der Tutorinnen und Tutoren bei der Umsetzung der Projektideen ist essentiell.

Fazit

In jedem makerorientierten Unterrichtssetting ist eine Betreuung, die neben technischem Knowhow die Begeisterung für das Thema vermittelt, zentral. Das Angebot erfreut sich grosser Beliebtheit, die Schülerinnen und Schüler arbeiten hochmotiviert und oft ohne Pause an ihren Projektideen. Alle «iMake-IT» Workshops waren innert weniger Wochen ausgebucht und die Rückmeldungen von Seiten der Schülerinnen und Schülern sowie der Lehrpersonen sind sehr positiv. Niederschwellige technische Tools, die gleichzeitig eine hohe Ergebnisoffenheit ermöglichen, sind wichtig. Es ist jedoch oftmals gar nicht nötig, einen vollausgerüsteten Makerspace mit den neuesten High-Tech-Fabrikationstools zu besitzen. Die Technologien sind zwar wichtige Werkzeuge, aber zentral ist das Umsetzen eigener Projektideen. Auch eine Lehrperson, die sich erst in das Thema einarbeitet, kann bereits ergebnisoffene Maker-Projekte mit ihren Schülerinnen und Schülern umsetzen. Ausprobieren lohnt sich!

Auf der Projektwebseite finden Sie alle Informationen, um sich für einen «iMake-IT» Workshop anzumelden, sowie Unterlagen, um die Aktivitäten mit Ihrer Schulklasse selber durchzuführen.


Autoren: Dorit Assaf, Andreas Moser, Seraina Betschart