Speed-Dating
Gastbeitrag von Lars Greiling
Gastbeitrag von Lars Greiling
Flash Fiction zum Thema Speed-Dating
Wieder diese Veranstaltung verzweifelter Singles.
Mia hatte heute wieder die Abendschicht im Lokal. Steve, der Besitzer vom “Wein Eck”, hatte vor zwei Monaten mit der Umsetzung des Speed Datings angefangen. Das war nun erst die dritte Veranstaltung dieser Art, jedoch konnte Mia schon die Gäste und deren Erfolgsaussichten beim Eintreten erkennen.
Die Tür wird geöffnet und ein Mann Mitte Dreissig tritt ein. Billiger Anzug, Hemd und Krawatte nicht ganz sauber, die noch vorhandenen Haare leicht ölig und ein nervöses Lächeln auf den Lippen. Das ist doch wieder diese Mike. Die ersten zwei Mal ging er allein. Aber wieder ist er so ungepflegt. Konnte er nicht duschen, bevor er nach Liebe ausschau halten geht?
Weitere Gäste treffen ein: zwei Freundinnen, die sich wohl hauptsächlich amüsieren wollen; ein typischer Macho, bei dem sie wetten konnte, dass er mit mindestens einer gehen wird; ein verzweifelter Nerd mit dicker Brille, übergewichtig und sehr unsicher…
Mia verliert die Tür aus den Augen, da die ankommenden Gäste ja auch alle Getränke wünschen. Mindestverzehr. So kommt Steve auf den Umsatz, denkt sie. Und es bleibt ja nicht bei einem Getränk. Entweder, weil ein gutes Gespräch zum längeren Verweilen einlädt oder, was häufiger vorkommt, nichts zustande kommt.
Ein lautes Glockenläuten startet die erste Runde ein. Die Menschen strömen mit ihren Getränken zu den Tischen und so bilden sich Paare. Bei jedem weiteren Klingen wandert der Mann einen Tisch weiter. So startet also das Schachern…
Die Männer wechseln brav, manche Gespräche wirken sehr hölzern, einzelne durchaus fröhlich und ein Pärchen ist schon nach der zweiten Runde aus dem Lokal gegangen.
Wieder machtsie eine Runde und nimmt die Bestellungen entgegen. Mike bestellt heute schon den dritten Weisswein. Es scheint nicht gut zu laufen. Sonst trinkt er maximal zwei den Abend über.
Er unterhält sich gerade mit einer Hausfrau, die nach Mias Meinung viel zu alt für ihn ist. Er könnte doch sicher etwas Besseres finden.
Verstohlen mustert sie die Frau am Tisch. Sie wirkt wie kurz vor 40 und ist auffällig stark geschminkt, die Hände sehen alt aus, aber nicht so, als hätten sie je richtig anpacken müssen. Eine typische, sitzen gelassene Hausfrau. Nie mehr als Haushalt machen müssen. Ob so etwas auch für Mia gehen würde? Ob sie sich dabei wohl fühlen würde? Sie glaubt es nicht. Sie ist selbstständig und braucht niemanden.
Sie schreckt zusammen, als der Macho ihr auf die Schulter tippt. “Hey Süsse. Bist du auch für das Dating hier?”
Was für eine dumme Anmache. Sie steht da mit dem leeren Tablett in der Hand und sicher nicht ganz ohne Grund mit einer Schürze um die Hüften.
“Wenn nicht, dann bring mir doch endlich mal mein Bier. Und den zwei schönen Frauen ...” Und er wendet sich wieder den zwei Freundinnen zu. Sie kichern und bestellen zwei Cocktails.
Da hatte Mia mal wieder Recht gehabt, was die Konstellation angeht.
Und so ein Doppeldate ist gar nicht erlaubt. Natürlich macht da Steve wieder nichts gegen. Die drei am Tisch lachen und kichern. Da läutet die Glocke wieder. Alle einen Tisch weiter.
Und wie Mia es befürchtet hatte, bleibt der Macho bei den zweien sitzen. Mike steht etwas verloren daneben. Bei seiner vorherigen Gesprächspartnerin sitzt nun ein junger Student, der sich höflich, aber deutlich nicht interessiert mit ihr unterhält.
Er steht da so einsam und verlassen. Und er traut sich natürlich nicht, den Macho wegzuschicken. Sie fasst sich ein Herz und nähert sich ihm. “Mike, dann überspring doch den Tisch und gehe gleich weiter zum nächsten.” Und sie weist auf den Tisch bei einer jungen Frau, die allein an einem Tisch sitzt.
Verdutzt, fast schon erschreckt schaut er sie an. “Woher wissen Sie, wie ich heisse?”
Mia lächelt nur verlegen. “Sie waren doch schon ein paar mal hier. Und den Namen kann man man sich doch gut merken.”
Nein, Mia. NICHT ROT WERDEN. Warum musste sie sich darauf sogar konzentrieren? Dieser Mike ist doch gar nicht ihr Typ. Fast schon zu alt, bei weitem kein schöner Mann und überhaupt. Sie hat noch nie auf der Arbeit irgendwie geflirtet.