Im Seminar “Art of Science” verfolgen die Teilnehmer Inspirationen und Methoden aus der Wissenschaft, um künstlerische Arbeiten zu entwickeln. Da mein Schwerpunkt Malerei und Zeichnen ist, habe ich in diesem Semester das Ziel verfolgt, ein Selbstporträt zu verwirklichen, bei dem ich mich von meinem herkömmlichen Zeichenstil und Entwicklungsprozesses löse. Dabei habe ich mich mit wichtigen Ansatzpunkten von zwei verschiedenen wissenschaftlichen Artikeln beschäftigt und sie in die Verwirklichung meines Selbstporträts integriert.
Claudia Pigat WS 2021-22 Seminar Art of Science bei Mert Akbal
“To help understand his ‘blind drawing’ process, eye and hand movements of art students were tracked while they drew blind, copying complex lines presented to them as static images”¹
In meinen Zeichnungen wird auf die Wiedergabe von Dynamik sehr viel Wert gelegt. Es ist mir wichtig, dass der Betrachter sich nicht mit einem stillstehenden, statischen Bild konfrontiert sieht, sondern stattdessen das Gefühl kriegt, er würde durch ein Fenster einen tobenden Sturm von Bewegungen beobachten.
Aus diesem Grund habe ich mich mit dem Artikel “Auguste Rodin Draws Blind: An Art and Psychology Study”¹ beschäftigt und Auguste Rodins “Instant Drawing” - Methode aufgegriffen. Erwähnenswert ist hier, dass ich die Methode nicht genau übernommen habe, sondern sie an meine Bedürfnisse angepasst habe.
Nach einer fünfminütigen Beobachtung meines Referenzfotos begann ich mit dem Versuch, wahrgenommene Bewegungen im Foto blind auf Papier festzuhalten. Bei diesem Prozess spielt Kontrollverlust eine große Rolle, da nur auf diese Weise geistige Impulse durch intuitive Bewegungen unreflektiert visuell wieder- gegeben werden. Inspiriert vom Prinzip des Zufalls liegt die Quelle des künstlerischen Schaffens, ähnlich wie beim Surrealismus, im Unterbewussten, durch die spontane Rhythmik von gestuellen Linien dynamische Strukturen von Linienbündeln entstehen. Diese Bewegungsrichtungen sind in mein fertiges Selbstbildnis eingeflossen.
2. Verändertes Wahrnehmungszustand durch das visuell Unbestimmte
“At this moment I experience something that profoundly impressed me. Although the screen was full of clearly delineated forms, I was momentarily lost, unable to recognize what I was seeing.”²
Der zweite Artikel, der meine Darstellung des Bildraumes stark beeinflusste, ist “Seeing without Objects: Visual Indeterminacy in Art ”² von Robert Pepperel. Er thematisiert das Wahrnehmungsphämonen, bei dem das visuell Unbestimmte zu einem gesteigerten Bewusst- seinszustand führt. Dabei handelt es sich um einen Wahrnehmungs- zustand des Betrachters, bei dem visuelle Hinweise für Motive im Bild fehlen und sie folglich nicht erkannt werden können.
Durch die Synthese von visueller Klarheit und Unbestimmtheit habe ich diesen Effekt der fehlenden Objekterkennung in meinem Selbstbildnis angewandt, indem die realistisch dargestellte Figur mit dem grob-dargestellten Raum kontrastiert. Einige Objekte im Raum sind nur bloße Andeutungen und gehen mit der zeicherischen Bewegung im Raum verloren.
1. Tchalenko, John; Miall, R. Chris (2017). Auguste Rodin Draws Blind: An Art and Psychology Study. Leonardo, (), 1–17. doi:10.1162/leon_a_01553
2. Pepperell, Robert (2006). Seeing without Objects: Visual Indeterminacy and Art. Leonardo, 39(5), 394–400. doi:10.1162/ leon.2006.39.5.394