Bücherverbrennung  Bonn – Bookburning Bonn

Bücherverbrennung  Bonn – Bookburning Bonn.

Rückblick auf 10 Jahre Einweihung des „Lese-Males“ auf dem Bonner Marktplatz zur Erinnerung an den 10. Mai 1933.

Rheinhotel Dreesen - Bonn-Bad Godesberg

Rheinhotel Dreesen: Das Weiße Haus am Rhein

(Video verfügbar bis 3. Oktober 2023 in der ARD Mediathek)

Webcam:    Der Morgen des 10. Mai 2013 auf dem Bonner Marktplatz

Enthüllung des Denkmales Bücherverbrennung am 10. Mai 2013

Die Künstler:   Andreas Knitz und Horst Hoheisel

Der Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch

Der Rektor der Bonner Universität Prof. Jürgen Fohrmann; der Initiator des Denkmales Wolfgang H. Deuling; Frau Dorothee Pass-Weingartz (Grüne); Barbara Deuling -  v.r.n.l.

Ohne Frau Dorothea Pass-Weingartz, die in einer Koalition mit der CDU im Bonner Stadtrat war, hätte es das länderübergreifend bewunderte Denk- und Lese-Mal auf dem Bonner Marktplatz nie gegeben. Siehe zur Biografie von Frau Dorothea Pass-Weingartz auch:

dorothea-pass-weingartz-macht-schluss

Der einstimmige Beschluss des Kulturausschuss vom 17.06.2010 geht auf den gleichlautenden Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und CDU vom 27.05.2010 – Drucksachen-Nr. 1011771 – zurück in dem es u.a. heißt: „Die Stadt unterstützt Herrn Wolfgang H. Deuling bei der Verwirklichung eines Erinnerungsmales zum Gedenken an die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 auf dem Bonner Marktplatz.“  

Es ist erstaunlich wer alles gegen das Denkmal war. Siehe auch Spender!

Die Bauphase: BürgerInnen platzieren „Lese-Zeichen“

Eine Augenzeugin des 10. Mai 1933 im Gespräch

Kulturamtsleiter Hans-Jakob Heuser und Kulturdezernent Martin Schumacher in Aktion

Kulturdezernent Martin Schumacher übergibt Antiquar Jürgen Repschläger „Das Kapital“ von Karl Marx



Andreas Knitz nachdenklich

Französische Schulklasse beim „Probelesen“

Test bestanden: 24 Tonnen hat die Büchertruhe ausgehalten


Werkvertrag

zwischen der

Bundesstadt Bonn,

vertreten durch den Oberbürgermeister

- Kulturamt -

Kurfürstenallee 2 -3

53177 Bonn

- nachfolgend „Auftraggeberin“ genannt - 

und

Herrn Dr. Horst Hoheisel

Bodelschwinghstr. 15, 34119 Kassel,

sowie

Herrn Dipl.-Ing. Architekt Andreas Knitz

Siebenbürgener Str. 2, 88267 Berg / Ravensburg


- nachfolgend „Auftragnehmer“ genannt -


In Erinnerung an die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 auf dem Bonner Markt vor dem Alten Rathaus Bonn erstellen die Auftragnehmer auf der Grundlage der Ausschreibung der Auftraggeberin (Anlage I) ein Mahnmal.


Dieses Kunstwerk besteht aus mindestens fünfzig in die Pflasterung eingebauten „Lesezeichen“ in Form von Bronze-Buchabgüssen und einer wetterfesten, mit mindestens 12,5 Tonnen überfahrbaren, ebenfalls in das Pflaster eingelassenen „Bücherkiste“ in der Bauart eines „Unterflurverteilers“.


Die „Lesezeichen“ und die „Bücherkiste“ werden nach den von den Auftragnehmern mit Schreiben vom 26.09.2011 (Anlage II) vorgelegten Entwürfen erstellt und gefertigt. „Lesezeichen“ und insbesondere die Abdeckung der „Bücherkiste“ müssen so beschaffen sein, dass die Verkehrssicherheit des Marktplatzes für dessen Benutzerinnen und Benutzer gewahrt bleibt und der Marktplatz weiterhin für jegliche Nutzung zur Verfügung stehen kann. 


Die Auftragnehmer stimmen insbesondere den genauen Standort der „Bücherkiste“ sowie die Material der Materialien zur Einbringung in den Boden mit der Auftraggeberin ab. Die getroffenen Absprachen sind verbindlich; sie sind schriftlich festzuhalten und werden Bestandteil dieses Vertrages. Ebenso sind der Zeitpunkt und die Zeitdauer des Einbaus mit der Auftraggeberin abzustimmen.


Alle Arbeiten werden von den Auftragnehmern geplant, vergeben, ausgeführt und überwacht. Sofern die Auftragnehmer Arbeiten an Dritte vergeben, ist dies vorab mit der Auftragnehmerin abzustimmen.


Die Inschriften der „Lesezeichen“ und der „Bücherkiste“, die auch eine Urheberbezeichnung tragen kann, werden von den Auftragnehmern vorgeschlagen. Die Auftraggeberin kann ihre Zustimmung nur dann versagen, wenn eine noch von der Auftraggeberin zu veranlassende wissenschaftliche Überprüfung zu dem Ergebnis kommt, dass Werke des Autors oder der genannte Titel 1933 nicht verbrannt wurden. Ob Werke eines Autors 1933 auch tatsächlich in Bonn verbrannt wurden, ist dabei unerheblich.


Die „Bücherkiste“ wird mit Ausgaben derjenigen Bücher befüllt, die bei der Bücherverbrennung 1933 verbrannt wurden. Sie soll am 10. Mai in jedem Jahr geöffnet und in einer Gedenkveranstaltung Texte aus den Büchern gelesen und die Bücher anschließend an Bürgerinnen und Bürger verschenkt werden. Dann wird die „Bücherkiste“ neu befüllt. Die erstmalige Befüllung der „Bücherkiste“ übernehmen die Auftragnehmer. Die weitere Planung, Durchführung und Finanzierung des vorstehend beschriebenen Gedenkrituals übernimmt die Auftraggeberin, die diese Aufgabe an Dritte übertragen kann.


Die Auftragnehmer sichern verbindlich zu, das Werk zu einem Preis von bis zu 60.787,00 EUR herzustellen und einzubauen – gem. beigefügter Kostenaufstellung nach dem Stand 06.11.2012 – Anlage III). Darüber hinaus gehende Kosten sind von den Auftragnehmern zu tragen. Die Auftraggeberin hat Mehrkosten nur zu tragen, wenn sie diese zu vertreten hat. 


Die Zahlung der Gesamtkosten wird wie folgt vereinbart:

ein Drittel nach der „I. Planungs- und Entwurfsphase“ im Dez. 2012,

ein Drittel nach „II. Ausführungsphase: 50 Bücher als Lesezeichen“ im Febr. 2013,

ein Drittel nach „III. Ausführungsphase: Bücherkiste und Einbau“ nach Abnahme des fertigen Erinnerungsmals im Mai 2013.


Die Auftragnehmer erkennen an, dass alle Leistungen der Bundesstadt Bonn unter dem Vorbehalt der Bereitstellung der erforderlichen Haushaltsmittel stehen.


Die Auftragnehmer verpflichten sich, das Werk bis spätestens zum 07. Mai 2013 zu erstellen und zu übergeben.


Die Auftragnehmer sind gemäß § 7 UrhG Urheber des Kunstwerks.


Änderungen an dem erstellten Kunstwerk sind nur mit Genehmigung der Auftragnehmer zulässig.


Der Auftraggeberin ist es untersagt, das Kunstwerk zu kopieren oder nachzubilden.



Der Auftraggeberin ist es jedoch gestattet, das Kunstwerk an einen anderen Ort zu versetzen, sofern dies aus Gründen der Verkehrssicherheit des Marktplatzes, wegen einer Umgestaltung des Marktplatzes oder sonstiger zwingender Gründe erforderlich werden sollte. Die Auftraggeberin wird in diesem Fall die Auftragnehmer frühzeitig hiervon in Kenntnis setzen und ihre Wünsche für einen neuen Standort soweit wie möglich berücksichtigen. Die Auftragnehmer können in diesem Fall auch die vollständige ersatzlose Entfernung des Kunstwerkes verlangen.


Die Auftraggeberin ist berechtigt, Bild-, Film- oder Tonaufnahmen von dem Werk herzustellen bzw. herstellen zu lassen und diese zu veröffentlichen bzw. Dritten zur Verfügung zu stellen. 


Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Nutzung des Marktplatzes weiterhin uneingeschränkt möglich sein muss und insbesondere Situationen eintreten können (bspw. durch Märkte oder sonstige Veranstaltungen), in denen die „Bücherkiste“ oder die „Lesezeichen“ ganz oder teilweise überdeckt sind und das Kunstwerk daher nicht jederzeit vollständig sichtbar ist. Die Auftragnehmer haben somit keinen Anspruch darauf, dass das Kunstwerk jederzeit (vollständig) sichtbar ist.


Änderungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.


Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages unwirksam sein, wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen davon nicht berührt. Die Parteien verpflichten sich, anstelle einer unwirksamen Bestimmung eine dieser Bestimmung möglichst nahekommende wirksame Regelung zu treffen.


Bonn, den 10.12.2012 Kassel, den 10.12.2012


Auftraggeberin Auftragnehmer

Bundesstadt Bonn

Der Oberbürgermeister

Im Auftrag:


_____________________           __________________                     ___________________

Hans Jakob Heuser Dr. Horst Hoheisel Dipl.-Ing. Andreas Knitz

Die Kundgebung am 10. Mai 1933 wider den undeutschen Geist in Bonn.

„Den vorausgehenden Professoren und Studenten, die auf der Freitreppe des Rathauses Aufstellung nahmen, folgten bei Marschmusik die meist uniformierten Mitglieder des Nationalsozialistischen Studentenbundes, der Studenten-SA und des „Stahlhelms“, die Korporationen mit ihren Fahnen, die Freistudenten und schließlich auch die Studentinnen, die dann im Halbkreis den vor dem Rathaus zuvor aufgerichteten Scheiterhaufen einschlossen.“

Ernst Glaeser, der das Verbrennen seiner eigenen Bücher miterlebte, schildert das sich ihm darbietende Geschehen:

„Auf dem Bonner Marktplatz war der Scheiterhaufen aus Büchern aufgerichtet, und im Schein von Fackeln umstanden Studenten, Professoren, uniformierte Hitlerjungen und SA-Leute diese Kultstätte nationalsozialistischen Geistes. Zivilisten huschten hinter der Menge verlegen vorbei. Die Gesichter der Studenten kamen mir alle sehr bekannt vor. Schwarmgeister mit dem starren, neurotischen Blick mitten im unfertigen Knabengesicht, dazwischen Rabauken mit Stiernacken, engbrüstige Magister mit dem süffisanten Lächeln heimlicher Sadisten, dann wieder andere, den Blick verlegen auf den Boden gesenkt, wenn die Bücher ins Feuer flogen.“


https://bonnerblicke.wordpress.com/helmuth-heyer-10-mai-1933-ehrentag-der-freien-deutschen-literatur/

Der Anlass und die Täter

Dieser Text wurde im Inneren der Büchertruhe als Plakette angebracht. Das Denkmal hat ca. 70.000 Euro gekostet. 50.000 Euro hat die Landeszentrale für politische Bildung NRW beigesteuert. Die restlichen 20.000 Euro stammen von den vorgenannten Spendern. Bemerkenswert ist, dass die Studierendenschaft der Universität Bonn 2.000 Euro aufbrachte, wohingegen die Professorenschaft - trotz Spendenaufrufs des Rektors Prof. Fohrmann -  der Bonner Exzellenz-Universität als Spender weitgehend ausfiel, was der Asta mit Empörung registrierte.

 „Zahlen und Fakten rund um die Universität Bonn“

„ In den vergangenen Jahrzehnten haben wir mehr Nobelpreisträger hervorgebracht als jede andere deutsche Hochschule. Auch sind die einzigen beiden deutschen Träger der Fields-Medaille an der Universität Bonn tätig. In rund 200 Studienfächern studieren bei uns 33.000 Studierende.“

636 Professuren1

4.948 wissenschaftliche Beschäftigte1

1.917 Beschäftigte in Technik und Verwaltung2

773,5 Mio. Euro Haushaltsvolumen“

https://www.uni-bonn.de/de/universitaet/ueber-die-uni/zahlen-und-fakten

Florian Eßer : „Zahlen und Schweigen. Die Studierenden spenden, der Rektor redet“, akut, Zeitschrift des Studierendenparlaments der Universität Bonn, Sommersemester 2013, Nr. 331

https://www.akut-bonn.de/Download/web/akut331_web.pdf

https://www.akut-bonn.de/akut-331-zahlen-und-schweigen/


Bonner General-Anzeiger vom 11. Mai 1933

Bonner Zeitung 11. Mai 1933

Godesberger Volkszeitung 11. Mai 1933

Die Verbrannten

Lesezeichen_R4.indd (hoheisel-knitz.net)


Die 60 Lesezeichen - Book Marks - auf dem Bonner Marktplatz.

Karl Marx: Das Kapital (1867)

André Gide: Kongo und Tschad (1932) (Le Retour du Tchad, 1928)

Emil Julius Gumbel: Vier Jahre politischer Mord (1922)

Heinrich Mann: Der Untertan (1918)

Theodor Wolff: Vollendete Tatsachen (1918)

Erich Maria Remarque: Im Westen nichts Neues (1929)

Egon Erwin Kisch: Paradies Amerika (1930)

Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz (1929)

Gina Kaus: Morgen um Neun (1932)

August Bebel: Die Frau und der Sozialismus (1878)

Friedrich Wilhelm Foerster: Lebensführung (1922)

Emil Ludwig: Genie und Charakter (1924)

Max Brod: Rëubeni, Fürst der Juden (1925)

Lion Feuchtwanger: Erfolg (1931)

Jaroslav Hašek: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk (1926)

Ernest Hemingway: In einem andern Land (1930)

Bertha von Suttner: Die Waffen nieder! (1889)

Moses Hess: Rom und Jerusalem (1862)

Rosa Luxemburg: Die Akkumulation des Kapitals (1913)

Jack London: Die eiserne Ferse (1922) (The Iron Heel, 1908)

Carl von Ossietzky: Rechenschaft (1932)

Franz Jung: Die Eroberung der Maschine (1923)

Hermynia zur Mühlen: Ende und Anfang (1929)

Irmgard Keun: Das Kunstseidene Mädchen (1932)

Salomo Friedlaender: Kant für Kinder (1924)

Theodor Heuss: Hitlers Weg (1932)

Franz Kafka: In der Strafkolonie (1914)

Anna Seghers: Auf dem Wege zur amerikanischen Botschaft (1930)

Walther Rathenau: Zur Kritik der Zeit (1912)

Erich Kästner: Pünktchen und Anton (1931)

Bruno Traven: Die weiße Rose (1929)

Joachim Ringelnatz: Kuttel Daddeldu (1923)

Werner Hegemann: Das steinerne Berlin (1930)

Albert Ehrenstein: Briefe an Gott (1922)

Klaus Mann: Der fromme Tanz (1926)

Stefan Zweig: Sternstunden der Menschheit (1927)

Joseph Roth: Das Spinnennetz (1923)

Kurt Pinthus: Menschheitsdämmerung (1920)

Arthur Schnitzler: Reigen (1903)

Franz Werfel: Der Abituriententag (1928)

Julius Schäffer: Die Zerstörung des Volksgedankens durch den Rassenwahn (1929)

Ernst Glaeser: Jahrgang 1902 (1928)

Ernst Toller: Hoppla wir leben! (1927)

Maria Leitner: Hotel Amerika (1930)

Sigmund Freud: Das Unbehagen in der Kultur (1930)

Alfred Kerr: Die Harfe (1917)

Oskar Maria Graf: Wunderbare Menschen (1927)

Arthur Holitscher: Der Narrenbaedeker (1925)

Walter Mehring: Paris in Brand (1927)

Leo Hirsch: Die Dackellieder (1930)

Jakob Wassermann: Mein Weg als Deutscher und Jude (1921)

Helene Stöcker: Geschlechtspsychologie und Krieg ((1925)

Armin T. Wegner: Brief an Hitler (April 1933)

Bertolt Brechts Hauspostille (1927)

Kurt Tucholsky: Sprache ist eine Waffe (1930)

Georg Bernhard: Wie finanzieren wir den Krieg? (1918)

Helen Keller: Wie ich Sozialistin wurde (1912)

Else Lasker-Schüler: Arthur Aronymus (1932)

Erich Mühsam: Judas (1921)

Alexander Moritz Frey: Die Pflasterkästen (1929)

Wer Bücher verbrennt, verbrennt auch Bibliotheken, bombardiert offene Städte, schießt mit Ferngeschützen oder Fliegerbomben Gotteshäuser ein. Die Drohung, mit der die Fackel in den Bücherstapel fliegt, gilt nicht dem Juden Freud, Marx oder Einstein, sie gilt der europäischen Kultur, sie gilt den Werten, die die Menschheit mühsam hervorgebracht und die der Barbar anhaßt, weil er halt barbarisch ist, unterlegen, roh, infantil. 


Arnold Zweig 


Vor 90 Jahren, am 10. Mai 1933, brannten in ganz Deutschland  Scheiterhaufen mit Büchern von Autoren und Autorinnen, die die Nationalsozialisten verboten hatten: 

https://verbrannte-orte.de/

Verbrannte und Verbannte

Immer noch gibt es genügend Stimmen, die die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus ad acta legen oder ganz und gar aus dem Gedächtnis streichen wollen. Erinnerung ist wichtig, weil aus ihr die Verantwortung für Gegenwart und Zukunft geboren wird.

Bonn, im Frühjahr 2023              Wolfgang H. Deuling