Max Schreck - Nachrufe

"In der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag ist gänzlich überraschend der Schauspieler Max Schreck gestorben,eines der treuesten und ältesten Mitglieder der Münchner Kammerspiele im Schauspielhaus. Wer den Künstler je in einer seiner Schrulligen,mitunter gespenstig-grotesken Rollen gesehen hat,wird die Bitterkeit dieses Verlustes deutlich empfinden. Schreck war jederzeit einer vorzüglicher Chargenspieler,ein Erzkomödiant,ein Verwandlungsgenie,ein Meister der seltsamen Maske.Im Grunde aber war er mehr:ein Mensch,der das wesentliche in der Erscheinung ergriffen hatte und der Humor genug besaß,sich schonungslos den Eigenheiten der Unzulängichen hinzugeben.So spielte er am liebsten die absonderlichen Käuze am Rande der bürgerlichen Weltornung,philosophische Landstreicher,verdrückte Menschenfreunde,Spätlinge des Lebens.Mit langen Schritten schlurfte die hagere,immer ein bischen windschief krummgezogene Gestalt über die Bühne,und die Stimme,scharf und trocken,hatte stets etwas von dem Ton des Predigers in der Wüste.Seine Satire konnte ätzend sein und bößartig aus den zusammengekniffenen Augen funkeln;doch stets blieb ein Rest der Lächerlichkeit preisgegeben,ein Anflug humoristescher Ironie,ein gravitätisches Kopfniken etwa oder ein stiläugig herrausfordernder Blick.Dann sahen wir die Seele der Armsseligkeit,das Gaukelspiel der verlorenen Hofnung;es war,als grüne der Stab. Max Schreck,1879 in Berlin geboren,begann bei der Schmiere.In Frankfurt fand er sein erste größeres Engagement,kam 1922 zu den Kmmerspielen,die damals noch in der Augustenstrasse um den Lorbeer des ewigen Theaters kämpften.Seine eigenwillige Oriinalität ließ frühzeitig schon die Filmdarsteller aufmersam werden.Demnächst werden wir ihn in einem Großfilm der UFA sehen,in "Die letzten vier von Santa Cruz". In den Kammerspielen war er nur noch selten anzutreffen.Auch wenn er nich auf Filmurlaub unterwegs war,wurde er wenig beschäftigt.Die Käuze sterben aus.Am Mittwoch Nachmittag,im "Don Carlos",trat er zum letzten Male auf.Er spielte den Großinquisitor,die Mitternachtsmaske der Verwesung.Keiner ahnte,wie nahe dem blinden Greiß der Tod war."

"Der beliebte Schauspieler der Kammerspiele im Schauspielhaus,Max Schreck,dessen erfolgriche künstlerische Laufbahn ein so jähes Ende fand,wurde in aller Stille im Ostfriedhof eingeäschert. Zu der schlichten Trauerfeier,die ans Herz griff,hatten sich die Direktion und die Mitglieder der Kammerspiele im Schauspielhaus,Berufskameraden und Berufskameradinnen an anderen Bühnensowie ein Kreis vo Freunden einfunden. Nach wehmutsvollen Orgelklängen trat Direktor Falckenberg an den Sarg und nahm in herzlichen Worten von dem Freund und Arbeitskameraden Abschied,der ein liebenwerter Künstler und Mensch war.Schauspieler (Fritz) Reiff sprach den Scheidegruß der Berufkamerden und Kameradinnen von den Kammerspielen im Schauspielhaus.Schauspielerin (Hedwig) Wangel weihte dem Gedächtniß des unvergesslichen Berufskameraden ein goldenes Lorbeergebinde.Für die Direktion und Belegschaft des Münchner Volkstheaters widmete Schauspieler Raab dem hochgeschätzen Kollegen einen Lorbeerkranz.Aus allen Ansprachen klang die Erschütterung über den jähen Tod von Max Schreck und die Trauer über den Verlust dieses hervorragenden,liebenswürdigen Küstlers herraus.Ein weiterer Kranz war vom technischen Personal derKammerspiele im Schaupielhaus.Die Direktion der Kammerspiel im Schauspielhaus,die Betriebsgemeinschft Schuspielhaus und die Direktion des Theaters am Gärtnerplatz hatten ereits vor der Trauerfeier Blumengebinde niederlegen lassen."

Hedwig Wangel sprach zur Trauerstunde das Gedicht von David Friedrich Strauss -

Aus dem Grabe

Indessen du voll Kummer

in deinem Bett gewacht,

lag ich in sanftem Schlummer

im Grab die erste Nacht.

Um mich, du mein Gefährte,

gräm' dich nicht zu sehr;

o glaube mir: die Erde

ist keinem Guten schwer.

Des Tages banger Schwüle,

des Streites Lärm entrückt,

ach, wie mich hier die Kühle,

die Stille mich beglückt.

Es steigt fortan mein Wollen

in Bäumen schlank empor;

in Blumen, düftevollen,

bricht mein Gefühl hervor;

und sproßt vom Grabesboden

ein Lilienstengel auf,

den reich' ich von den Toten

dir, lieber Freund, hinauf.

--------------------------------------------------------------------------------------

Die Nachricht vom plötzlichen Tode eines Menschen, den man gut kennt oder von dem man doch besonders lebendige Vorstellungen hat, wie von einem Schauspieler, ist eine der bittersten Erschütterungen, mit denen uns das tägliche Leben gelegentlich auf die rätselvolle Ungewißheit des Daseins weist. Und eben bei einem Schauspieler trifft uns das rasche, unerbittliche Geschick doppelt seltsam -- schien er doch so viele Leben zu haben und ein Freund und Künder des Schicksals, nicht nur sein Knecht zu sein.

Der Schauspieler Max Schreck vom Schauspielhaus ist am Donnerstag früh um einhalb neun Uhr im Schwabinger Krankenhaus gestorben. Am Mittwoch nachmittag hatte er noch an Stelle des beurlaubten Will Dohm den Großinquisitor im "Don Carlos" gespielt, hatte eigentlich noch ins Kino gehen wollen, begab sich aber nach Hause. Nachts wurde er von Unwohlsein befallen. Der Arzt ließ ihn sofort ins Krankenhaus bringen. In diesem Schauspieler verlieren die Kammerspiele im Schauspielhaus eines ihrer ältesten und besten Mitglieder, die deutsche Bühne einen ihrer stärksten Charakterdarsteller und Chargenspieler.

Max Schreck war am 6. September 1879 in Berlin geboren und stand also im 57. Lebensjahr. In jungen Jahren war er, wie sich das damals für ein werdendes Talent gehörte, mit der Schmiere des Direktors Demetrius Schrutz durchs Land gezogen. In Frankfurt a. M. hatte er sein erstes großes Engagement. 1922/23 kam er zu den Kammerspielen, denen er, von einer kurzen Unterbrechung abgesehen, treu blieb. Wer sich an die jugendliche Glanzzeit der Kammerspiele in der Augustenstraße erinnert und sich nach den großen schauspielerischen Eindrücken jener Zeit fragt, wird unbedingt Max Schreck als "Geizigen" in Molières großer Komödie nennen. Das war eine schauspielerische Gestaltung im höchsten Sinne: wer sie sah, für den wird Schreck Molières "Geizhals" bleiben. Und so zeigte er uns denn immer neue Gestalten, alle groß, herb, düster, oft von grandiosem, tragischem Humor, immer packend, immer tief hineinleuchtend in nur ihm bekannte Bezirke des Menschlichen.

Besonders tragisch ist Schrecks plötzliches Ende, als er gerade vor einer großen Entfaltung im Tonfilm zu stehen schien. Noch im November war er in Teneriffa, um in dem Ufa-Film "Die letzten Vier von Santa Cruz" eine tragende Rolle zu spielen. Von einem Mann, der plötzlich aus der vollen Tätigkeit hinweggerafft wird, pflegt man zu sagen: "Er ist in den Sielen gestorben." Und man meint damit, daß ein solches Ende ein schönes sei. Max Schreck ist in die Sielen gestorben; die Gestalten, die er aus seinem Herzen in das Rampenlicht hob, folgen ihm als ein feierliches, unvergeßliches Geleit.

--------------------------------------------------------------------------------------

Es war etwas Absonderliches um ihn, etwas, das schwer zu beschreiben ist. Er trat in die Szene aus einer anderen Welt, und die andere Welt kam mit ihm: die Dämonen, die Geister der Natur, Gewalten, von denen Menschen im Guten und im Bösen besessen sind. Er brauchte an ihrer Gestalt nichts wegzulassen, nichts hinzuzufügen und zu unterstreichen. Sie waren da, in ihm erwacht, Wesen von drüben, Wirklichkeit wie wir, und doch nicht zu fassen und restlos zu begreifen.Wir kannten ihn alle: seine Gestalt war überaus groß und hager; seine blauen, wie bei scharfsichtigen Vögeln tiefliegenden und überbuschten Augen waren oft leicht verhangen, um dann plötzlich in fast erschreckender Größe aufzuleuchten; sein bereits ergrautes Haar legte sich stets etwas wirr, fast wie Federn, um den schmalen, hohen Schädel; er liebte, sich sportlich zu kleiden, trug gerne einen weiten Mantel und eine flache englische Mütze; so ging er, unbekümmert und leicht vornübergebeugt, vor sich hin, seinen abseitigen Weg; immer war es, als ob ein Anderes in ihm schlummernd gegenwärtig sei.

--------------------------------------------------------------------------------------