05.03.22


Über das Selbstbestimmungsrecht der Völker

Gedenkfeier der Heimatvertriebenen im Kreis Groß-Gerau

Unter dem Leitwort "Für ein Europa freier Völker und Volksgruppen" begingen der Bund der Vertriebenen (BdV) und die Sudetendeutsche Landsmannschaft (SL) den Tag der Selbstbestimmung. Anlass für die Gedenkfeier in Maria Einsiedel sind die Demonstrationen der Sudetendeutschen für ihr Selbstbestimmungsrecht nach dem Ersten Weltkrieg: Am 4. März 1919 erschoss das tschechische Militär wahllos 54 Kinder, Frauen und Männer.

Helmut Brandl vom BdV-Kreisverband Groß-Gerau erläuterte den Hintergrund: Nach dem Zerfall der Donaumonarchie und der Errichtung der Tschechoslowakei am Ende des Ersten Weltkrieges wollten die Sudetendeutschen in Deutsch-Österreich leben. Das brachten sie in Demonstrationen für ihr Recht auf Selbstbestimmung zum Ausdruck. Sie beriefen sich dabei auf dieses von US-Präsident Wilson als Grundprinzip einer Friedensordnung proklamierte Recht. Man begehe diesen Tag „stellvertretend für alle Menschen weltweit, denen das Selbstbestimmungsrecht auch heute noch versagt bleibt“, sagte Brandl weiter. Die Gedenkfeier werde von Geschehnissen in Osteuropa überlagert: „Seit dem 24. Februar müssen wir erleben, dass diese Geißel der Menschheit, der Krieg, zurückkehren konnte.“

Lediglich eine ältere Frau und ein Politologe aus dem Bekanntenkreis hätten auf Befragen etwas sagen können zum in der UN-Charta anerkannten Selbstbestimmungsrecht der Völker, bedauerte Birgit Weinmann. Die Vorsitzende des Vereins Memor fragte, ob „wir unsere bestehenden Verhältnisse, unsere Selbstbestimmung als so selbstverständlich empfinden, dass wir sie nicht einmal mehr wahrnehmen?“.

Das „als so selbstverständlich von uns akzeptierte Selbstbestimmungsrecht wurde seit seiner Anerkennung an vielen Orten der Welt aufs Schlimmste missachtet“. Es gehe immer Hand in Hand mit zwei Voraussetzungen: Der Akzeptanz der Nachbarn, die Grenzen und die Souveränität des anderen zu akzeptieren und zu respekteiern sowie der Selbstverantwortung. Die russischen Machthaber träten nicht nur das Recht ihres Nachbarlandes mit Füßen, „sie legen das Land in Schutt und Asche, bedrohen uns alle durch den Beschuss eines Atomkraftwerkes und, ganz schlimm: sie fordern ihr Volk über die Armee zum Morden auf“. Schließlich forderte Weinmann: „Lassen Sie uns daher zusammenstehen, uns gegenseitig auffangen und vor allem Eintreten für Frieden, für ein respektvolles Miteinander, das ein Recht auf Selbstbestimmung vorbehaltlos gewährt.“

Adamu Mamo Kebede weiß sehr genau, was Krieg und der Verlust der Selbstbestimmung bedeuten. Der Kriegsflüchtling aus Äthiopien fand vor den Teilnehmern der Gedenkstunde eindrucksvolle Worte: „Ich will Frieden, weil ich den Krieg kennengelernt habe.“ Er liebe die Menschen, weshalb er Frieden brauche. Durch Gewalt würden niemals Probleme gelöst. „Ich weine um uns und die vielen Menschen in der Ukraine. Krieg ist ein Zeichen der Schwäche.“

Dem Gedenken vorausgegangen war eine Eucharistiefeier mit Kaplan Maximilian Eichler in der Pilgerhalle. Man wisse, welche hohen Güter Leben, Freiheit und Frieden seien. Er forderte dazu auf, besonders für die vor dem Krieg flüchtenden Menschen zu beten. Unter den Gästen befanden sich Trachtenabordnungen der Egerländer Gemeinden aus Kelsterbach und Bischofsheim. Die musikalische Gestaltung lag bei der BdV-Musik- und Singgruppe. Von ihr hörten die Gäste das Riesengebirgs- und das Ostpreußenlied. Das Gedenken ging mit der ukrainischen Hymne zu Ende: „Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit nicht gestorben. Verschwinden werden unsere Feinde wie Tau in der Sonne, und auch wir, Brüder, werden Herren im eigenen Land sein. Leib und Seele geben wir für unsere Freiheit.“