Am 21. Juli 2000 erschien in Poonal Nr. 440 folgender Artikel zu dem Massaker von El Mozote:
Von Enayda Argueta
(San Salvador, 28. Juni 2000, sem-Poonal).- Viele Jahre lang leugneten die Militärs in dem mittelamerikanischen Land El Salvador ihre Verantwortung für die Massaker in dem Weiler El Mozote und anderen Orten der Provinz Morazon. Vor 19 Jahren wurden dort mehr als tausend Campesinos ermordet. Jetzt hat das Rechtsschutzbüro des Erzbistums der Hauptstadt San Salvador den Fall wieder aufgenommen, um die Identität der Opfer festzustellen. Schon einmal gab es diesen Versuch, doch wurde er unter der Regierung von Präsident Alfredo Cristiani (1991-1995) unterbrochen, bevor die Arbeit vollständig abgeschlossen war.
Am 11. Dezember 1981 drangen Truppen des Elite-Bataillons "Atlacatl" in El Mozote ein. Es handelte sich um eine der vielen Aktionen im Rahmen der Politik der verbrannten Erde, mit der die links gerichtete Guerilla der FMLN besiegt werden sollte. Die Militärs konzentrierten die gesamte anwesende Bevölkerung des Dorfes im Kloster und brachten sie um. Noch am selben Tag dehnten sie die Aktion auf den Weiler La Joya aus. Am 12. Dezember wüteten die Soldaten in den Weilern Rancheria, Los Toriles und Jocote. Einen weiteren Tag später ermordeten sie die Bewohner in Cerro Pando.
1990 begann das Rechtschutzbüro des Erzbistums die ersten Untersuchungen und konnte im Laufe der Jahre die Identität von 775 Opfern sichern. Ebenso sammelte das Büro Information über die Beteiligung des Atlacatl-Kommandanten Oberstleutnant Domingo Monterrosa Barrios und des Majors Natividad de Jesús Cáceres Cabrera, der das Massaker leitete. Nach der Unterschrift der Friedensabkommen durch Regierung und Guerilla im Jahr 1992 präsentierte die Wahrheitskommission für El Salvador vor den Vereinten Nationen ihren Bericht. Neben den beiden erwähnten Militärs sah die Kommission die individuelle Schuld einer Reihe weiterer Armeeangehöriger als erwiesen an. In ihrem Bericht "Vom Wahnsinn zur Hoffnung" bezeichnet die Wahrheitskommission das Massaker als "überlegt und systematisch".
Zwischen Oktober und Dezember 1992 fanden Ausgrabungen eines Teils der Leichen und gerichtsmedizinische Untersuchungen statt. Allein in einem Massengrab in El Mozote lagen die sterblichen Überreste von 43 Personen: 31 Mädchen und Jungen unter 12 Jahren, fünf Jugendliche und sieben Erwachsene, darunter eine schwangere Frau. Die Ausgrabung der Skelette sollte 1993 abgeschlossen werden. Doch nach dem von der Regierung Cristiani als Dekret erlassenen Amnestie konnten weder die Mörder verfolgt noch die Ermittlungen unbehelligt weiter geführt werden.
Als einzige Überlebende der Massaker in Morazon galt lange Zeit Rufina Amaya. Sie musste aus einem Versteck heraus ansehen, wie die Soldaten ihre Familie und ihre Nachbarn töteten. Der Vereinigung für die Suche verschwundener Mädchen und Jungen (in El Salvador als Pro-Busqueda bekannt), gelang es nach mehrjähriger Suche, einen weiteren Überlebenden auszumachen. Der heute 25-jährige Jose Gilberto Martinez kam aufgrund der Nachforschungen von Pro-Busqueda am 28. Mai dieses Jahres wieder mit seinen Eltern zusammen. Mit Tränen in den Augen erzählte er der Öffentlichkeit, wie der Soldat, der mit seiner Ermordung beauftragt war, ihn sechs Tage lang schützte und ihn dann in einer anderen Provinz einer Frau übergab, die ihn als eigenen Sohn registieren ließ und aufzog. "In einer dieser Nächte setzte mir der Soldat inmitten einer Schießerei seinen Helm auf den Kopf, nahm mich zwischen die Beine und sagte mir, ich solle mich nicht bewegen", so Gilberto mit einem Gesicht, das die Erinnerung vom Terror zeichnete.
Die Eltern von Gilberto überlebten das Morden, weil sie sich am 13. Dezember 1981 nicht bei ihrem Sohn im Weiler Cerro Pando befanden. "Ich wusste, dass ich ihn eines Tages wiederfinden würde", sagte die leibliche Mutter beim glücklichen Wiedersehen. Lange Zeit mussten sie und ihr Mann allerdings denken, ihr Sohn sei tot. Pro-Busqueda verfügte 1996 über erste Hinweise, dass es einen weiteren Überlebenden der Massaker in Morazon gab. Bis die Suche endgültig Erfolg hatte, dauerte es vier Jahre.
Das Wiederfinden ihrer Angehörigen ist für viele Salvadoreaner eine Hoffnung. Allerdings ist es zumindest im Fall der Massaker von Morazon ein Wiedersehen mit den Toten. Rufina Amaya und Gilberto Martinez werden die Ausnahme bleiben. María Julia Hernández, die Direktorin des Rechtsschutzbüros des Erzbistums, erklärt: "Die Familienangehörigen der Opfer haben all die Jahre von uns erbeten, dass die Leichen ihrer Verwandten ein christliches Begräbnis bekommen können." Hernandez ist überzeugt, dass "es notwendig ist, die Wahrheit bekannt zu machen, der Justiz Geltung zu verschaffen und eine Wiedergutmachung für die Opfer zu erreichen". Die Ausgrabungen gehen derzeit an drei verschiedenen Stellen in dem Weiler La Joya weiter. Dort werden etwa 30 Skelette vermutet, die in der großen Mehrheit von Kindern und Frauen stammen.