Stephanie Catani (Universität Würzburg)
Smart Cinema? Künstliche Intelligenz und die Filmindustrie - ENTFÄLLT
Als im vielfach ausgezeichneten Film The Brutalist (USA/HU/UK, 2024) zur Optimierung der ungarischen Aussprache einiger Schauspieler:innen die KI-gestützte Software Respeecher verwendet wurde, entfachte dies eine kontroverse Debatte um die Zulässigkeit KI-basierter Tools in der Filmproduktion. Im Zentrum stand dabei die Frage nach der Grenze zwischen technischer Optimierung und künstlerischer Integrität.
Ausgehend von aktuellen Beispielen wie diesem liefert der Vortrag einen Überblick über den wachsenden Einfluss KI-basierter Verfahren im Filmbetrieb der Gegenwart. Von der Drehbuchentwicklung über intelligente Kameratechniken und computergestützte Bild- und Tonbearbeitung bis zu personalisiertem Marketing haben KI-Tools inzwischen in nahezu allen Bereichen der Filmproduktion Einzug gehalten. Der Vortrag beleuchtet die Chancen und die Herausforderungen dieser Technologien, fragt nach historischen Vorläufern und ordnet die Entwicklungen kultur- und medienwissenschaftlich ein. Abschließend wird diskutiert, wie ‚smart‘ das Kino der Zukunft sein soll und welche Konsequenzen sich daraus sowohl für die Praxis der Filmproduktion als auch für filmwissenschaftliche Fragestellungen zu Autorschaft, Ästhetik und filmischer Erfahrung ergeben.
Julia Eckel (Universität Paderborn)
Real Fakes. Documentary AnimAItion
Mit KI-Bildern wird am ehesten die Assoziation verbunden, dass sie gerade alles andere als die Wirklichkeit abbilden. Der Vortrag möchte dem entgegen der Frage nachgehen, inwiefern KI-generierte Bewegtbilder im Kontext des Dokumentarischen anzusiedeln sind. Ausgehend von Ansätzen aus der Animationsforschung, die sich schon länger mit dem Verhältnis von artifizieller Bildlichkeit und Realität befassen (z.B. hinsichtlich animated documentaries) sollen die dokumentarischen Dimensionen von KI-Animation in den Vordergrund gerückt werden.
Franziska Heller (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) & Ulrich Rüdel (HTW Berlin)
„Fake History“ oder „Time Machine“?
Künstliche Intelligenz und historische Bewegtbilder: Zwischen Restaurierung, Ethik und Spektakel
Als historisches Ereignis ein ikonisches Symbol für die Hybris von technologischem Fortschritt, zudem noch immer ein prominenter Komplex populärkultureller Medienwirklichkeit: der Untergang der Titanic. Im August 2024 berichteten The Guardian und Der Spiegel über eine neue zweiteilige Dokumentation des britischen Channel 4. Eine rhetorische Frage des Spiegel-Artikels weist auf die grundsätzlichen bildtheoretischen Herausforderungen zwischen Indexikalitäts- und Referenzversprechen, welche an Archivmaterialien herangetragen werden und bei denen es zu einer Vermischung der durch Medien geprägte Vorstellungen von (historischen) „Wirklichkeiten“ komme: „Wer um alles in der Welt denkt an die Titanic in Schwarz-Weiss?“ Das liege natürlich an dem „Über-Blockbuster“ von 1997. Doch das Bemerkenswerte an der Dokumentation aus dem Jahr 2024 sei, dass hier – anders als bei James Cameron – die „echte“ Titanic gezeigt werde – in Farbe!
Mit dem Ansatz, Archivmaterialien mit technischen Mitteln „einzufärben“ unter der Annahme, damit eine tiefere emotionale Verbindung und Immersion des Publikums zu realisieren, ordnen sich die Praktiken in die seit den 1980ern geführte Diskussion um elektronische, später digitale „Colorization“ ein. Schon 1990 stellte Acland fest, dass nicht allein Farbe per se das Publikum anziehe, sondern dass die nachkolorierte Qualität selbst zum entscheidenden Teil des transportierten Narrativs gehöre – als medientechnologisches Spektakel (Heller 2020). Mit Blick auf KI ist dies aktueller denn je: Heute lassen sich prominent entsprechende Praktiken, überfrachtet mit popkulturellen Mythen, in dem Zusammenspiel von KI und Archivbildern beobachten (Heller/Ruedel 2025). Dies wird zusätzlich durch die kommunikativen Aushandlungsräume befeuert. Über die Zirkulation und die Nutzungsweisen auf sozialen Netzwerken werden im Zeichen von digitalen Aufmerksamkeitsökonomien historische Bewegtbilder zu habitualisierten Showcases von KI-Algorithmen.
Der Beitrag diskutiert diese aktuellen Praktiken in transdisziplinärer Herangehensweise, indem Ansätze aus der medien(kultur)wissenschaftlichen Perspektive (u. a. Bildpragmatik) mit Forschung zur Überlieferung und Sicherung des audiovisuellen Erbes (Digitalisierungspraxis, Restaurierungsethik) zusammengebracht werden. So soll die Notwendigkeit der Entwicklung einer filmischen „Visual Literacy“ für den kritischen Umgang mit unseren heutigen audiovisuellen Wirklichkeiten im Zeichen von KI deutlich gemacht werden.
Jasmin Kermanchi (Universität Hamburg)
Künstliche Intelligenz und neue kreative Möglichkeiten im dokumentarischen Film
Die Verbreitung von Technologien der künstlichen Intelligenz beeinflusst zunehmend auch die Produktions-, Distributions- und Rezeptionspraktiken im Bereich des Dokumentarischen. Klassische Dokumentarfilme, Interactive Documentaries und dokumentarfilmische Installationen nutzen u.a. Anwendungen von Generative Adversarial Networks wie Deepfakes, um neue Möglichkeiten im Dokumentarischen zu erproben. Aber sind Deepfakes nicht Manipulationen und Fälschungen? Inwiefern handelt es sich noch um dokumentarische Medienangebote? Aus der Perspektive der neueren Dokumentarfilmtheorie, die davon ausgeht, dass dokumentarische Filme immer auch inszeniert sind, soll weniger die Frage nach einem Glaubwürdigkeitsverlust als nach neuen Glaubwürdigkeitsstrategien gestellt werden. Welche Möglichkeiten eröffnet künstliche Intelligenz für die „creative treatment of actuality“ (Grierson 1933, 8)? Eine Einsatzform, die dabei beleuchtet werden soll, ist der Schutz von Protagonist:innen durch Deepfakes. KI-generierte Gesichtsdoubles können die Identität von Protagonist:innen geheim halten, aber dennoch die mimisch ausgedrückten Emotionen erhalten. Eine andere Einsatzform sind Deepfakes, die Verstorbene mithilfe vorhandener Bilder und Audioaufnahmen mit ihrer eigenen Stimme im Bild sichtbar sprechen lassen. Anhand konkreter dokumentarfilmischer Beispiele untersucht der Vortrag durch Materialanalysen und praxeologische Analysen, welche kreativen Potenziale der Einsatz von KI im Dokumentarischen aufweist, aber auch welche ethischen Herausforderungen bestehen.
Guido Kirsten (Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf)
KI-generierte Shot Lists und Storyboards: Zum Einsatz Künstlicher Intelligenz in der szenischen Auflösung
Während der Einsatz von KI zur Erzeugung fotorealistischer Modelle von Schauspieler:innen mediale Aufmerksamkeit erfährt und automatisch generiertes Editing medienwissenschaftlich reflektiert wird, ist der Bereich der szenischen Auflösung bislang kaum thematisiert worden. Das liegt zum einen daran, dass entsprechende Anwendungen wie storyboardhero.ai, katalist.ai oder storyboarder.ai vergleichsweise neu und unbekannt sind. Zum anderen ist zu konstatieren, dass die Untersuchung der Produktionsphase zwischen Drehbuchentwicklung und Dreh, in der eine Handlung in eine imaginierte Einstellungsfolge übersetzt wird, in der Film- und Medienwissenschaft allgemein wenig beforscht wird. In meinem Beitrag möchte ich die Potenziale des Einsatzes von KI in jener Phase anhand einer exemplarischen Analyse von storyboarder.ai untersuchen.
Storyboarder.ai existiert seit 2024 und bietet die Möglichkeit, innerhalb kürzester Zeit aus einem Drehbuch eine Shot List und aus dieser Shot List ein Storyboard zu entwerfen. Meine Methode besteht in einem systematischen Vergleich der Einstellungsfolgen, die eine KI aus einer Drehbuch-Szene automatisch generiert, mit jenen, die tatsächlich in Spielfilmen vorkommen. Ich speise den Auszug eines Drehbuchs eines bekannten Films in die KI ein und vergleiche die verschiedenen Ergebnisse (je nach den Parametern der gewählten Voreinstellung) mit der Découpage derselben Szene im Film. Dieser Vergleich kann in einer Art gedanklichen Reverse-Engineerings die impliziten Normen und Vorannahmen der KI freilegen. Ergänzend zu dieser kritischen Analyse werde ich mit einem der Entwickler der App, Zeyd Taha Candan, ein Experten-Interview führen, in dem ich nach der Entstehung der App, technischen Details und anvisierten Nutzer:innen frage. So hoffe ich die Black Box der automatisierten Szenenauflösung ein Stück weit zu öffnen und Licht auf darin verborgene Mechanismen zu werfen.
Thomas Klein (Berlin)
Die KI-Erzählung im Zeitalter ihrer technischen Reproduktion
Die Frage danach, wie KI in den audiovisuellen Medien eingesetzt wird, geht einher mit der Frage wie KI in den audiovisuellen Medien dargestellt und wie davon erzählt wird. In den letzten Jahren wurden Narrative und Darstellungen von KI im Film verstärkt in der Filmwissenschaft erforscht. Auch in anderen Texten, die sich mit den gesellschaftlichen Herausforderungen von KI beschäftigen – wie etwa Roberto Simanowskis Buch „Todesalgorithmen“ – werden gerne Kinofilme herangezogen, um die jeweiligen Probleme zu veranschaulichen. Dabei wird aber meist darauf verwiesen, dass wesentliche Problemfelder im Film außen vor bleiben. So erwähnt Simanowski, dass noch kein Film existiere, in dem es um den von ihm behandelten „Konflikt zwischen Technik und Moral“ ginge. Aussagen dieser Art scheinen mir aber noch nicht genügend am audiovisuellen Material belegt zu werden.
In dem Vortrag sollen ausgesuchte Filme und Serien sowie literarische Quellen der 2010 und 2020er Jahre daraufhin untersucht werden, inwiefern darin zu wesentlichen KI-Themen Bezug genommen wird, die auch für deren Einsatz in audiovisuellen Medien relevant sind.
Angela Krewani (Philipps-Universität Marburg)
Wenn Maschinen träumen. Zur Kreativität künstlicher Intelligenz
Eine der zentralen Debatten im Kontext von KI und Kunst fragt nach den Dimensionen von Kreativität in maschinellen Prozessen. Denn Kunst galt und gilt als Ort des kreativen, menschlichen Schaffens, hinter dessen Komplexitäten und ästhetische Innovationen maschinelle Verfahren anscheinend nur zurückfallen können. Diese Positionen besitzen jedoch eine Reihe von impliziten und überaus traditionellen Wertungen, die mitgeführt werden, wie z.B. die Konzepte von Werk und Autor, welche fest mit dem traditionellen Kunstbegriff verkoppelt sind. Hier bemüht sich der Vortrag um eine Differenzierung der Konzepte, denn viele Kunstwerke organisieren sich jenseits der traditionellen Vorstellungen, ohne ihre Kreativität zu verlieren. Ähnlich diskutabel ist die Gegenüberstellung von 'menschlicher' und technischer Arbeit, wobei allein die menschliche Agenda für das kreative und künstlerische Moment sorgt.
Demgegenüber sucht der Vortrag einen alternativen Zugang zu KI-Kunst zu etablieren. Ausgehend von einer kybernetischen und rechnerzentrierten Kunsttradition, die sich seit den 1950er Jahren an den Ingenieurschulen entwickelte, wird das Konzept von Kreativität weitaus pragmatischer verhandelt. Befreit von dem idealistischen Beigeschmack zeigt sich Kreativität als eine Eigenschaft, die in der handwerklichen Kooperation zwischen Algorithmus und Anwendung entsteht: Dieses nicht-humanistische Modell verlegt Kreativität auch in die Arbeitsweise von Algorithmen und anderen technischen Anwendungen. Dementsprechend bedeutet Kreativität keine ausschließlich menschliche Eigenschaft, sondern kann als ein Effekt maschineller und algorithmischer Prozesse betrachtet werden.
Catrin Misselhorn (Georg-August-Universität Göttingen)
Wirkliche Kunst oder Fake-Art? Autorschaft und ästhetische Verantwortung im Zeitalter künstlicher Intelligenz
AI is right now vehemently entering the field of art: Apps can create paintings of various styles and art movements with just a click. AI composes symphonies and songs, chatbots write poems. The central question of this talk will be whether AI can truly create art and what the indispensable "human factor" in the production of art is, if there is any. Against the background of the new technological possibilities that AI provides, key aesthetic concepts, particularly the concept of authorship, are re-examined, and the impact of artificial intelligence on artistic practice is going to be investigated.
Jens Schröter (Universität Bonn)
Ontologie des KI-generierten Bildes
In meinem Vortrag soll, in bewusster und expliziter Anlehnung an André Bazins berühmten Text „Ontologie des fotografischen Bildes“ (1946) der Versuch unternommen werden, den Status des KI-generierten Bildes und ihr Verhältnis zur so genannten „Wirklichkeit“ genauer zu bestimmen. Dazu ist zunächst eine Binnendifferenzierung des „KI-Bildes“ erforderlich (GAN, Diffusion etc.). Dann ist eine Kontrastierung des KI-Bildes mit anderen technischen Bildtypen erforderlich, wofür eine Kategorisierung in Spur-, Modell- und Daten-Bilder vorgeschlagen wird. Zudem können diese 3 Bildtypen noch in den 2 Kategorien faktual und fiktional auftreten. Vor den Hintergrund dieser grundsätzlichen Überlegungen muss die bisherige theoretische Literatur zu den KI-Bildern (u. a. Manovich, Somaini, Wilde) kritisch evaluiert werden. Ein wesentliches Ergebnis wird sein, dass entgegen der mit schöner Regelmäßigkeit wiederkehrenden Rhetorik vom Wirklichkeitsverlust neuer Bildtypen, vielmehr von einer differenzierten Referenzialität verschiedener Bildtypen und mithin auch der KI-Bilder ausgegangen werden. Ihre statistische Referentialität verrät zumindest Einiges über die „Wirklichkeit der
Bilder“ (Baxandall) selbst.
Andreas Sudmann (Universität Bonn)
Medienwissenschaft im Zeitalter der Lernalgorithmen. Kritische und praxeologische Perspektiven
Um die soziokulturellen Implikationen, Bedingungen und Effekte der KI, insbesondere ihrer gegenwärtigen Erscheinungsformen und Praktiken, zu verstehen, ist eine medienwissenschaftliche Perspektive von zentraler Bedeutung. Die Notwendigkeit einer solchen Reflexion lässt sich bereits anhand folgender fünf Punkte begründen:
Erstens ist es Aufgabe der Medienwissenschaft zu untersuchen, inwiefern KI-Ansätze – insbesondere künstliche neuronale Netzwerke und maschinelle Lernverfahren – die Medienkultur verändern oder bestehende Strukturen und Prozesse fortschreiben. Zweitens, eng damit verknüpft, gilt es zu analysieren, wie KI selbst von Medien im epistemischen und infrastrukturellen Sinn abhängig ist. Drittens erweist sich eine medienwissenschaftliche Perspektive als produktiv, um die technologischen Entwicklungen von KI mit ihren kulturellen Imaginationen zu verknüpfen – ein Zugang, der fachhistorisch bislang wenig ausgeschöpft wurde. Schließlich ist, viertens, eine medienwissenschaftliche Perspektive geboten, weil KI nicht nur die Medienpraxis, sondern auch die Praxis der Medienwissenschaft selbst beeinflusst und sie dabei nicht nur als Werkzeug, sondern vor allem als epistemisches Medium – d. h. als Instanz, die wissenschaftliche Erkenntnisprozesse mitformt und deren Grundlagen, Operationen und Geltungsansprüche potenziell infrage stellt – reflektiert werden muss. Fünftens ist die Medienwissenschaft auch gefordert, einen Beitrag zur Kritik der KI zu leisten. Eine solche Kritik darf sich nicht in einer rein funktionalen Aufklärung über Technik erschöpfen. Gerade in ihrer Profilierung als Medienkritik sollte sie eine dezidiert gesellschaftskritische Perspektive einnehmen und sich als interventionistische Praxis positionieren, die auch die Bedingungen der eigenen Forschung in den Blick nimmt.
Der Vortrag lotet insbesondere das Verhältnis von praxeologischen und kritischen Perspektiven der Medienwissenschaft auf KI aus. Die zentrale These lautet, dass eine Medienkritik der KI als Gesellschaftskritik von einer praxeologischen Perspektive profitieren kann und umgekehrt. Ein solcher praxeologischer Zugriff, der von gesellschaftskritischen Perspektiven informiert wird und diese wiederum informiert, adressiert nicht nur die Medien und Infrastrukturen der KI, sondern auch die Praktiken, die sich auf sie beziehen. Indem die Medienwissenschaft hierfür eigene KI-Verfahren erprobt, kann sie deren Wirken als epistemisches Medium in der eigenen Praxis nachvollziehen und reflektieren, wodurch nicht nur die praxeologische Analyse geschärft, sondern auch das kritische Repertoire erweitert wird. Dennoch stehen Kritik und Praxis nicht zuletzt in Bezug auf KI in einem Spannungsverhältnis zueinander. Dieses zu reflektieren ist Teil jener Herausforderungen, denen unsere Forschungsgruppe „How is Artificial Intelligence Changing Science? Research in the Era of Learning Algorithms“ (HiAICS) zu begegnen versucht.
Literatur:
Sudmann, Andreas (2023): „Zum Einsatz von KI als Methode und Werkzeug in den Medienwissenschaft.“ In: Handbuch Digitale Medien und Methoden, hrsg. v. Laura Niebling, Felix Raczkowski, Sven Stollfuß. Wiesbaden: Springer, 1–17.
Sudmann, Andreas (2025): „Medientheorie der Künstlichen Intelligenz.“ In: Handbuch Medientheorien im 21. Jahrhundert, hrsg. v. Christoph Ernst, Katerina Krtilova, Jens Schröter und Andreas Sudmann. Wiesbaden: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-658-38128-8_13-1
Kathrin Yacavone (Philipps-Universität Marburg)
Zur apparativen Erzeugung von Wirklichkeit: Technische Bilder und fotografische Mimikry
Von spielerischen Spaßbildern bis hin zu politisch-ideologisch motivierten Deep Fakes – generative KI Tools zur Bilderzeugung sind inzwischen feste Bestandteile der digitalen Medienlandschaften. Insbesondere im Bereich der fotorealistischen Stilnachahmung durch datenbasierte, synthetische Bilder lässt sich beobachten, dass das Medienwissen der Fotografie auf neue Herausforderungen stößt, die sich u.a. in einer ontologischen Unsicherheit gegenüber jeglichen fotorealistischen Bildern bemerkbar machen. Vor diesem Hintergrund geht der Beitrag der zentralen Frage nach, inwiefern die aktuellen KI-generierten Bilder ein neues Kapitel in der Bildmediengeschichte der Wirklichkeit darstellen und wie dieses aus einer medienwissenschaftlichen Perspektive zu schreiben wäre. Anhand konkreter Bildbeispiele liefert der Beitrag einen historischen Rückblick auf die Geschichte der visuellen Wirklichkeitskonstruktion durch technische Bilder – von der analogen Fotografie, über digitale Bilder zu rein datenbasierten Bildern generativer KI – um auf diese Weise eine genauere Einordnung der aktuellen Bildphänomene vorzunehmen. Dabei wird die zentrale Doppelthese verfolgt, dass KI-generierte Bilder einerseits in einer Traditionslinie mit anderen technischen Bildern stehen, diese andererseits aber auch grundlegend herausfordern – nicht zuletzt durch ihre auf Mimikry beruhenden Imitation von fotografischen Bildern Ästhetiken. Diesen Herausforderungen in der aktuellen (Bild-)Medienkultur soll durch neue Begriffsbildung sowie Kategorisierungen begegnet werden, um den KI-getriebenen Bildmedienwandel schließlich – und zumindest aus aktueller Sicht – angemessener einordnen zu können.