Little Literary Lumps

Here are some Little Literary Lumps in German that I (Jan Nagler) wrote. Some are pretty ancient, from high school. Enjoy.

Die Meute

geschrieben irgendwann zwischen 2008-2011

das herz ist verfüttert

- an die meute.

nun spritzt das blut, die meute schmatzt,

das fleisch noch pumpt sich leer,

die meute fällt darüber her,

mit jedem biß es spritzt,

erst heftig dann bald gar nicht mehr.


die mäuler rotübersäht,

es läuft und tropft aus den verklebten mäulern heraus,

ein kleiner käfer ertrinkt im blut,

auf dem blutlauwarmen grund,

strampelt sich die beine wund, kämpft und tut.


das rohe fleisch ist dennoch zäh, schwer zu nehmen,

die meute muss ihre beute mit den zähnen zerreissen.

und wieder und wieder feste darauf beissen.


bis doch das blut versiecht, und die meute sich endlich verkriecht,

die reste vom feste dann den geiern gibt, wird's noch dauern,

die schon unruhig in den ästen, taub vor gier, blickerstarrt,

mit ihren leeren fratzen, auf die letzten fetzen lauern.

Tot

gewidmet meiner schwester tina,

anlass tod unsere mutter,

geschrieben September 2007

wann habe ich zum letzten mal geweint,

in erinnerung des todes meiner mutter,

die freude am leben entwichen - scheint,

trotz der versuche, und kraft,

die erinnerung ein wenig verblichen,

jeden tag mehr und mehr,

wünsch ich mir das vergangene zurück,

so schwer,

nach vorne zu schauen, welchem weg nur folgen,

wenn die erinnerung, das schwarze grauen,

schneller als mein puls,

das nichts zu einem monster macht.


ich kann nicht begreifen,

bin gestorben,

wie meine mutter,

welche verborgen im nichts hörte auf zu sein,

warum wurde mir das leben verdorben,

warum, ach, denk ich dabei nur an mich allein?

wie klein das klingt -

meine schwester verlor wie ich die mutter!

auch ihr niemand jemals zurück sie bringt,

irgendwann vielleicht verstummt die stille,

und weicht der wille,

dann sind wir wieder wie einst vereint.

was für ein dumpfes leben im reich der trauer,

ein immer und immer wiederkommendes spiel,

beklagen, wo kann ich's versuchen,

nirgends und niemals und auf keine weise man meint.


bin selbst vielleicht zu unrecht sauer,

dass uns genommen wurde so viel.

wieder und wieder finde ich keinen sinn --

doch, vielleicht ist's das neue leben,

wer weiss - gehe ich selbst und gebe die trauer,

weiter, als schweres gut,

fasse mut, verstehe mehr

und das klagen und klagen und klagen so sehr

nicht länger von dauer und dauer und dauer -

vielmehr -

bringt das leben als wunder ein neues hervor,

keine fragen und fragen und fragen,

verschwinden so schnell wie niemals zuvor.


Die Träne in meinem Herz

geschrieben irgendwann vor 2000

Die Träne in meinem Herz

klebt wie ein Regentropfen

an einer Scheibe fest,

kein Regen, der sie herunterrinnen läßt.


Sie ist zu schwer, um zu vergehen

und zu leicht, um die Trockenheit zu überstehen.

Mein Herz - so stark es auch schlägt,

ich kann es kaum ertragen,

die Träne klebt,

läßt mich nichts mehr sagen.


Die Träne in meinem Herz

ist ein großes Meer,

voller Schmerz

und doch völlig leer.


Mein Herz kann nichts bewegen,

die Träne bleibt für alle Zeit

muß mit ihr leben.

Verliert den Kampf in der Not,

der Schlag zu schwach,

die Hoffnung tot -

es scheint

die Träne, sie weint.


Musikreport aus Baden-Baden

geschrieben November 1997

[Reporter steht vor einem Haus aus der Jahrhundertwende und berichtet.]

Reporter:

Ich stehe hier vor dem Haus von Edward Bernsteinchen, dem amerikanischen Komponisten, der vor allem durch die beiden Monumentalkompositionen "Tonaler Zusammenbruch 2015" und "Komposition ohne Sinn und Verstand" Ende der achtziger Jahre ins Zentrum der musikalischen Diskussion gerückt ist. Heute will der, wie er sich selbst tituliert, "Meister des gewollten Fehlklangs" ein außergewöhnliches musikalisches Experiment initiieren, die Uraufführung seines neusten Werkes "Dissonanz mit fatalem Ende". Dazu hat sich auf einem großen Granitfelsen, der eigens für diese Uraufführung angefertigt worden ist, die "New York Philharmonic" eingefunden, jedoch ohne deren Instrumente - sieht man von deren eigenen Stimmen ab, welche hier zum Einsatz kommen sollen. Sechs Meter neben dem Felsen ist eine Ziege angebunden, welche wohl schon ihr Schicksal zu ahnen scheint; dazu aber gleich mehr. Das vollständige Orchester wird im richtigen Augenblick die Spezialbearbeitung Bernsteinchens des Kinderliedes "Frère Jaques" vortragen. "Im richtigen Augenblick" heißt hier, nachdem das Hauptereignis von "Dissonanz mit fatalem Ende" eingetreten ist: Ein großer Steinway-Konzert-Flügel vom Typ 405 soll aus der Wohnung des Meisters im dritten Stock gestoßen werden und neben dem Felsen, direkt auf die Ziege, mit "einer noch nie dagewesenen Dissonanz", wie es Bernsteinchen formulierte, einschlagen, wobei das Orchester mit eben genau diesem Auftreffen einsetzen soll. Der besondere Reiz dieses Stückes liegt nach eigener Angabe des Komponisten in der dreiwertigen Überlagerung der Grundmotive des Stückes: der Todesschrei der Ziege, das Geräusch des Aufpralls des Flügels mit dem zu erwartenden gewissermaßen zufälligen zwölfton-dissonanten Nachklang und den New Yorker Philharmoniker, welche die Ausführung der Bearbeitung des Kinderliedes nach einem siebenundzwandzigfachen Kontrapunkt abschließen.

Der geniale Gedanke in diesem Werke ist die besondere Behandlung der Zahl Drei, welche in der Musikgeschichte in noch nie dagewesener Klarheit musikalisch präsentiert wird, was vor allem durch den siebenundzwanzigfachen Kontrapunkt zum tragen kommt, denn gerade drei mal drei mal drei oder auch drei hoch drei ergibt siebenundzwandzig, womit der musikalisch-algorithmische Bezug zu den Frühwerken Johann Sebastian Bachs geschaffen sein sollte, welcher seinerzeit die Drei in Form der Triole präsentierte. Vergißt man nicht die Dreigeteiltheit des Gesamtwerkes Bernsteinchens, zwingt sich als Beurteilung des neusten Werkes von Edward Bernsteinchen wie mehrmals zuvor nur das Prädikat "Geniestreich" auf.

Mit diesen Worten gebe ich ab an meine Kollegin, die von dem hier ausgefahrenen Lastkrahn aus, den Flug des Flügels durch die Luft verfolgen wird, welcher gleich heruntergestoßen werden soll.