Fabeldichtung

Fabeln sind historisch gewachsen und im Laufe der Zeit wurden immer wieder neu bearbeitet.

Rabe und Fuchs

Ein Rabe hatte einen Käse gestohlen, flog damit auf einen Baum und wollte dort seine Beute in Ruheverzehren. Da es aber der Raben Art ist, beim Essen nicht schweigen zu können, hörte ein vorbeikommender Fuchs den Raben über dem Käse krächzen. Er lief eilig hinzu und begann den Raben zu loben: »O Rabe, was bist du für ein wunderbarer Vogel! Wenn dein Gesang ebenso schön ist wie dein Gefieder, dann sollte man dich zum König aller Vögel krönen!«

Dem Raben taten diese Schmeicheleien so wohl, dass er seinen Schnabel weit aufsperrte, um dem Fuchs etwas vorzusingen. Dabei entfiel ihm der Käse. Den nahm der Fuchs behänd, fraß ihn und lachte über den törichten Raben.

Aesop ( ca. 6. Jh. v. Chr )

Quelle: https://hekaya.de/

Der Rabe und der Fuchs


Ein Rabe saß auf einem Baum und hielt im Schnabel einen Käse; den wollte er verzehren. Da kam ein Fuchs daher, der vom Geruch des Käses angelockt war.

“Ah, guten Tag, Herr von Rabe!“ - rief der Fuchs. „Wie wunderbar Sie aussehen! Wenn Ihr Gesang ebenso schön ist wie Ihr Gefieder, dann sind Sie der Schönste von allen hier im Walde!“

Das schmeichelte dem Raben, und das Herz schlug ihm vor Freude höher. Um nun auch seine schöne Stimme zu zeigen, machte er den Schnabel weit auf - da fiel der Käse hinunter.

Der Fuchs schnappte ihn auf und sagte:

„Mein guter Mann, nun haben Sie es selbst erfahren: ein Schmeichler lebt auf Kosten dessen, der ihn anhört - diese Lehre ist mit einem Käse wohl nicht zu teuer bezahlt.“

Der Rabe, bestürzt und beschämt, schwur sich zu, dass man ihn so nicht wieder anführen sollte - aber es war ein bisschen zu spät.

Jean de la Fontaine (17. Jh.)

Quelle: https://hekaya.de/


Der Rabe und der Fuchs

Ein Rabe trug ein Stück vergiftetes Fleisch, das der erzürnte Gärtner für die Katzen seines Nachbars hingeworfen hatte, in seinen Klauen fort. Und eben wollte er es auf einer alten Eiche verzehren, als sich ein Fuchs herbeischlich und ihm zurief:

"Sei mir gesegnet, Vogel des Jupiters!" "Für wen siehst du mich an?" - fragte der Rabe. "Für wen ich dich ansehe?" - erwiderte der Fuchs. "Bist du nicht der rüstige Adler, der täglich von der Rechten des Zeus auf diese Eiche herabkommt, mich Armen zu speisen? Warum verstellst du dich? Sehe ich denn nicht in der siegreichen Klaue die erflehte Gabe, die mir dein Gott durch dich zu schicken noch fortfährt?"

Der Rabe erstaunte und freute sich innig, für einen Adler gehalten zu werden. Ich muss, dachte er, den Fuchs aus diesem Irrtum nicht bringen. - Großmütig dumm ließ er ihm also seinen Raub herabfallen und flog stolz davon.

Der Fuchs fing das Fleisch lachend auf und fraß es mit boshafter Freude. Doch bald verkehrte sich die Freude in ein schmerzhaftes Gefühl; das Gift fing an zu wirken, und er verreckte.

Möchtet ihr euch nie etwas anders als Gift erloben, verdammte Schmeichler!


G. E. Lessing (18. Jh.)

Quelle: https://hekaya.de/

Der Fuchs und der Rabe

Der Anblick eines Raben, der auf einem Baum saß, und der Geruch des Käses, den er im Schnabel hatte, erregten die Aufmerksamkeit eines Fuchses.

»Wenn du ebenso schön singst, wie du aussiehst«, sagte er, »dann bist du der beste Sänger, den ich je erspäht und gewittert habe.«

Der Fuchs hatte irgendwo gelesen - und nicht nur einmal, sondern bei den verschiedensten Dichtern dass ein Rabe mit Käse im Schnabel sofort den Käse fallen lässt und zu singen beginnt, wenn man seine Stimme lobt. Für diesen besonderen Fall und diesen besonderen Raben traf das jedoch nicht zu.

»Man nennt dich schlau, und man nennt dich verrückt«, sagte der Rabe, nach dem er den Käse vorsichtig mit den Krallen seines rechten Fußes aus dem Schnabel genommen hatte. »Aber mir scheint, du bist zu allem Überfluss auch noch kurzsichtig. Singvögel tragen bunte Hüte und farbenprächtige Jacken und helle Westen, und von ihnen gehen zwölf aufs Dutzend. Ich dagegen trage Schwarz und bin absolut einmalig.«

»Ganz gewiss bist du einmalig«, erwiderte der Fuchs, der zwar schlau, aber weder verrückt noch kurzsichtig war.

»Bei näherer Betrachtung erkenne ich in dir den berühmtesten und talentiertesten aller Vögel, und ich würde dich gar zu gern von dir erzählen hören. Leider bin ich hungrig und kann mich daher nicht länger hier aufhalten.«

»Bleib doch noch ein Weilchen«, bat der Rabe. »Ich gebe dir auch etwas von meinem Essen ab.«

Damit warf er dem listigen Fuchs den Löwenanteil vom Käse zu und fing an, von sich zu erzählen.

»Ich bin der Held vieler Märchen und Sagen«, prahlte er, »und ich gelte als Vogel der Weisheit. Ich bin der Pionier der Luftfahrt, ich bin der größte Kartograph. Und was das Wichtigste ist, alle Wissenschaftler und Gelehrten, Ingenieure und Mathematiker wissen, dass meine Fluglinie die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten ist. Zwischen beliebigen zwei Punkten«, fügte er stolz hinzu.

»Oh, zweifellos zwischen allen Punkten«, sagte der Fuchs höflich. »Und vielen Dank für das Opfer, das du gebracht, indem du mir den Löwenanteil vermacht.«

Gesättigt lief er davon, während der hungrige Rabe einsam und verlassen auf dem Baum zurückblieb.

James Thurber (20. Jh.)

Quelle: https://hekaya.de/

Lessing vs. La Fontaine

Fabeltiere und ihre typischen Eigenschaften

Lessing: Der Esel mit dem Löwen

Lessing: Der Löwe mit dem Esel

Lessing: Der Wolf und das Schaf

Lessing: Der Besitz des Bogens