Durchlässigkeit des Handgelenks
Durchlässigkeit des Handgelenks
Über Durchlässigkeit des Handgelenks und von anderem
„Durchlässigkeit“ wird in der Literatur (Peter Feuchtwanger „Klavierübungen“, Elgin Roth „Klavierspiel und Körperbewusstsein“) assoziiert mit Flexibilität, freier Beweglichkeit, Elastizität, Nachgiebigkeit, Geschmeidigkeit, Balance, Koordination, Schwingung und Eutonie. Eutonie ist bei Roth in einer Fußnote definiert als Muskelspannung zwischen Hyper- (Verkrampfung) und Hypotonie (Schlaffheit). Meine Definition von Eutonie ist die Muskelspannung, in der die Muskulatur bereit ist, jede Bewegung mitzumachen, wenn dies muskelelastisch induziert wird, wodurch ein angenehmes Gefühl entsteht, da hierbei mit minimalem Aufwand die Durchblutung gesteigert wird.
Durchlässigkeit bedeutet frei bewegliche Gelenke, etwa während Peters Ellipse.
Vor allem und zunächst bezogen auf das Handgelenk darf dabei
kein Körpergewicht auf der Tastatur oder Tastenboden abgelegt sein, da dies zu starren Gelenken führt.
Ebenso dürfen Hand und Finger nicht - mit oder ohne Berührung der Tasten - in Schwebe gehalten sein, oder
dürfen die Hand nicht einfach am Handgelenk herunterhängen.
Worauf es ankommt: Sobald das eine Teilgewicht der Hand vom Unterarm getragenwird und das andere Teilgewicht über die Finger auf den noch unbewegten Tasten abgelegt wird, zeigt sich, dass
das Handgelenk in allen ihm möglichen Richtung passiv frei beweglich ist;
der Spielapparat von Schulter über Oberarm, Ellbogen, Unterarm und Hand bis zu den Fingerspitzen ganz einfach elliptisch schwingungsfähig wird;
schließlich der ganze Oberkörper und die Atmung mitschwingen können. (s. Video 1)
*Wofür es wichtig ist: Diese Durchlässigkeit ist Vorausgesetzung für die muskelelastische Auslösung von Tastenbewegungen (entdeckt 2019, s. FKS 2022). Daraus ist mein Konzept des gewichtslosen Spiels) entstanden. Weiterhin sind vorausgesetzt Eutonus und Intentionsaktivität, ausgelöst von aktivem „inneren Hören“ und der Atmung (Peters Beschreibung von Clara Haskils Spiel: „Das hängende Handgelenk, alles von den Fingern gesteuert, die vollkommene Leichtigkeit, auch vom Musikalischen her, das war mein Ideal. Wenn sie in London war, ist sie zu mir üben gekommen. Und dabei habe ich erkannt: So muss man Klavier spielen. Die innere Ruhe und das Nichtvorbereiten. Das Anfangen einfach mit dem Atem nur aus der mentalen, aber nie aus der physischen Vorbereitung heraus.“).
Es folgen drei Übungen zum Thema durchlässiges Handgelenk: Die erste - von Peter - hat mir Kim Chi überliefert. Zwei sind ohne Tonbildung, aber mit Tastenbewegungen. Die dritte - mit Tonbildung - zeigt bei durchlässigen Fingern die muskelelastisch ausgelöste Tastenbewegung. Videos sind zugänglich mit
https://e.pcloud.link/publink/show?code=kZ9gp9Zz060tyu3DYkSAKwA1RNJafLXxknV.
Von Peter: Unterarm hängt mit halbem Gewicht an den Tasten. Finger 2 bis 5 halten abgeflacht in Neutralposition die Tasten unten. Handgelenk steht und bleibt tief. Gewicht wird langsam reduziert, bis sich die Tasten gehoben haben. Ein kleines Teilgewicht des Unterarmes liegt auf den Tasten. Das Handgelenk ist weder frei noch durchlässig.
Von mir: Unterarm hängt mit durchlässigen, elastisch gebogenen Fingern 2 bis 5 an den niedergedrückten Tasten. Das Handgelenk steht tief und ist noch wenig durchlässig. Gewicht wird langsam reduziert, wodurch das Handgelenk und die Finger durchlässig werden, bis sich die Tasten gehoben haben. Ein Teilgewicht der Hand liegt auf den Tasten.
Abgeflachte Finger enthalten in sich eine Spannung beim Halten der Tasten(ungünstiges Drehmoment). Elastisch gebeugte Finger sind beim Halten der Tasten weitestgehend spannungsfrei. Lässt die Beugung nach, hebt sich die Taste, die Stoßzunge rutscht fühlbar unter die Rolle, und man kann den Ton repetieren. – Ein Wechsel der beiden stabilen Zustände geht mit einem leichten Schnappen einher (Schnappscharnier), wodurch der Spielapparat ins Schwingen gerät. Eine Finger-Ellipse entsteht mit Hand-, Ellbogen- und Schultergelenken, die in jeder Richtung frei beweglich und durchlässig sind (horizontal, vertikal, sagittal, rotierend).
Von mir: aus Klavierübung 1 weiterentwickelt
Intentionsaktivität: intensivierter Kontakt des elastisch-gebeugten Fingers mit der Taste. Elastische Spannung auf der Beugeseite vom Mittelglied bei Finger-Ellipse.
Intentionsbewegung: wie a. mit Tastenbewegung bis vor den Auslösepunkt ohne Ton. Beim Lösen nimmt die Beugung ab, Finger wird von Taste gehoben. Aktive, elastisch ausgelöste Beugung und Lösung werden auf Mittelglied-Beugeseite gefühlt.
Tonbildung: wie b. mit schneller Tastenbewegung, Auslösepunkt wird überwunden, deutliche Beugung im Finger (, sodass ggf. ein Vorfinger molto legato von Taste gelöst wird.) Mehrfach wird erst bei unten gehaltener Taste, dann mit bewegter Taste der Finger jeweils mit Schnappbewegung abgeflacht und wieder gebeugt. Muskuläre Spannung, Aktivität und Entspannung werden im Mittelglied gefühlt. Beim anschließenden Lösen der Taste nimmt die Beugung im Finger ab, Finger wird von Taste gehoben, bis die Stoßzunge unter die Rolle rutscht, Wiederholung der Tonbildung, endgültiges Lösen durch nachfolgenden Finger.
Die Funktion des Schnappscharniers im Endgelenk habe ich in diesem Jahr (2024) entdeckt. Dahinter steckt erstens die Entdeckung der Beugeelastizität des Fingers bei minimaler Halteaktivität (2015, Taste auf dem Tastenboden mit etwa 35 g), was auch für Peter gültig war (2016). Zweitens die Entdeckung, dass noch unbekannte Muskulatur in den Fingern selbst sich muskelelastisch stimulieren lässt (sicherlich bei Pianisten etwas Übliches, wenn auch selten etwas Bekanntes – s. Gerig, R. 1973). Drittens die Entdeckung, dass dieselbe Muskel-Gelenk-Ansatz-Einheit das Endgelenk entweder beugt oder streckt je nach Ausgangsstellung; Übung 3 scheint ein besonders guter Anreiz zur Muskelentwicklung zu sein. Die erste bewusste Wahrnehmung dieser Aktivierung ist eine enorm gesteigerte Durchblutung in diesem Bereich. – Auch Peter konnte das Endglied separat beugen, wie Manfred Seewann in Waldkirch zitierte und demonstrierte (2024). Ideal wäre es, wenn es auch bei gespreizten Fingern und ohne Mitbewegung eines anderen Fingers möglich ist.
Die Schnappscharnierfunktion gilt auch für den Daumen. Genau hierzu hatte Peter 2015 in Feuchtwangen auf einer unten liegenden weißen Taste die schnelle Hin- und Herbewegung im Daumenendgelenk ausprobiert (ohne Tastenbewegung). Es war abhängig von der leichten Winkelabwiechung von der Senkrechten in beide Richtungen. Ich konnte mir damals keinen Reim daraus machen. Aber das Daumenendglied kann somit je nach Winkel sowohl den Daumenübersatz als auch den Daumenuntersatz ausführen. Es lässt sich mit Klavierübung 14 bewusst ausführen und erklärt per se die Notwendigkeit der Ellipse (eigentlich: Ellipsoid als räumliches Gebilde).
Das Training durch die muskelelastische Auslösung der Tastenbewegung erlaubt es, allmählich die einzelnen Bewegungsabläufe innerhalb der Mechanik nachzuspüren sowohl beim aktiven Absenken als auch beim passiven Heben der Taste (Stoßzunge, Dämpfer, (2022)). Es entsteht im Rahmen der spezifischen, muskulären Entwicklung: Ein stärkerer Muskel bleibt weich und geschmeidig für dieselbe Leistung, wogegen ein schwächerer Muskel eine feste Anspannung benötigt.
*Energieübertragung von Masse Hand auf Masse Spielmechanik, bei f mit 5-fachem Gewichtsäquivalent am Auslösepunkt