Engelsmission von Lia
Weihnachten stand vor der Tür, in den Läden wurden Schokoweihnachtsmänner und Lebkuchen verkauft.
Wie immer war alles etwas vorhersehbar, es war immer dasselbe. „14,90 € macht das dann bitte, Mam." Ich blickte auf und nahm das kleine Päckchen vom Band und reichte der Frau 15,00 €. „Passt so! Schönen Tag noch und frohe Weihnachten!", sagte ich abwesend. „Frohe Weihnachten!", die Antwort der Kassiererin klang wie ein auswendig gelernter Satz. Was war nur passiert, dass Weihnachten für mich nicht mehr war, was es mal gewesen ist? Lag es an meinem Alter oder einfach an dieser ständigen Routine, dass das Einzige, was mir in der Weihnachtszeit wirklich Freude machte, die Türchen des Adventskalenders waren. Mit meinen Fingern fuhr ich über das Kästchen, in dem sich eine silberne Kette mit einem Anhänger in Form eines Weihnachtssterns befand. Ich hatte sie für meine kleine Schwester gekauft. Sie glaubte noch an Weihnachten und das Christkind. Für sie waren die Plätzchen, die wir gebacken hatten, noch etwas Besonderes. Plötzlich stieß ich mit einem Mädchen in einem Engelskostüm zusammen. „Oh, sorry!
Schönes Kostüm und frohe Weihnachten!", sagte ich und versuchte an dem Mädchen vorbeizugehen, aber sie versuchte mich aufzuhalten. „Ich habe dich gesucht. Was bin ich froh, dass ich dich endlich gefunden habe! Sonst hätten sie mich aus dem Himmel geworfen.", sagte das Mädchen und strahlte übers ganze Gesicht. Ich verdrehte die Augen und dachte bei mir: „was ist das denn für ein Freak, ist die aus der Irrenanstalt ausgebrochen?" Das konnte ich natürlich so nicht sagen, deshalb antwortete ich nur kurz angebunden: „Klar, weil ich deine besondere Mission bin! Ist klar. Sorry, aber ich muss jetzt echt nach Hause." Ich ging mit zügigen Schritten weiter. Plötzlich landete das Mädchen vor mir und ihre Flügel falteten sich zusammen. „Heilige Sch..., was war das denn, haben sie das gesehen?", fragte ich eine ältere Dame, die neben mir stand und deutete dabei auf das Mädchen mit dem Engelskostüm. Die Dame blickte mich verständnislos an. „Ist bei ihnen alles in Ordnung? Da müssen sie sich etwas eingebildet haben.", sagte sie und ging kopfschüttelnd weg. War ich jetzt komplett durchgedreht? Ich blickte der Frau panisch hinterher und dann, nur um mich zu vergewissern, ob es noch immer da war, wieder zu dem Mädchen.
Dieses schien zu bemerken, dass ich komplett durcheinander war, und sagte: „Nur du kannst mich sehen du Dummerchen. Aber ich hoffe, dass du mir jetzt glaubst, dass ich ein echter Engel bin. Denn es hängt so ziemlich alles daran, dass ich dir den Geist der Weihnacht wieder näher bringe." Sie nahm meine Hand und zog mich aus dem Einkaufszentrum. In dem Moment war ich der festen Überzeugung, den Verstand verloren zu haben.