Im Juli 2019 hat die Bieler Künstlerin Daniela de Maddalena das erste, in den Sommermonaten 2020, 2021 und 2022 das zweite, dritte und schliesslich vierte Wandbild im Rahmen des Projektes "Das Weinjahr in Bildern" in der Dorfgasse von Twann realisiert. Lanciert wurde die Idee vom sog. Redwy-Team Twann-Tüscherz, einer Gruppe von Twanner/innen, die es sich zum Ziel gemacht hat, das Winzerdorf am Bielersee lebendig und attraktiv zu halten. Für die Wandbilder sind dies aktuell Annelise Zwez, Regina Hadorn und Ruedi Wild (alle Twann).. Thema der vier Wandbilder ist das Rebjahr, d.h. das Schneiden im Winter (Wandbild Nr. 1), die Laubarbeiten im Mai/Juni (Wandbild Nr. 2), der Läset (Wandbild Nr. 3) und die Arbeiten im Keller (Wandbild Nr. 4).
Die vier Wandbilder befinden sich an der schmalen, hochformatigen Ostfassade der Dorfgasse 26 (Nr. 1), über dem sogenannten Rösselet-Brunnen an der Ecke Dorfgasse 21/Burgweg (Nr. 2), an der Hauptfassade des sog. Aebischerhaus, Dorfgasse 54 (Nähe Kirche, Nr. 3), an der Fassade des "Schlössli" eingangs Dorfgasse links (Nr. 4). In einer Vereinbarung mit dem Redwy-Team respektive der Gemeinde Twann-Tüscherz haben sich die Hauseigentümer verpflichtet, die Fassaden während 25 Jahren architektonisch nicht zu verändern. An der offiziellen Einweihung eines Bildes gehen die Bildrechte als Schenkung des Redwy-Teams an die Gemeinde. Die Wandbilder werden damit Teil der Kunstsammlung Twann-Tüscherz.
Um die Idee zu verwirklichen, musste jedes Jahr eine gesonderte Baubewilligung seitens der Gemeinde vorliegen und die Finanzierung sicher gestellt sein. Dank frühzeitigen Gesprächen mit den Schutzorganisationen und Rücksicht auf die Atmosphäre im geschützten Dorfkern gelang es der Künstlerin stets die strengen Vorschriften in überzeugender Art und Weise in ihre Bildvorlage (eine am PC bearbeitete Fotografie) einzubinden. Und Dank der Unterstützung durch die Gemeinde Twann-Tüscherz, den Verein Bielersee-Tourismus, den Kanton Bern, die Göhner-Stiftung, die Trüelete-Zunft, die Burgergemeinde Twann und private Sponsoren, konnten auch die Finanzen ins Lot gebracht werden.
Wichtig ist der Umgang mit der Fassade. Wie sollen sie vorbereitet werden? - Klar war von Anfang an, es müssen mineralische Farben sein, die mit dem Kalkuntergrund der bestehenden Fassade "verkieseln" (sich verbinden). Um das Bild möglichst harmonisch in die Umgebung einzufügen, wurde für das Wandbild Nr. 1 (der Rebschnitt) darauf verzichtet, die Fassade vorzubehandeln, bei Wandbild Nr. 2 wurde die Fassade gesamthaft gereinigt und im Bildbereich geglättet und leicht gelblich grundiert. Bei den Wandbildern Nr. 3 und Nr. 4 wurden die gesamten Fassaden durch den Liegenschaftsbesitzer respektive im Auftrag des RedWy-Teams neu gestrichen und die Bildgevierte leicht geglättet.. Die Vorgehensweisen sind nach Ansicht aller Beteiligten richtig, bedeuteten aber für die Künstlerin bei Wandbild Nr. 1 Mehrarbeit, denn sie musste die Farbe gleichsam in die Wand "einbürsten" (mit einem kleinen, feinen Pinsel notabene). Erst in der zweiten und dritten Schicht habe man von "malen" reden können, sagte sie. Bei Wandbild Nr. 2 war eher das um gut 1m2 grössere Ausmass, nämlich 5m2, die grosse Herausforderung, bei Wandbild Nr. 3 und Nr. 4 lagen die Schwierigkeiten bei dem durch das Motiv geforderten, höheren Detaillerungsgrad sowie erneut bei den Ausmassen von rund 5m2.
Bei Wandbild Nr. 1 und 2 befestigte die Künstlerin vor dem ersten Einsatz der Farbe eine grosse Zeichnung des Bildes mit allen Umrisslinien auf der Wand. Durch wieder verschliessbare Öffnungen übertrug sie die Zeichnung mit Kreide auf die Fassade. Das gab ihr für die Umsetzung Halt in den grossen Feldern von 170 x 220 respektive 250 x190 Zentimeter. Die niedrigeren und frontalen Situationen bei Wandbild Nr. 3 und Nr. 4 erlaubten die Übertragung der bearbeiteten Fotografien mit einem Rötel-Stift während einer nächtlichen Bildprojektion. Dies bedeutete eine willkommene Vereinfachung des Ablaufs.
Dann wurde bei Wandbild Nr. 1 der Himmel blau-grau, die Felsen erhielten Gestalt, die Rebstickel wurden zum vertikalen Muster, die Figur des Winzers mit der Schere trat in Erscheinung, struppige, fahlgrüne Gräser, bedeckten den Boden, abgeschnittene Ruten erzählten von der Tätigkeit des Rebbauern im Januar/Februar.
Auch bei Wandbild Nr. 2 begann die Künstlerin mit der kleinen Ecke himmelblau links oben, doch dann konzentrierte sie sich sogleich auf die Hauptfigur im Vordergrund, welche nicht nur die "Erzählung" des Bildes - die Laubarbeit an den Rebstöcken - sondern auch die Proportionen des Bildes bestimmt. Besondere Aufmerksamkeit widmete de Maddalena der Differenzierung der Farbe grün, die sie zwischen Licht und Schatten spielen lassen wollte, um die Lebendigkeit und den Facettenreichtum der Natur einzufangen. Den Gesamtklang nahm sie im Vergleich zur Fotografie etwas zurück, um die Integration des Bildes ins Dorfbild zu gewährleisten. Schliesslich gab die Künstlerin der anfänglich skizzenhaften Frauenfigur im Hintergrund ihre definitive Gestalt. Mit besonderer Spannung wurde 2020 der Abbau des Gerüsts erwartet, da sich erst danach das Bild als Ganzes zeigte.
Im Gegensatz zu den beiden bergwärts ausgerichteten Wandbildern Nr. 1 und Nr. 2 zeigt Nr.3 einen seewärts gerichteten Blick. Vom Chapfweg aus schaut man zugleich auf die beiden jungen mit dem Schneiden der Trauben beschäftigten Frauen und bereits Trauben hinauftragenden Brententräger wie auf den See mit der Petersinsel und dem Jolimont in der Ferne. Die Situation ist original, jedoch aus mehreren Fotografien zusammengesetzt, um eine Komposition zu generieren, die sich bildmässig in der Balance hält und - wie wir das gewohnt sind - von links nach rechts liest. Die Atmosphäre ist heiter, es ist Läset, die Pinot-Noir Trauben verheissen gute Wein-Qualität und das Wetter ist so wie es sich die Winzerinnen und Winzer wünschen. – Die in der Nacht der Projektion entstandene Rötel-Zeichnung weist der malenden Künstlerin den Weg. Auch diesmal beginnt sie mit dem Himmel - es ist als wäre ihr, um so richtig ins Bild zu kommen, ein "Dach" wichtig. Dann aber folgen am nächsten regenfreien Tag sogleich die Rebstöcke der ersten talwärts führenden Reihe auf der linken Seite. Es gilt, die noch grünen und die bereits gelb-rötlich verfärbten Blätter zu differenzieren und zu herbstlichem Leuchten zu bringen. Dann folgt sogleich die erste Figur. "Es ist mir wichtig, sogleich die Figuren zu setzen, denn sie sind die Träger*innen des Bildes", sagt Daniela de Maddalena mit dem Pinsel in der Hand. Die im schrägen Gelände stehende Frau mit weissem Cap und rotem Pullover schaut kurz auf, doch in ihren Händen sieht man die dunkelblauen Trauben, die sie demnächst ins bereit gestellte, gelbe Cachot legen wird. So wächst das Bild Stück um Stück von links nach rechts, nun holt die Malerin auch das steil zum See abfallende Ufer ins Bild, man sieht selbst die Jura Südfuss-Bahnlinie und in der Nähe schemenhaft das für den Abtransport der Trauben bereit stehende, blaue Auto. Fein ziselierte, grüne Pflanzen federn den Übergang von den Rebstöcken zum Boden ab. Für die Künstlerin sind sie als malerisches Element wichtig, wie sie sagt, die Winzer lieben sie gar nicht, denn es sind Neophyten, die sich nur zu sehr ausbreiten. Schliesslich ist jeder Quadratzentimeter im vorgesehenen Geviert Bild und nach einer kritischen Überarbeitung sagt Daniela de Maddalena: "Fertig".
Waren in den Wandbildern Nr. 1 bis Nr. 3 die Figuren die tragenden Elemente für die Kompositionen, so waren es bei Wandbild Nr. 4 vor allem die Gegenstände – Holz-, Stahlfässer, Harasse, Leiter – die sich zusammen mit den Figuren rhythmisch in den Raum einfügen mussten. Entsprechend begann die Künstlerin diesmal mitten im Bild und arbeitete sich von da an die Ränder vor und gab erst zuletzt den Figuren ihr Gesicht. Zu sehen ist eine erfahrene Twanner Winzerin, die im März den Geschmack und danach mit einem Schluck angehendem Pinot Noir im Mund den Fortschritt des Vinifizierungs-Prozesses prüft. Während der eine Neu-Winzer dem Stahl-Tank eine Probe entnimmt und der zweite mit einem Stab den Zustand des Weins im Barrique-Fass kontrolliert. Eine malerische Herausforderung für die Künstlerin war insbesondere die Referenzierung der Farben. Sie sollten sich differenzieren - insbesondere der Klötzli-Boden von der Möblierung und den Wänden - aber zugleich eine lebendige Einheit bilden. Wandbild Nr. 4 ist das erzählerischste der vier Rebjahr-Bilder - das hängt damit zusammen, dass es Tätigkeiten in einem Innenraum zeigt. Das erklärt zum Teil auch, dass es bei Passanten auf besondere Beachtung stösst. Man will wissen, was hier zu sehen ist. Während die drei vorausgegangenen Bilder leises, konzentriertes - im Herbst auch fröhliches - Schaffen inmitten des Rebbergs - das heisst in karger winterlicher, üppig sommerlicher, im Herbstlicht leuchtender Landschaft - zeigen.
GROSSER DANK
Das Redwy-Team dankt allen, die zum Gelingen von Teil I, II und III des Projektes "Wandbilder für Twann" beigetragen haben.
Das sind neben der Künstlerin und den im Text oben angeführten, institutionellen Geldgebern insbesondere auch die Gerüst-Sponsoren, namentlich die Baufirmen Alfred Hirt (2019), die Firma GLB (2020), die Firma RomanStalder GmbH (2021/2022). Dann aber auch die vielen privaten Sponsoren, die da sind: Gerhard Lengen, Restaurant Traube; Herrn und Frau O. u. St. Mörikofer-Zwez, Weinbau Cave Perrot, Weinbau Anne Claire Schott, W. u. S. Ballif, B. u. Chr. Engel, Weinbau, Ursi Angelrath, Weinbau Heinz Mürset, Martin Loevenich, P. u. C. Meier-Appolloni, Rita u. Peter Angelrath sowie weitere, die nicht genannt sein möchten.
Copyright für diesen Text: Annelise Zwez