2007 - Atomforschung

02.05.2007 -  Dem Radical SR3 wurde die deutsche Straßenzulassung recht schnell wieder entzogen (er ist auf öffentlichen Straßen eh kaum zu bewegen). Dafür bekam ein Wagen diese Zulassung, bei dem ich nicht damit gerechnet hatte: der Ariel Atom 2. In der englischen Sendung "Top Gear" bewegt Jeremy Clarkson so ein Gerät und flippt völlig aus. Der anonyme Rennfahrer "The Stig" fährt auf der Teststrecke die gleiche Rundenzeit wie mit einem Ferrari Enzo und Porsche GT! 300 PS bei einem Fahrzeuggewicht von 456 kg sind absoluter Wahnsinn! Am 02.05.2007 fuhr ich mit einem Atom 2 mit 245 PS über die Nürburgring-Nordschleife und das war ziemlich krass!

Ich bin ja in den letzten Jahren so einiges gefahren, was ordentlich Dampf hat. Neben den zwei Ferrari (Mondial mit 300 PS und 355 Spider mit 380 PS), zwei Radical SR3 (205 und 252 PS) und u.a. auch einen Porsche 996 Turbo mit 420 PS. Das beeindruckendste Fahrerlebnis war jedoch nach wie vor das Rotax-Rennkart mit 28 PS. Bis heute...

Nun mag sich zunächst manch einer fragen, warum "schlappe" 28 PS beeindruckender sein sollen als die 420 PS des Porsche Turbo. Das Zauberwort heißt Leistungsgewicht und meint die Masse, die 1 PS Motorleistung zu bewegen hat. Die 420 Gäule des Porsche haben stolze 1550 kg zu bewegen. Das macht also ein Leistungsgewicht von 3,7 kg/PS. Für ein Alltagsauto nicht schlecht, für einen Rennwagen aber katastrophal. Noch schlechter sieht es bei den Ferrari aus: der 355 Spider mit 3,75 kg/PS und der Mondial mit 5,0 kg/PS sind sportliche Autos, kein Zweifel. Mit Rennwagen haben sie aber soviel zu tun wie Dieter Bohlen mit guter Musik. Die Radical waren da schon deutlich besser: in der Version mit 252 PS liegt das Leistungsgewicht bei 2,1 kg/PS und damit in der Nähe eines Rennkarts. Anders formuliert: der Porsche müsste fast 800 PS haben, um das gleiche Leistungsgewicht wie ein Radical SR3 zu erzielen!

Die Sache mit den 3 Sekunden von 0 auf 100 km/h hat mir seit der Fahrt mit dem Rennkart keine Ruhe mehr gelassen. Es muss doch ein Auto geben, dass solch ein Fahrgefühl vermittelt und für die deutsche Strasse zugelassen ist und nicht solch utopische Summen kostet wie ein Ferrari Enzo oder Porsche GT! Die Radical haben zwar das Kart-Fahrgefühl, aber nur 3cm Bodenfreiheit, man kann sie nicht alleine starten und nach 30 Betriebsstunden muss der ganze Motor generalüberholt werden! Außerdem gibt es keine deutsche Straßenzulassung mehr (zu Recht, wie ich mittlerweile aus genannten Gründen zugeben muss).

Die gängigen Alternativen, die jetzt an jedem Autostammtisch gepriesen würden (je nachdem wer was fährt) sind schnell abgehakt: Opel Speedster, Lotus Elise, Caterham und wie sie alle heißen sind mir schlicht zu gewöhnlich (im Falle des Caterham auch zu hässlich). Das Leistungsgewicht ist bei einigen Kandidaten mit Sicherheit interessant, aber es sind und bleiben Autos, die man auf jedem Aldi-Parkplatz sehen kann. Ich kann mich einfach nicht dafür begeistern.

Genug der Vorgeschichte: seit ich in der britischen Autosendung "Top Gear" gesehen habe, wie Jeremy Clarkson einen Ariel Atom fährt und dabei schier ausrastet wusste ich: dieses Auto musst Du fahren. Heute war es soweit.

Bereits im Herbst letzten Jahres hatte ich mit Steffen Queck, dem deutschen Importeur von Ariel in Zwickau telefoniert um einen Termin auszumachen. Damals hieß es, im Frühjahr sind wir auf dem Nürburgring. Grand-Prix-Kurs, dachte ich. Wie mit dem Radical. Aber Pustekuchen: die Nordschleife war angesagt und das mit einem Fahrer, der da noch nie gefahren ist! Ich hatte wirklich Bedenken, aber die Neugier war dann doch zu groß und so machte mein Verstand "winke, winke" und ich bin unter Abschaltung jeglicher Vernunft in dieses Höllengerät geklettert. Im Gegensatz zur "Top Gear"-Version mit 300 PS hatte dieser hier "nur" 245 PS, aber bei einem Leergewicht von 456 kg! Bevor jetzt jemand seinen Taschenrechner bemüht: 1,86 kg / PS. Erfurchtgebietend. Respekteinflößend. Wie sich das wohl anfühlt...

Nachdem ich mich so gut es ging in der Kunststoffsitzschale (leicht und preiswert!) festgegurtet hatte, ging es zur Nordschleifenzufahrt. Kurz angehalten, Streckenposten nickt, auf die mit Pylonen abgesteckte Ausfahrt. Und dann hab ich mich erschreckt wie bei einem Blitz, der keine 50 Meter neben mir einschlägt: der Atom explodiert förmlich nach vorne! Und das bei jedem verdammten Gangwechsel, die fast im Sekundentakt erfolgen! Jedes Mal haut es einen mit brachialer Gewalt nach vorne / in die Sitzschale als gäbe es kein Morgen mehr. Der Tacho war abgeklemmt, aber ich schätze nach rund 3 Sekunden waren wir auf 100, keine 3 Sekunden später auf 160. Dann mussten wir abbremsen, weil andere Wagen die Strecke "blockierten" und ich war sogar froh darüber! Heiligs Blechle, ich hab den Gral gefunden! Die Suche ist beendet. Denn auch in den Kurven kommt absolutes Kart-Feeling auf. Die Bremsen packen ordentlich zu, müssen aber vorsichtig dosiert werden (nix ABS, ESP oder all das Zeug was einfach nur schwer ist), alle Verantwortung liegt beim Fahrer. Und das ist gut so!

Ich will kein Auto das bei jeder Gelegenheit piept und zu Bill Gates "Papa" sagt. Ich will ein ehrliches Auto, das reagiert wie ein Teil von mir und dessen Leistung nicht für jeden ersichtlich, aber jederzeit abrufbar ist. Einen Exoten, den kaum jemand einordnen kann und der doch jeden üblichen Sportwagen in dessen Paradedisziplinen stehen lässt: Beschleunigung und Handling. Höchstgeschwindigkeit ist für mich völlig uninteressant: wer ist denn in der Lage, die 400 km/h eines Bugatti Veyron auszufahren? Lächerlich. Ich bin mit dem Ferrari 355 Spider knapp 300 km/h gefahren. Der Spaßfaktor war ziemlich begrenzt, es war eher anstrengend, weil man sich bei diesem Tempo fast ausschließlich darauf konzentrieren muss, was die anderen machen. Die knapp 240 km/h im Atom sind so schnell, dass es einem fast den Helm vom Kopf reißt. Schon bei 200 denkt man: es reicht. Das Auto ist für Kurven gebaut, nicht für langweilige Autobahn-Geradeaus-Bolzerei. Das kann jeder Idiot (und die meisten Idioten machen es auch).

Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt ist auch die Wartungsfreundlichkeit des Atom: der Motor ist ein Honda aus dem Civic Type R. Großserientechnik: zuverlässig und wartungsarm! Ab und zu Öl nachfüllen, fertig. Kein Stress mit komplizierter Renntechnik, wo ein Fachmann ständig parat stehen muss, damit das Ding überhaupt anspringt. Eine normale Honda-Vertragswerkstatt kann an dem Auto alles machen. Sollte es zu einem Unfall kommen, bei dem sich das Chassis verzieht: die unbeschädigten Einzelkomponenten können an einem Tag komplett in ein neues Chassis eingebaut werden!

Der Wagen ist es. Da bin ich mir zumindest heute, Stand 02.05.2007, sicher. Egal was noch kommt, der Atom ist das Limit, wenn es um bezahlbaren Leichtbau und Fahrspaß mit Straßenzulassung geht. Mehr geht nicht.

> Weitere Bilder