Prof. Dr. Karina Pauls: Zur Malerei von Veronika Schweighart
Zeigt das Bild eine abstrahierte Blüte, vielleicht eine Sonnenblume oder ist es unser Blick, der immerzu nach Halt in vertrauten (gegenständlichen) Bildwelten sucht, der in dieses „Fest der Farben“ eine florale Darstellung hineindeuten will? Tatsächlich sehen wir ein Farbengewirr, in wilder Geste aufgetragen; einige Bleistiftlinien sind erkennbar, die möglicherweise den Anfang des bildnerischen Prozesses bildeten, aber ganz offensichtlich nicht als „Vorzeichnung“, die unter der Farbe verschwinden sollte, angelegt sind. Sie treten aus den Farbschichten hervor und wurden teilweise auf die Farbe gezeichnet; in ihnen spiegelt sich die Bewegungsspur des Pinsels wider. Der kreisende Pinselduktus ist an vielen Stellen deutlich erkennbar; nur in manchen Partien verdichtet er sich zu geschlossenen Farbflächen.
Es gibt ein „Zentrum“ in der rechten oberen Bildhälfte, in dem sich Bleistiftlinien und Farbspuren bündeln. Eine Akzentuierung durch ein leuchtendes Rot inmitten leuchtenden Gelbs lenkt den Blick zusätzlich auf diesen Punkt, der sich als Blütenmitte dem suchenden und deutenden Blick des Betrachters „anbietet“. Doch wo „endet“ diese vermeintliche Blütenform? Gehören die versprengten Farbfetzen, die sich über die ganze Bildfläche fortsetzen, noch dazu?
Betrachtet man den Farbauftrag näher, so ist diese gelbe Form die Aussparung einer Übermalung. Ein mit viel Weiß gemischtes Grün überdeckt – fast im Sinne eines „All-over“ – eine darunterliegende Schicht intensiver und gestisch aufgetragener Farben. Insbesondere das leuchtende Gelb bricht von unten durch das deckende und im Ausdruck viel zurückhaltendere Grün hindurch. An anderen Stellen sind es kleine Fetzen intensiver Farbigkeit, die sich den Weg an die Oberfläche bahnen bzw. sich nicht von der grünen Farbschicht bändigen lassen. Wenn man sich die Bilder von Veronika Schweighart anschaut, so finden sich immer wieder Anlehnungen an florale Formen; aber immer geht es in erster Linie um Malerei, um die Möglichkeiten der Farbe auf der Fläche und um Energie, die durch Farbe freigesetzt und durch ebendiese gebändigt wird. Auch wenn Formen Assoziationen von Blüten wecken, handelt es sich nicht um eine Malerei, in der die Farbe dem Bildgegenstand untergeordnet und seine Wirkung in den Dienst einer gegenständlichen Darstellung gestellt wird. Veronika Schweighart gibt der Farbe nicht nur ihren Raum, sondern durch die Wahl der Farbtöne und Farbmaterialien (wie z.B. Lacke) und einen gestischen Farbauftrag scheint die Farbe in „Ohne Titel, 2015-5“ zu explodieren. Sie wird in ihrer Wirkung gesteigert, bis sie auf eine Grenze wie den Bildrand trifft oder mit malerischen Mitteln wie den Übermalungen mit gebrochenen Farbtönen wieder eingefangen wird. Das Bild in dieser spannungsgeladenen Balance zu halten ist das künstlerische Feld, auf dem Veronika Schweighart sich bewegt und auf dem wir in einem Moment Erinnerungen an Florales begegnen – die sich aber im nächsten Moment schon wieder im Zusammenspiel der Farben auflösen.