Thema

Tagung Pressefotografie in Ostdeutschland seit 1989. Vom 27. bis 29. August 2020 in der Stiftung Leucorea in Lutherstadt Wittenberg

In inhaltlicher Hinsicht verfolgt die Tagung mehrere, sich ergänzende Fragestellungen. Ein Schwerpunkt der Tagung bildet die Mediengeschichte Ostdeutschlands seit 1989/90 am Beispiel der Pressefotografie: Wie gestalteten sich die beruflichen Rahmenbedingungen ostdeutscher Pressefotografen in der Folge der Friedlichen Revolution und der deutschen Einheit? Wie entwickelte sich das Mit- bzw. Nebeneinander ost- und westdeutscher Fotografen, die den Transformationsprozess in Ostdeutschland begleiteten? Gab es einen spezifisch west- bzw. ostdeutschen Blick auf denselben Gegenstand? Welche Themen und Perspektiven waren in welchen Phasen der 1990er Jahre seitens der Redaktionen vorgegeben bzw. ausgespart worden? Wie beschreiben die Fotografen dabei in der Rückschau ihr eigenes professionelles Selbstverständnis bzw. das ihrer Kollegen? Inwieweit wurden inhaltliche Erwartungen an die Bildproduktion bedient, falls nötig auch inszeniert? Wie gestaltete sich das Spannungsverhältnis zwischen eigener Parteinahme und professioneller dokumentarischer Distanz? In welchem Maße bot die berufliche Realität Raum für eigene fotografische Perspektiven ohne unmittelbaren Redaktionsauftrag und wurde dieser ggf. vorhandene Raum in der Praxis genutzt?

Aus der Perspektive der Geschichtswissenschaft wird zum Auftakt der Tagung das Dreiecksverhältnis zwischen der historischen Forschung zur Geschichte der Friedlichen Revolution und des Wegs zur deutschen Einheit, den Bildquellen zu 1989/90 und der vorherrschenden historischen Erzählung zu diesem Kapitel der deutschen Geschichte in der gesamtdeutschen Erinnerungskultur zur Diskussion gestellt. Von Interesse ist dabei, wie das Vorhandensein oder das Fehlen von Bildquellen sowie der Fokus auf oder das Ausblenden von fotografischen Zeugnissen, die Interpretationen der Jahre 1989/90 in der Geschichtswissenschaft und/oder der Erinnerungskultur beeinflussen. In weiteren Vorträgen werden laufende Forschungsprojekte zur Visual History am Beispiel etwa der DDR-Bildagentur Zentralbild zur Diskussion gestellt.

Die rückblickende Wahrnehmung der DDR wird maßgeblich durch Fotografien mit bestimmt. Fragen danach, woher die Bilder stammen, wer sie unter welchen Bedingungen produzierte und verbreitete, welchen Wert (auch Geldwert) sie heute haben, wie sie langfristig gespeichert werden und welche Rolle Fragen des Persönlichkeitsschutzes bei ihrer Publikation spielen und wer eigentlich die visuelle Deutungshoheit über die DDR hat, soll im Rahmen der Workshops diskutiert werden, die sowohl für Fotografen als auch für Historiker von berufspraktischer Relevanz sind. Ein weiterer Schwerpunkt bildet dabei die künstliche Intelligenz bei der Erschließung von Bildbeständen. Für die teilnehmenden Historikerinnen und Historiker soll die Tagung darüber hinaus die Möglichkeit eröffnen, mit Vertreterinnen und Vertretern von Bildagenturen ins Gespräch zu kommen, die über einen Schwerpunkt mit zeithistorischen Fotos verfügen. Diese Agenturen werden dazu eingeladen, sich am Rande der Tagung auf einem Infomarkt zu präsentieren sowie am Programm als Gäste teilzunehmen.