Statistical Literacy and COVID-19

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Trugschlüsse in der Interpretation von Corona-Daten

Wir wollen exemplarisch einige Fälle aufgreifen, in denen es durch unzulängliche Interpretationen von Daten und Statistiken teilweise zu Fehleinschätzungen gekommen ist und die zu fehlinformierten Entscheidungen geführt haben können.


Vergleich von Äpfeln mit Birnen

Gerade in den ersten Wochen der Pandemie wurden die Sterblichkeitsraten zwischen verschiedenen Ländern stetig verglichen und daraus Rückschlüsse gezogen, welches Land die beste Strategie zur Eindämmung des Virus verfolge. Bei diesen Vergleichen wurde jedoch weitestgehend außer Acht gelassen, dass diese Rate ganz erheblich von der Häufigkeit an durchgeführten Tests sowie von der Definition der Corona-bedingten Todesfälle abhängt.

So kann zum Beispiel die Sterblichkeitsrate in einem Land deshalb höher sein, weil dort nur wenige Tests durchgeführt werden oder alle Menschen, die ganz gleich der Todesursache aber mit einem positiven Corona-Test verstorben sind, mit in die Statistik aufgenommen werden. Ein extremes Beispiel ist Belgien, welches zu Beginn der Pandemie auch Verstorbene in die Corona-Sterblichkeitsrate aufgenommen hatte, bei denen lediglich ein Verdacht auf eine Corona-Infektion bestand bzw. zeitweise sogar alle Verstorbenen aus Seniorenheimen als Corona-Tote gezählt worden sind.


In falsche Sicherheit wiegen dank Präventionen

Einigen Stimmen in der Gesellschaft nach zu urteilen sind die Maskenpflicht oder andere der Corona-bedingt getroffenen Maßnahmen übertrieben. Begründet wird dies zum Beispiel damit, dass es nicht so viele Fälle gäbe, die solche Einschränkungen rechtfertigen würden.

Während es sich sicherlich darüber streiten lässt, was genau “viele” bzw. “zu viele” Fälle sind, so begehen Advokaten dieser Argumentation einen entscheidenden logischen Fehler: Sie übersehen, dass die Fallzahlen unter Umständen genau deshalb so niedrig sind, weil es eben diese Maßnahmen gibt. Dieses Missverständnis wird unter anderem auch als „Präventionsparadox“ beschrieben.

Einem ähnlichen Präventionsparadox verfallen öfter auch Impfgegner. So argumentieren diese häufig, dass Impfungen wie etwa die Masernimpfung unnötig seien, weil es heutzutage in Deutschland keine oder kaum mehr Fälle von Masern gäbe. Ausserdem werden die Nebenwirkungen der Impfungen sowie potenzielle Impfschäden gravierender als die Infektionskrankheit selbst eingeschätzt, gerade in Relation zu der geringen Anzahl der Krankheitsfälle.


Verallgemeinerungen von Einzelfällen

Ein weiteres Beispiel für eine Missinterpretation von Statistiken war die Verallgemeinerung einiger Erkenntnisse aus der COVID-19-Case-Cluster Study, der sogenannten „Heinsbergstudie“. In der Stadt Gangelt wurden 600 zufällig ausgewählte Haushalte wissenschaftlich untersucht und dabei unter anderem auf das Coronavirus getestet. Dabei wurde auch die Dunkelziffer an nicht identifizierten Infektionen bestimmt. Diese lag bei etwa 15%. Diese Zahl wurde von Einigen auf die Gesamtbevölkerung übertragen. Diese Art der Verallgemeinerung ist unzulässig, da Gangelt als Cluster einer Coronainfektion nicht repräsentative für andere Gebiete war. Wir möchten klarstellen, dass diese Art der Verallgemeinerung nicht von den Studienleitern gemacht wurde, sondern beispielsweise durch einige Medien.


Unterschätzung von exponentiellem Wachstum

Es wurde in mehreren Studien gezeigt, dass viele Leute exponentielles Wachstum missverstehen und mit linearem Wachstum verwechseln oder gleichsetzen. Dies ist gerade in der COVID-19 Pandemie von enormer Wichtigkeit, wo Risiken durch falsche (z.B. lineare) Wachstumsannahmen massiv unterschätzt werden können.


Unsicherheit in der Schätzung der Reproduktionsrate

Eine wichtige Statistik, mit der politische Entscheidungen immer wieder begründet werden, ist die Reproduktionsrate R0. Das ist die Anzahl derjenigen Menschen, die im Schnitt von einer infizierten Person weiter angesteckt werden.

Häufig wird das Ziel angegeben, dass die R0-Zahl unter 1 liegen sollte. Die empirische Schätzung dieser Zahl ist jedoch mit einer gewissen Unsicherheit verbunden (Konfidenzintervallen). Aus diesem Grund werden unter Umständen bereits Maßnahmen ergriffen oder diskutiert, obwohl der derzeitige R0-Wert noch unter 1 liegt.


Weitere Details

Weitere Details der Studie finden Sie in folgenden Artikeln:

  1. Studienergebnisse: Folgen statistischer Kompetenz für die Corona-Pandemie

  2. Diskussion und Empfehlungen

  3. Trugschlüsse in der Interpretation von Corona-Daten