In 2. Mose 4:24-26 lesen wir:
Und es geschah auf dem Weg, in der Herberge, da trat der HERR ihm entgegen und wollte ihn töten. Da nahm Zippora einen scharfen Stein, schnitt ihrem Sohn die Vorhaut ab, berührte [damit] seine Füße und sagte: Wahrhaftig, du bist mir ein Blutbräutigam! Da ließ er von ihm ab. Damals sagte sie «Blutbräutigam» wegen der Beschneidung.
Dieser Abschnitt gehört zu den schwer verständlichen Texten der Bibel. Vieles darin können wir auf Anhieb nicht richtig verstehen, und man fragt sich zurecht, was der HERR uns mit diesem Text sagen möchte. Dieser Bericht wirft beispielsweise folgende Fragen auf:
Wie kommt Gott dazu, Mose zu beauftragen, nach Ägypten zu gehen, und kaum macht er sich auf den Weg, scheint es, als wolle Gott ihn töten? Irgendwie trübt das unser Gottesbild!
Woher wusste Zippora, dass dieser Vorgang etwas mit der Beschneidung ihres Sohnes zu tun hatte, sodass sie in aller Eile ihren Sohn beschnitt?
Laut 1. Mose 17:10-12 war die Beschneidung jedes männlichen Nachkommen von Abraham im Alter von acht Tagen ein Zeichen für den Bund, den Gott mit Abraham schloss. Dieses Bundeszeichen war Gott sehr wichtig. Auch die Midianiter, von denen Zippora abstammte, waren Nachkommen Abrahams (1. Mose 25:1-2). Man weiß jedoch, dass die meisten nichtisraelitischen Nachkommen Abrahams im Laufe der Zeit eine andere Beschneidungstradition einführten. So schreibt beispielsweise der Kommentar der Cambridge Bible:
Bei den Arabern wird die Beschneidung bei Jungen unterschiedlichen Alters an verschiedenen Orten zwischen 3 und 15 Jahren durchgeführt. In vielen Teilen der Welt wird sie jedoch bei Jugendlichen kurz vor der Pubertät vorgenommen. Eine so weit verbreitete Praxis muss auf einem gemeinsamen Prinzip beruhen. Die Idee, die der Beschneidung im Allgemeinen zugrunde zu liegen scheint, ist, dass es sich um einen Initiationsritus in die Männlichkeit handelt. Ein Jugendlicher gilt bis zur Beschneidung nicht als vollwertiges Mitglied des Stammes und darf (wie zum Beispiel in Australien) nicht heiraten.
Zippora schien genau gewusst zu haben, dass die Israeliten ihre Jungen im Alter von acht Tagen beschneiden sollten. (Nebenbei bemerkt: Man hat herausgefunden, dass die Blutgerinnung und das Schmerzempfinden am achten Tag bei Jungen am geringsten sind.) Vermutlich hat sich Zippora ursprünglich deshalb gegen die Beschneidung ihres Sohnes gewehrt, weil es entweder nicht ihrer Kultur entsprach oder weil sie diese Handlung an einem Säugling als grausam empfand.
Mose sollte nicht nur das Volk Israel aus Ägypten führen, sondern diesem großen Volk auch ein Gesetz übermitteln, das es ihm erst ermöglichen würde, als Volk zu überleben. Im Gesetz war die Beschneidung eine sehr wichtige Sache, und so konnte es natürlich nicht sein, dass Mose als Gesetzesvermittler einen unbeschnittenen Sohn hatte.
Als der HERR den Anschein gab, Mose zu töten, wusste Zippora sofort, was zu tun war. Sie wollte ihren Mann behalten und war bereit, das zu tun, was der HERR erwartete. Es war natürlich nie wirklich die Absicht Gottes, seinen Knecht Mose zu töten!
Aus neutestamentlicher Sicht hat die Beschneidung vor allem eine symbolische Bedeutung. Sie ist eine Darstellung davon, dass wir unser altes, egoistisches Ich-Wesen abstreifen sollen, damit wir ganz aus der Liebe leben können. Schon im Alten Testament wird ersichtlich, dass die Beschneidung des Herzens das eigentlich Entscheidende ist (5Mo 10:16 / 5Mo 30:6).