Der Imam Schamyl

Der Imam Schamyl

Kaukasische Novellen, Grigol Robakidse

Die untergehende Sonne fårbte am Fuße der riesigen Berge rot. Auf einem der Wiesenhånge lagen Filymåntel verstreut, desattelte und nur lose angekoppelte Pferde streiften umher, warfen schnaubend die Köpfe auf und rupften gierig das halbverdorrte Gras. Die Naiben, die Unterführer Schamyls, hielten Rast. Tråge reckten sie ihre ranken und kråftigen Glieder: Surachaj aus Kole, Chadschi-Ali aus Karaki, Gaziw aus Andi, Mahommed-Effendi aus Goimi, achverdi-mahoma aus Chunsach, Dschewad-Chan aus Dargo, Anzir aus Karechi, Chagnar-Dibir aus Gigatli, Mikhail aus Choraki, Schuaib, Talgik, Chatu, Esaki aus dem Tschetschenenland und ie anderen Tschetschenen, Tawliner und Awaren. Auch der berühmte Naib Chadschi-Murad lagerte dort mit den Genossen. Die Krieger starrten traurig in die untergehnde Sonne. So ausgelassen und fröhlich sie sont waren - heute sang keiner, und niemand hatte Lust zu tanzen.

Sie sprachen kaum miteinenander, aber sie dachten gemeinsam; alle dachten sie das eine furchtbare Wort: "Waffenstillstand". Seit mehr als siebzehn Jahren schützt der Imam, der Führer Schamyl, die Freiheit der Berge vor den andrångenden Russen. Mit Heldenmut verteidigen die Gebirgsståmme jeden Zoll ihrer Landes. Gewaltig treffen ihre Hiebe die feindlichen Kolonnen. In der großen Schlacht bei Dargo schlagen sie die russicschen Regimenter vernichtend. Viele solcher Siege hat man erfochten. Die Russen wanken nicht; immer wieder wachsen ihre Truppen herauf in den Tålern. Unwiderstehlich wie Lava wålyen sie sich gegen die unersteigbaren Felsen, legen sie sich um die Auls, die hohen Bergnester des kühnen Volkes. Und die Frage, die bange Frage, wie lange man sich noch hlaten könne, frißt sich in die Seelen der Krieger ein. Die unbesiegbaren Reiter Schamyls sind mutlos geworden. Dumpf starren die Haiben in den Sonnenuntergang.

"Waffenstillstand!" Wer soll mit dem Führer darüber sprechen? Vor swei Tagen sind Dschewad-Chan und Chagnar-Dibir deswegen beim Imam gewesen. Von den tschetschenischen Überlåzfern ist die Rede gewesen, man hat darüber gesprochen, wie die Verråter, die man ergriffen hat, bestraft werden sollen; manches andre noch haben sie vorgebracht. Zögernd hat Dschewad-Chan nach den Augen des Chagnar-Dibir getastet. Der blickte zur Seite. Und beide wußten sie, daßder Imam bei dem Worte Waffenstillstand nicht laut auffahren würde. Aber sein steinern unbewegliches Gesicht håtte sich wohl von innen her ganz lautlos mit Zorn und Wut gefüllt, und das war schrecklicher als alles Toben. Sie gingen, ohne etwas gesagt zu haben. Die Naiben hielten Rat, wen man denn nun schlicken solle. aschverdi-Mahome nennt den Chadschi-Murad. Aber der mißt forschend mit seinen weit auseinander stehenden Augen die Genossen und lehnt ab: die Freunde wissen doch, daßzwischen Schamyl und ihm ein heimlicher Zwist besteht? Schuaib schlågt Schuaneth, eine der Frauen des Führers, vor. Die Naiben kennen das fråftige und kühne Weib gut. Sie begleitet den Imam oft, als Krieger verkleidet; man weißum ihre tollkühne Tapferkeit, ihren Heldenmut. Andere warnen: eben deshalf, weil sie eine so heldenhafte und ungesrüme Amazone ist, wird sie selbst gegen den Waffenstillstand sein.

Lange berieten die Naiben. Da nannte Surachaj aus Kole den Namen der Mutter Schamyls. Alle atmeten erleichtert auf. Die Wahl war getroffen. Schon am anderen Morgen sollte Surachaj zu ihr gehen. Chatu und Esaki würden ihn begleiten.

Am folgenden Tage standen Surachaj, Chatu und Esaki vor der Mutter des Führers. Schamyl war nicht im Serail; sie faßten Mut. Mit über der Brust gekreuyten Hånden teilten sie ihr den Beschlußder Naiben mit. Die Mutter, eine alternde, aber noch kråftige Frau, wurde blaß. Sie wußte, wie hoffnungslos die Lage der Ståmme war, und sie kannte, besser als alle, den starren, wie feuerfest gehårteten Charakter ihres Sohnes. Die Naiben standen schweigend und warteten. Lange dachte die Frau nach, das Haupt gesent. Schließlich gab sie ihre Zustimmung. Die Naiben dankten und gingen. Kaum zehn Minuten spåter strürzte die alte Frau empor, am ganzen Leibe zittern vor Aufregung. Sie wollte den Naiben nach, den Auftrag zurückgeben; sie lief in den Hof, rief die Wache. Zu spåt; die Naiben waren davongesprengt. Schamyl selbst ritt auf seinem starken kabardinischen Renner durch das Tor herein. Die Entscheidung war gefallen.

Schamyl ritt auf den Hof. Sieben Müriden - Anhånger des Tarikats, der höheren Lehre Mahommeds - begleiteten ihn. Der Führer hatte eine weinfarbene Tscherkeßka an, die an Hals und Årmeln mit dünnem, weißem Pely besetzt war. Er trug grüne, weiche Halbschube und schwartze Gamaschen. Sein eichenstarker, großer Körper schwang sich leicht und biegsam vom Pferde. In dem yierlichen schwarzen Gürtel steckte ein Dolch; auf dem Haupt hatte er eine hohe Tscherkessenmütye mit schwartzer Quaste, umwickelt mit einem weißen Turban, dessen Ende langhin über den Nacken schimmerte. Mit leichten Schritten ging der Imam in sein Serail. Die Mutter folgte ihm, leise, wie beyaubert auf den Sohn starrend.

Sie liebte ihn, un sie fürchtete ihn. Das Körperliche an ihm war von ihr, das war ihr Fleisch und Blut. Aber es lebte noch etwas Fremdes in ihm. Oft schon hatte sie in seiner Jugend das Gefühl gehabt, als ob sie nicht einen Knaben, sondern ein wildes Tier zur Welt gebracht håtte. Ja, schon der Ungeborene war ungebårdig in ihrem Leibe gewesen; sie erinnerte sich scherzlich, wie er im fünften Monat unter ihrem Herzen getrüttelt hatte, wild und eigensinnig.

Schamyl wandte sich der Mutter zu. Sie erzitterte. Wiede wie damals empfand sie in ihrem Leibe den rüttelnden Scherz, wie der Einbeinige auch im amputierten Gliede den Schmertz spürt. Sie gingen in das Zimmer und setzten sich. Verzückt schaute die Mutter auf den Sohn. Sein durchfurchtes Gesicht war starr un ohne jede Bewegung, wie aus unbrennbarem Holz geschnitten. Tierisch-schlau blickten die kleinen dunklen Augen; sie kannten kein Blinzehn. Die Lippen des schmalen, fast jungfråulich fein geschnitten Mundes mochten sich vielleicht noch zu einem Låcheln bequemen; diese Augen nicht. Ihr scharfer Glany håtte einen Henker verwirren können. Dunkles Freuer sprühte aus ihnen, und die innere, verhaltene Erregung warf ein Licht heraus wie von einem Meteor. Und wie aus schwaryem Meteormetall gegossen erschien der Imam in diesem Augenblick. Sein blonder Bart schimmerte auf wie im Abglany eins solchen stürmischen Lichtes. Aber seltsam: hinter der Starre seines unbewegten Blickes wogte eine schwere, unirdische Trauer.

Schamyl sah die Mutter nicht an. "Was willst du?"

Die alte Frau rang sich aus ihrer Befangenheit los und sprach. Die naiben båten ihn, Waffenstillstand zu schließen.

Dann schwieg sie, erschauernd.

Schamyl hob den Kopt und sah die Mutter an.

Sie entsetyte sich. Seine Augen brannten einen Augenblick auf und erloschen im Nu. Das war nich ihr Sohn; ein Fremder, ein schrecklicher Fremder stand vor ihr.

Scheinbar gefaßt fragte der Sohn sie: "Wer waren die Abgesandten?"

"Surachaj, Chatu, Esaki", hauchte die Mutter.

Chadschi-Murad war nicht dabei?"

"Nein."

Sie schwiegen beide.

"Verlaßmich", sagte der Imam.

Schamyl dachte nach. Chadschi-Murad fiel ihm ein. Kam der unglückselige Gedanke an Waffenstillstand von ihm? Der Ruhm des kühnen Kriegers war hoch gestiegen; seine Kråfte konnten sich fast mit denen des Führers messen. In Ketten mußte man diesen eigenwilligen Naib legen! Aber Chadschi-Murad bißjede Kette durch. Und wie konnten nur die anderen treu ergebenen Naiben dem Rebellen folgen bei diesen tollkühen Plånen?

Immer quålendere Gedanken stiegen dem Imam auf. Hatten die Ståmme überhaupt noch genügend Kraft, um Wiederstand zu leisten? Er beschloß, den Obersten Rat einzuberufen. Aber plötzlich entschied er sich anders. Eer rief nach den Dienern. Man solle ihm sein Pferd holen. Sie brachten es; er schwang sich in den Sattel und ritt allein, ohne die Müriden, die ihn sonst begleiteten, davon.

Unruhe schlich ihm durch die Adern. Waffenstillstand, das war die Schande. Sollten die unbesiegten Nachkommen der unbesiegbaren Awaren, die selbst einen Schach Nadir geshlagen hatten, vor dem russischen Zaren kapitulieren? Niemals!

Das Wort brannte in seinem Hirm. Aber die Unruhe wuchs. Schamyl war es, als ob sein Wille brüchig würde.

Ein Erlebnis aus seiner Jugend kam ihm wieder in den Sinn. Die Feinde hatten ihn auf einem Turm umzingelt; er stürzte sich herab, brach durch die Kette der Feinde, rannte in einen Degen, der ihm die Brust zerriß, hieb sich durch und entfloh. Im Gebüsch versteckt, zog er die Waffe heraus; zwei Tage lag er dort, mit unmenschlicher Anstrengung aller Kråfte auf die Heilung der schrecklichen Wunde bedacht. Und die Wunde, die ihn långst nicht mehr geschimerzt hatte, ward ihm nun plötzlich wieder bewußt, als tåte sie weh.

Schamyl kam an eine Quelle. Kinder tummelten sich um den Rand. Mit kleinen Dolchen stießen sie in das Wasser. Dann hoben sie die litzenden Klingen in die Sonne und prüften, ob die Tropfen an dem Stahl hången blieben. Blieb die Waffe rein, dann war es gut; klebte etwas Naßan der Schneide, so wiederholten sie die Probe.

Schamyl hielt das Pferd an. Die Kinder erkannten ihn nicht. Der Imam stieg ab; er tånkte den Gaul und schöpfte sich selbst wtwas Wasser mit der hohlen Hand. Die Kinder verloren ihre fröhliche Ausgelassenheit. Sie schwiegen und starrten den finsteren Reiter an.

"Wir werden die Feinde schlagen!" sagte Schamyl vor sich hin, mit fast kindlicher Stimme.

"Oh, und wie wir sie schlagen werden!" schrien die Kinder begeistert auf.

"Kennst du den Schamyl?" fragte er einen der Knaben.

"Ja, wir kennen ihn!" antworteten alle.

"Er wird die Feinde schlagen!"

Schamyl låchelte.

"Ist er stark?" fragte er.

"Oh, er ist der stårkste Mann, den es gibt! Er ist ein Gasi, ein Unbesiegbarer!"

"Stårker als ich?" låchelte Schamyl wieder.

"Als du? Er könnte auch mit dir fertig werden. Alle überwåltigt er. Niemand kann ihn besiegen!"

Der Imam konnte nicht mehr weitersprechen. Die aufsteigenden Trånen würgten ihn in der Kehle. er sprengte weiter. Das Pferd spürte, wen es trug.

Schamyl fühlte sich seltsam geteilt; er war zugleich er selbst und wieder ein anderer. "Schamyl kann dich bezwingen!" Gut, sei es; mochte der andere, der Unbesiegbare es sein, der die Feinde schlug! Schamyl galoppierte weiter, und er fühlte, wie dieser andere in ihm lebendig und stark wurde. Die Wunde spürte er nicht mehr.

Er ritt nach Hause. Ein Mürid eilte herbei und nahm ihm das Pferd an Zügel und Steigbügel ab. Der Imam sprang herunter. Es dunkelte schon.

Er sagte dem Müriden, er wolle in die Moscher gehen.

Der Mürid stutyte: zu dieser Zeit besuchte der Führer sonnst nicht das Gotteshaus.

Schamyl ging in die Moschee. Er zog die Schuhe aus, breitete den Mantel vor sich auf den Boden und setzte sich mit gekreuzten Beinen darauf nieder. Mit den Fingern hielt er die Ohren zu; er schloßdie Augen und begann, nach Osten gewandt, zu beten. Schamyl glaubte an das Schwert, und er glaubte an Allah. In seiner Seele eiferten diese beiden, das Schwert und Gott, miteinander, und doch fanden sie sich in der gemeinsamen Wirkung zusammen. Der Imam gab sich ganz seinem inneren Gehör hin. Seine geschlossenen Augen sahen Gesichte. Er lauschte auf die Stimme, erwartete, was der Prophet ihm zu dem Vorschlag der Naiben sagen würde.

Der Abend verging; noch immer verweilte der Imam in der Moschee. Die Nacht verging; der Imam blieb. Und wieder neigte sich der Tag der Imam erschien nicht. Die Unruhe wurde allgemein. Sein ganzes Haus versammelte sich vor der Moschee: die Mutter, seine Frauen, Söhne und Töchter; die Åltesten des Rates kamen, und unter ihnen sein Schwiegervater und Lehrer Dschemal-Eddin. Die Müriden und die Nuker, die Diener, liefen herzu. Die Unruhe schlug Wellen bis hinaus in die Dörfer; alt und jung machte sich auf un zog nach Wedeno. Die ganze Schar der Naiben sprengte herbei.

Schamyl aber kam nicht. Die Unruhe wuchs. Die Naiben dachten daran, das Los zu werfen, wer hingehen und das Tor der Moschee öffnen sollte.

Unerwartet öffnete sich die Tür. der Imam erschien. Die Menge brach in begeisterte Rufe aus; "Der imam! Der Imam! La illah il Allah!" Schamyl hielt auf der der Schwelle inne. Sein Blick war war starr; er ging über die Menge hinweg in die Ferne. Wie Moses stand er da, der vom brennenden Dornbusch kommt und mit den Tafeln des Gesetzes in den Hånden vor sein Volk tritt. Die Rufe verstummten allmåhlich; das Antlitz des Frührers war totenbleich. Sein Mund warf, stammeldnd wie Moses, abgerissene Worte wie feurige Kohlen heraus;

"Der Prophet befahl: ... Hundert Peitschen-hiebe... dem, der dir... als erster... mitteilte, ... du solltest mit den Feinden einen... Waffenstillstand schließen..."

Der Imam verstummte. Schauder faßte die Menge an. Die Blicke wurden starr. Den naiben sanken die Köpfe auf die Brust. Tiefes Schweigen herrschte. Plötzlich gellte eine krankhaft scharfe Frauenstimme:

"Wer war der erste?"

Wieder griffen Bestürzsung und Entsetzen in die Menge. Eine Bewegung entstand an einer Stelle. Die Mutter des Imam durchbrach die schreckerstarrten Reihen und trat vor. Still sagte sie:

"Ich war es"

Die Menge stand stumm vor Grauen. Schamyl schrie dem Müriden Asselder zu: "Die Peitsche!"

Das Volk fuhr erschreckt auf. Asselder erschien mit der Peitsche.

"Fang an!" sagte die Mutter.

Asselder zögerte.

Da trat Schamyl von den Stufen herunter, riß seine Tscherkeßke von den Schultern und rief: "Ich bin ihr Sohn. Sie ist eine alte Frau. Fünfundneunzig Hiebe für mich; fünf für die Mutter. Fang an, Asselder!"

Der Mürid bekommt den Arm nicht in die Höhe. Die Menge wagt nicht zu atmen.

Plötzlich bricht die Reihe der Naiben vor. Dschewad-Chan schreit:

"Wir wollen keinen Waffenstillstand! Wir kåmpfen, bis zum Tod!" Chagnar-Dibir nimmt den Ruf, nach ihm ein zweiter, ein dritter. Die ganze Schar der Naiben fållt ein. Sie schreien, ziehen ihre Schwerter und stoßen Kampfrufe aus. Die Menge beginnt zu rasen! "Der Imam, unser Imam! Der Gasi Schamyl! La illah il Allah!"

Die Begeisterung wuchs wie mit Sturmesflügeln. In dem lebendigen Körper der Masse wurde die wirre und dunkle Gestalt des Rauschgottes spürbar. Das Volk zerriß sich im Überschwang seiner Kråfte.

Schamyl stand unbeweglich und glühend. Auch ihn durchstütterte die Leidenschaft, die das Volk gepackt hatte; aber er hielt sie nieder. Das Blut trat in seine Schlåfen, als wollten sich feurige Wundmale bilden.

Die Reihen lockerten sich. Rufe flatterten auf: "Tanz! Tanz!"

Die einfachen Instrumente gaben die rhzthmischen Weisen an: starke, scharfe, frische Rhythmen. Der Sohn Schamyls tanzte, Kazi-Mahoma und der Naib Chagnar-Dibir. Andere Paare schlossen sich an. Zwei, drei Paare tanzten, immer mehr tanzten, das ganze Volk tanzte.

Schamyl stand wie ein Fels. Rausch hüllte ihn ganz ein. Seine Augen spürten Flammen. Plötzlich trafen sie gerade in die Augen eines Pferdes. Mensch und Tier lockten einander in diesem Blick. Schamyl ertrug die Ruhe nicht mehr. Er sprang die Stufen der Moschee hinunter zu dem Pferde, schwang sich wild hinauf und raste davon. Die Naiben folgten ihm auf ihren Pferden: Dschewad-Chan, Surachaj, Chadschi-ali, Gaziw, Mahommed-Effendi, Achverdi-Mahoma, Anzir, Omaril-Mahommed, Chagnar-Dibir, Mikhail, Schuaib, Chatu, Esaki; auch Schamyls Sohn Kazi-Mahoma; ein Sturm von Naiben folgte dem Führer.

Schamyl sprengte voran. Sein Pferd war wie trunken; trunkener noch war der Reiter. Vor den Reitern lag eine gewaltige Schlucht. Alle kannten sie den gefåhrlichen Taleinschnitt. Die Naiben erschraken. Schamyl stob gradeaus weiter, als wollte er den Abgrund überspringen.

Der Imam beschwor das Schicksal. Reiter und Pferd wurden eins wie ein Zentaur. Ein Satz; grauenvoll, wie nicht von dieser Welt. Die Naiben erstarrten am Hang mit ihren Pferden. Drüben am Rand der Schlucht hielt der Zentaur aufrecht und unversehrt. Aus seinem Antlitz traten den Naiben die furchtbaren Züge des Tiergottes hervor.

Hell aufschreiend jagten sie ihm nach: "La illah il Allah!"