THEMENBLOCK I: Warum strafen wir?

Prof. em. Dr. Sebastian Scheerer (Universität Hamburg)

GROßE GEFÄNGNISSE, KLEINE GEFÄNGNISSE UND KEINE GEFÄNGNISSE - Vortrag

Do. 24. Oktober 2019 17.30 Uhr | Institut für Psychologie - Städtisches Kaufhaus (Aufgang D) Z005

Millionen von Menschen befinden sich weltweit unter oft inhumanen Bedingungen in Haft. Das darf und muss zwar nicht so sein, wird aber von Politik, Justiz und Gesellschaft trotzdem weitgehend ungefragt so hingenommen. Eine bemerkenswerte Initiative aus Belgien will das ändern und plädiert für die Ersetzung traditioneller Strafanstalten durch kleine Hafthäuser mitten in Wohngebieten. Vielleicht ginge es aber sogar ganz ohne die Freiheitsstrafe - oder ohne Strafen?

Sebastian Scheerer ist Kriminologe und Soziologe und seit 1988 Professor für Kriminologie an der Universität Hamburg – inzwischen als Emeritus. Er gehört zu den bedeutendsten Vordenkern des Abolitionismus in Deutschland.

THEMENBLOCK II: Die gutachterliche Praxis als Schnittstelle zwischen Justiz und Psychologie

Prof. Dr. Diethelm Klesczewski (Universität Leipzig) & Manon Weßler (Berlin)

GUTACHTERTLICHE PRAXIS | Zwischen normativen Setzungen und empirischer Psychologie - Dialog

Di. 5. November 2019 17.00 Uhr | Hörsaalgebäude HS 8

Die gutachterliche Praxis kann als Schnittstelle zwischen Rechts- und psychologischen Wissenschaften betrachtet werden. Trotz stetiger Bemühungen um gemeinsame Klassifikationssysteme bleibt, etwa bei den Persönlichkeitsstörungen, die Schwierigkeit einer hinlänglich eindeutigen qualitativen Diagnose der „seelischen Abartigkeit“ gem. § 20 StGB, in Abgrenzung zu lediglich auffälligen Charakterprägungen, die als „Varianten der Normalität“ bestehen. Darüber hinaus scheinen sich schon die Begrifflichkeiten zu unterscheiden. Doch was ist Stand der Wissenschaft? In welchem Verhältnis stehen psychologische Schuldfähigkeitsbegutachtungen und rechtliche Gutachten zueinander?

Die Veranstaltung lädt zu einem interdisziplinären Dialog ein, bei dem Manon Wessler, Fachpsychologin für Rechtspsychologie und Prof. Dr. Diethelm Klesczewski, Straf- und Rechtsphilosophieprofessor der Universität Leipzig, einen Einblick in ihre Berufserfahrungen gewähren und aktuelle Problemfelder beleuchten.

THEMENBLOCK III: GEFÄNGNIS IM KAPITALISMUS

13th (USA, 2016) - Dokumentation

Di. 12. November 2019 18.00 Uhr | Hörsaalgebäude HS 8

Ava DuVernays außergewöhnliche Dokumentation ist angelehnt an den 13. Zusatzartikel zur Verfassung der USA, in dem es heißt: „Weder Sklaverei noch Zwangsdienstbarkeit darf, außer als Strafe für ein Verbrechen … in den Vereinigten Staaten … bestehen.“ Mit beeindruckender Klarheit legt DuVernay den Übergang von der Strafarbeit zur Massenkriminalisierung und der aus den Nähten platzenden Gefängnisindustrie in den USA dar. Mit Archivaufnahmen und Zeug*innenaussagen einer Vielzahl von Aktivist*innen, Politiker*innen, Historiker*innen und ehemaligen Gefängnisinsass*innen beleuchtet DuVernay die Schnittstelle von Gerechtigkeit, Race und Massenhaft in den USA.

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=K6IXQbXPO3I

Regie: Ava DuVernay, Drehbuch: Ava DuVernay & Spencer Averick, Länge: 100 Minuten, Sprache: Englisch mit deutschen Untertiteln

Marco Bras dos Santos (GG/BO Soligruppe Leipzig)

GEFANGENEN-GEWERKSCHAFT/BUNDESWEITE ORGANISATION - Vortrag

Do. 14. November 2019 18.00 Uhr | Institut für Psychologie - Städtisches Kaufhaus (Aufgang D) Z005

Kein Mindestlohn, keine Rentenversicherung, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kein Kündigungsschutz, kein „Hartz IV“ für Beschäftigungslose in der Haft – das ist die Realität des bundesdeutschen Strafvollzugs für Inhaftierte. Die Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation stellt die soziale Frage hinter Gittern und setzt dieser sozial- und arbeitsrechtlichen Diskriminierung ihre Forderung entgegen: Einbeziehung der inhaftierten Beschäftigten in den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn und in die komplette Sozialversicherungspflicht, Abschaffung der Arbeitspflicht, Aufstockung des Taschengeldsatzes und vor allem volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern. Der Vortrag stellt die GG/BO vor und geht anhand der Arbeitsweise der Soligruppe Leipzig in die Praxis.

Referent ist Marco Bras dos Santos, ehemaliger Sprecher der GG/BO.


THEMENBLOCK IV: Ein Blick hinter die Mauern

JUSTIZVOLLZUGSANSTALT LEIPZIG - Exkursion

17. Januar 2020

Die Justizvollzugsanstalt, im abgeschiedenen Meusdorf gelegen, schreckt zunächst mit ihren meterhohen Mauern ab. Doch was befindet sich hinter ihnen? Wie sieht der Alltag eines Häftlings aus? Nach einer etwa einstündigen Führung wird es die Möglichkeit geben, mit Akteur*innen des Strafvollzuges ins Gespräch zu kommen.

Ansprechpartner ist Rolf Jacob, Anstaltsleiter und Jurist.

ST. GEORG KLINIKUM FÜR FORENSISCHE PSYCHIATRIE - Exkursion

Fr. 22. November 2019 12.00 Uhr - 16.00 Uhr

Die Mitarbeiter*innen der forensischen Psychiatrie „St. Georg Klinikum“ im Norden Leipzigs haben es sich zur Aufgabe gemacht „Patienten zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Suchtmittel und Straftaten zu führen“. Doch mit welchen Behandlungsansätzen lassen sich Drogen- und Kriminaldelikte langfristig vorbeugen? Wie sieht der Alltag einer*s Patienti*en aus? Nach der Führung wird es ein Kurzreferat geben. Danach besteht die Möglichkeit, in einer offenen Gesprächsrunde Fragen zu stellen.

Ansprechpartner ist Heinrich Jansen, Chefarzt und Psychiater.

ANMELDESCHLUSS: 15. November 2019.

THEMENBLOCK V: Ein Plädoyer für eine Reform des Strafvollzugs

Dr. Thomas Galli

ENDSTATION KNAST | Ein Gefängnisdirektor packt aus - Lesung

Do. 28. November 2019 18.00 Uhr | Paulinum Felix-Klein-Hörsaal

Jeder zweite Straftäter wird rückfällig. Für den ehemaligen Gefängnisleiter Thomas Galli liegen die Gründe hierfür klar auf der Hand: Ein System, das nur auf Wegsperren ausgerichtet ist, leistet keine Rehabilitation. Das verdeutlichen auch die neun authentischen Fälle, die im Mittelpunkt seines Buches stehen. Vom Mehrfachmörder, der jede Therapie ablehnt, über den Schläger, der sich im Gefängnis einem Clan anschließt und immer tiefer in die Kriminalität abrutscht, bis hin zum Geiselnehmer, der seine Entlassung verweigert, weil er sich ein Leben in Freiheit nicht mehr vorstellen kann, zeigt Galli die Grenzen des deutschen Strafvollzugs auf und fordert: Die Institution Gefängnis muss grundlegend reformiert werden.

Thomas Galli studierte Rechtswissenschaften, Kriminologie und Psychologie und war von 2001 bis 2016 in leitenden Positionen in der bayrischen und sächsischen Justiz tätig, zuletzt als Leiter zweier Justizvollzugsanstalten. Während dieser Zeit entwickelte er zunehmend Zweifel an dem System des Strafvollzugs und legte seine dortige Tätigkeit letztlich nieder. Seitdem schreibt er als Autor über seine Erfahrungen und Überzeugungen (Die Schwere der Schuld, 2016; Die Gefährlichkeit des Täters, 2017; Endstation Knast, 2019) und fordert medienwirksam eine Reform des Strafvollzugs in seiner jetzigen Form.

THEMENBLOCK VI: Jenseits der Mauern

SEEHAUS LEIPZIG E.V. - Exkursion

Mi. 4. Dezember 2019 13.30 Uhr - 17.15 Uhr

Im Seehaus Leipzig, einem „Vollzug in freien Formen“, leben jeweils 5-7 strafgefangene junge Männer in zwei Wohngemeinschaften mit Hauseltern und deren Kindern zusammen. Weitere Mitarbeiter*innen und ihre Angehörigen wohnen im Rahmen der Lebens- und Dienstgemeinschaft auf dem Gelände. Durch das gemeinsame Leben, Arbeiten und soziales Training im Seehaus werden die jungen Männer zu Verantwortungsübernahme und konstruktiver Teilnahme an der Gesellschaft ermutigt – die jungen Männer finden Entfaltungsmöglichkeiten und Lebenswege ohne weitere Straftaten. Im Rahmen einer Seehausführung wollen wir Konzept und Gelände kennenlernen.

Ansprechpartner ist Franz Steinert, Hausvater und Zuständiger für Öffentlichkeitsarbeit im Seehaus Leipzig.

ANMELDESCHLUSS: 20. November 2019.

OFFENES TREFFEN

Mi. 18. Dezember 2019 18.00 Uhr | Institut für Psychologie - Städtisches Kaufhaus (Aufgang D) Z001

Beim offenen Treffen würden wir gerne noch einmal für alle Interessierten einen Rahmen bieten, gemeinsam ins Gespräch zu kommen. Dabei soll es einerseits darum gehen, die einzelnen Veranstaltungen zu reflektieren, Zusammenhänge herzustellen und eventuelle offene Punkte zu identifizieren. Andererseits wollen wir überlegen, ob und wie wir an diesem Themenkomplex weiterarbeiten wollen und können. Dafür wollen wir die AG öffnen und allen Interessierten die Möglichkeit bieten, sich zu vernetzen und die gemeinsame Weiterarbeit nach ihren Vorstellungen zu gestalten.

Wir als AG Gefängniskritik werden die Organisation und Moderation des Abends übernehmen, möchten aber inhaltlich so offen wie möglich auf eure Impulse reagieren. Insofern, kommt zahlreich vorbei und bringt euch ein! Wir freuen uns auf euch!