Focus Talks ist eine Vortragsreihe, die seit Sommer 2023 regelmäßig in der Seeburg stattfindet. Dabei überzeugen die einzelnen Vorträge immer wieder durch ihre Aktualität und ihre Bezüge zu großen und kleinen Themen des (öffentlichen) Diskurses. Bei der Planung dieser Events wird besonderer Wert auf die Möglichkeit für Diskussionen und regen Austausch sowie einen inhaltlichen Bezug zu Anxiety Culture gelegt. Die Veranstaltungen richten sich an alle Interessierten.
Prof. Dr. Katja F. Cantone-Altıntaș: "Deutschland – ein mehrsprachiges Land. Doch wie funktioniert der Erhalt von Sprachen?"
Die Tatsache, dass in Deutschland viele Sprachen gesprochen werden, steht außer Frage. Unklar ist hingegen, wie der Spracherhalt im Kontext von Migration funktioniert. Wessen Aufgabe ist es, Sprachen weiterzugeben? Wie erreicht man, dass Folgegenerationen die Sprachen der Vorfahren aktiv sprechen? Welche Ängste treten bei Sprecher*innen auf, wenn sie eine sog. Heritage-Sprache verwenden sollen? Diese und andere spannende Fragen werden im Focus Talk mithilfe aktueller internationaler wissenschaftlicher Ergebnisse diskutiert.
Veranstaltung anlässig des Erscheinens des Buches "Anxiety Culture": "Trump und kein Ende des Schreckens"
Das Buch ist das Ergebnis einer internationalen Forschungsinitiative, die vor fast einem Jahrzehnt an der Universität Kiel begann. Zur Feier der Veröffentlichung wird ein Focus Talk in der Seeburg unsere gegenwärtige Angstkultur reflektieren. Die Veranstaltung ist offen für alle und bietet ein abwechslungsreiches Programm mit Wissenschaftler:innen und Studierenden, darunter eine Präsentation des Buches, studentische Aktionen, Keynotes zu „Politischer Instabilität“ und „Umweltzerstörung“, Podiumsdiskussionen und einen Vortrag von Special Guest Professor David Schultz zum Thema „Trump's victory and Europe's security“.
Für weitere Informationen zur Publikation.
Luciana Belloni: "Between witches and ghosts: the family as a toxic space in contemporary horror tales"
In recent decades, the global literary landscape has witnessed the emergence of what is known as the "New Latin American Boom," led by female horror story writers. These writers adhere to the conception of horror founded by Stephen King, who, far from considering the introduction of the supernatural as an indispensable requirement of the genre, postulates that gore, the moment of emotional impact, can be given by “everyday social phobic pressures,” that is, by fears shared by a community. However, a distinctive feature of this literary movement is the reformulation of typical motifs from Anglo-Saxon horror to address social issues specific to Latin America, giving their works a profound political grounding. Taking the case of Mariana Enríquez, one of the leading representatives of the New Boom, this presentation aims to discuss the aforementioned reformulation guided by the following questions: what are the fears shared by Latin American countries according to the female perspective of these writers? What kinds of monsters do we currently face? What is the relationship between literary works and the social reality of their context of production? Ultimately, what are our haunted houses?
Dr. Felix Schulte: "Kollektive Emotionen, Trigger-Ereignisse und die Eskalation ethnischer Konflikte"
Die Eskalation von kulturellen Identitätskonflikten, wie beispielsweise Ausschreitungen nach dem Tod von Yvann Colonna in Korsika, Unruhen zwischen Hindus und Muslimen in Indien oder eine globale Protestwelle nach dem Tod von George Floyd, folgt häufig nicht-linearen, rapiden und kurzzeitigen Dynamiken. Dieser Vortrag widmet sich der Frage, wie sich solche Eskalationen erklären lassen. Warum eskalieren ethnische und religiöse Konflikte zu einem bestimmten Zeitpunkt? Im Fokus steht dabei die Betrachtung emotionaler Klimata als entscheidendes Konfliktpotenzial. Konflikthaftes Handeln wird wahrscheinlich, wenn Trigger-Ereignisse als "moral shocks" dieses Potenzial aktivieren. Der Vortrag präsentiert ein neues theoretisches Modell zur Erklärung von Eskalationsdynamiken in kulturellen Identitätskonflikten, das Triggerereignisse, Emotionen und kollektive Selbstorganisation in Verbindung setzt.
Dr. Max Doppelbauer: "Putsch auf Putsch in Afrika: Panik im Präsidentenpalast? Französische und spanische Implikationen im Golf von Guinea"
In der letzten Zeit scheinen sich Putsche von Militärs in Afrika zu häufen. Fallen die Regierungen in Afrika tatsächlich wie „Dominosteine“, sowie die NZZ (6.9.2023) titelt, oder werden hier von der europäischen Ignoranz Zusammenhänge künstlich geknüpft? Ist der Kontinent immer noch nicht reif für Demokratie? Hängen die kolonialen Schatten immer noch tief über den afrikanischen Gesellschaften? Betreffen uns diese Umstürze in fernen Ländern überhaupt? Machen diese Ereignisse nur die Eliten anderer afrikanischer Länder, die „noch“ an der Macht sind, nervös? Oder stolpern wir hier wieder einmal über nie enden wollende Stereotype? Eine besondere Rolle kommt dem einzig spanischsprachigen Land Afrikas insofern zu, da sich der derzeitige Präsident Teodoro Obiang seit 1979 ebenso durch einen Putsch an der Macht befindet und somit jenes Staatsoberhaupt ist, das weltweit am längsten an der Macht ist.
Dr. Markus Lemmens: "Wissenschaftskommunikation in Panikzeiten"
Es gehört nicht viel dazu, unsicher, gar ängstlich zu sein oder sogar in Panik zu geraten: Krieg in Europa, Flammen in Nahost und eine auf vielen Politikfeldern höchst instabil wirkende Zukunftsplanung. Gewissheiten wanken. Wäre da nicht die Wissenschaft, sähe es buchstäblich düster aus. Forschung und Wissenschaft haben mit der Corona-Pandemie unter Bürger*innen an Glaubwürdigkeit gewonnen. Auch wenn es politische Kräfte gibt, die Zweifel säen - wider besseres Wissen -, das Vertrauen in die Wissenschaft ist da. Diese Situation wirft aber auch Fragen auf: Bleibt das so? Und welche Rolle kommt der Wissenschaftskommunikation im Anthropozän - der aktuellen und von Menschenhand geformten Lebenswirklichkeit - zu? Wie kann sich die Wissenschaft gegenüber ihren Adressaten in der Zivilgesellschaft vermitteln? Werden Zusammenhänge und Ergebnisse, Risiken und Optionen gut dargestellt? Welche Instrumente taugen, um in Panikzeiten zu abgewogenen Entscheidungen zu gelangen, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen?
Prof. Dr. Rolf Kailuweit: "Zivilgesellschaftliche Reaktionen und islamistische Attentate in Westeuropa: Die symbolische Gestaltung von Diskursräumen zwischen Trauer, Protest und Hass"
Seit dem Anschlag von 9/11 haben islamistische Attentate die westlichen Demokratien nachhaltig verändert. Nach Ende des Kalten Kriegs entstand ein neuer geopolitischer Antagonismus, bei dem führende Politiker*innen des Westens zum „Krieg gegen den Terror“ aufriefen. Neben militärischen Operationen kam es zu sicherheitspolitischen Maßnahmen mit weitreichenden Folgen für die Zivilgesellschaft. Deren Reaktionen bilden sich vor allem in den sogenannten Grassroots Memorials und in den digitalen Medien ab. Grassroots Memorials, an denen Artefakte (Texte, Bilder, Objekte) niedergelegt werden, entwickelten sich im Kontext der Anschläge zu einer besonderen Ausdrucksform von Trauer und Protest. Auch im Internet finden sich neue Formen des Trauerns, die für die Reaktion auf die Attentate genutzt wurden.
Dr. Anik Nandi: "Policies and practices towards minority languages in India and beyond"
India has a population of 130 billion who speak 780 languages (Devy, 2014). Many of those languages are endangered (Moseley, 2012). Language policy rhetoric in India although contests “one language – one nation” ideologies by conferring constitutional recognition to its regionally dominant languages, in practice, governmental policymakers have often been criticised for endorsing the interests of dominant social groups, marginalising minority languages and attempting to perpetuate systems of socio-lingual inequality through laissez-faire policies. Comparing and contrasting multiple case examples from similar policies around the world, this lecture attempts to understand the language-related anxiety issues with reference to ‘linguistic violence’. Linguistic violence has been defined as the “use of vulgar, humiliating, and discriminating words, phrases, and sentences to harm, attack, and label others, victims of which can be vulnerable groups in the society” (Wang 2018: 19).