Auf der Taizé-Website finden wir unter „Bibel und Glauben“ einen Text mit dem Titel:
Was bringt es, zu glauben, wenn Gott in jedem Menschen gegenwärtig ist?
Wir haben uns mit diesem Text beschäftigt und wollen ihn ins Licht der Bibel stellen. Auch wenn die Aussagen darin für uns nicht immer leicht verständlich waren, müssen wir aus der folgenden Fragestellung dennoch schließen, dass die Taizé-Gemeinschaft davon ausgeht, Gott sei in jedem Menschen gegenwärtig, auch in Menschen, die nicht an Ihn glauben:
Wenn wir Gott in uns haben und alles bereits gegeben scheint, wozu kann dann noch der Glaube dienen?
Als Begründung für die Annahme, dass jeder Mensch Gott in sich habe, finden wir in dem Text lediglich folgenden Gedanken:
Gemäß der Bibel gibt Gott dem Menschen einen Lebensatem und in diesem Atem kann Gott gegenwärtig sein (vgl. Genesis 2). Lebensatem und Geist sind im Hebräischen ein und dasselbe Wort.
Wir finden hier eine der typischen unklaren Formulierungen, die uns immer wieder in Taizé-Texten begegnet sind: „in diesem Atem kann Gott gegenwärtig sein”. Kann er es oder ist er gegenwärtig? Was ist hier mit Gegenwart gemeint? Ist sie an Bedingungen geknüpft oder ganz unabhängig von der Einstellung des Menschen Gott gegenüber? …
Im “Brief aus Kenia 2009” finden wir die Ansicht der Taizé-Gemeinschaft allerdings klar formuliert:
Ja, Gott ist in jedem von uns gegenwärtig, ob wir Glaubende sind oder nicht. (...) Seit der Auferstehung Christi (...) ist uns der Atem Gottes, der Heilige Geist, für immer gegeben.
Schauen wir, welche Schlüsse wir tatsächlich aus der angeführten Bibelstelle ziehen können:
Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen. 1. Mose (Genesis) 2,7
Aus dieser Stelle kann nicht entnommen werden, dass Gott im Lebensatem gegenwärtig ist. Das hier verwendete hebräische Wort neshamah kann mit Atem oder Lebenshauch übersetzt werden. Der göttliche Hauch ist im Alten Testament ein Bild für das, was allen Lebewesen Lebenskraft gibt, auch den Tieren. So heißt es in der Geschichte über die Sintflut:
Da kam alles Fleisch um, das sich auf der Erde regte, alles an Vögeln und an Vieh und an Tieren und an allem Gewimmel, das auf der Erde wimmelte, und alle Menschen; alles starb, in dessen Nase ein Hauch von Lebensodem war, von allem, was auf dem trockenen Land lebte. 1. Mose 7,21-22
Man kann 1. Mose 2,7 auch so verstehen, dass neshamah für den menschlichen Geist steht, den Gott dem Menschen bei der Schöpfung gibt. Der menschliche Geist ist aber kein „göttlicher Funke“1, kein Teil Gottes, sondern ein Teil des menschlichen Wesens. Durch ihn wird der Mensch fähig zu einer Beziehung mit Gott, fähig zu lieben, zu freier Willensentscheidung, und damit verantwortlich für sein Tun. In diesem Sinne ist der Mensch Gott ähnlich (vgl. 1. Mose 1,27: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild“). Er ist Gottes Abbild, aber das heißt noch nicht, dass Gott in ihm wohnt.
Wenn in der Bibel von der Gegenwart Gottes im Menschen gesprochen wird, dann geht es darum, dass zwischen dem konkreten Menschen und Gott eine Beziehung besteht. Beide haben sich zu dieser Beziehung entschieden. Gott will den Menschen in seiner Güte durch seinen Heiligen Geist leiten, ihm aus der Ausweglosigkeit den rechten Weg weisen, ihm in der Verzagtheit Hoffnung geben und Vergebung dem, der unter seiner Sündenschuld leidet. Der Mensch seinerseits öffnet sich für die Führung Gottes und vertraut sich Ihm an in Freude, Leid und Schuld.
Wir möchten hier einige Stellen aus der Heiligen Schrift zitieren, die deutlich machen, dass die Gegenwart Gottes im Menschen eine entsprechende Herzenshaltung voraussetzt.
In Johannes 14,15-17 und 23-24 finden wir folgende Worte Jesu:
Wenn ihr mich liebt, so werdet ihr meine Gebote halten; und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit, den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht noch ihn kennt. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein (…) Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen. Wer mich nicht liebt, hält meine Worte nicht; und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein, sondern des Vaters, der mich gesandt hat.
Die Liebe zu Jesus, die Bereitschaft, seine Gebote zu halten, ist die Voraussetzung dafür, dass Gott (der Vater, der Sohn und der Heilige Geist) in einem Menschen Wohnung nehmen kann. Wohl wirkt Gott auch im Leben von Menschen, die noch auf der Suche sind. Aber eine Beziehung entsteht erst, wenn auch der Mensch sich dafür entscheidet; wenn er Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all seiner Kraft lieben will (siehe Markus 12,28-34).
Am Vorabend seines Todes betete Jesus für seine Jünger und für alle, die durch ihr Wort an ihn glauben. Er bezeichnet sie als solche, die der Vater ihm gegeben hat. Nur mit denen, die Ihm und seinem Wort Vertrauen schenken und ihr Leben danach ausrichten, ist er in tiefer Einheit verbunden. In ihnen lebt die Liebe des Vaters und Er selbst. Nur sie sind es auch, die ihn in seiner Herrlichkeit schauen werden. Wir zitieren den letzten Teil dieses Gebets:
Aber nicht für diese [die Jünger] allein bitte ich, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben, damit sie alle eins seien, wie du, Vater, in mir und ich in dir, dass auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, dass sie eins seien, wie wir eins sind - ich in ihnen und du in mir -, dass sie in eins vollendet seien, damit die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, wie du mich geliebt hast. Vater, ich will, dass die, welche du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, damit sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast, denn du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt. Gerechter Vater! Und die Welt hat dich nicht erkannt; ich aber habe dich erkannt, und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, womit du mich geliebt hast, in ihnen sei und ich in ihnen. Johannes 17,20-26
Petrus erklärte in seiner Pfingstpredigt den Juden in Jerusalem, dass sie Buße tun müssen, um nicht verloren zu gehen und um den Heiligen Geist empfangen zu können, durch den Gott in uns Menschen gegenwärtig sein will. Er sagte:
Das ganze Haus Israel wisse nun zuverlässig, dass Gott ihn sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht hat, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt. Als sie aber das hörten, drang es ihnen durchs Herz, und sie sprachen zu Petrus und den anderen Aposteln: Was sollen wir tun, ihr Brüder? Petrus aber sprach zu ihnen: Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden! Und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen. Apostelgeschichte 2,36-38
Auch als Petrus und die Apostel sich vor den Anklagen der jüdischen Führer verteidigen mussten, brachten sie ihre Überzeugung klar zum Ausdruck, dass Gott seinen Heiligen Geist nur denen gibt, die ihm gehorsam sind:
Petrus und die Apostel aber antworteten und sprachen: Man muss Gott mehr gehorchen als Menschen. Der Gott unserer Väter hat Jesus auferweckt, den ihr ermordet habt, indem ihr ihn ans Holz hängtet. Diesen hat Gott durch seine Rechte zum Führer und Retter erhöht, um Israel Buße und Vergebung der Sünden zu geben. Und wir sind Zeugen von diesen Dingen und der Heilige Geist, den Gott denen gegeben hat, die ihm gehorchen. Apostelgeschichte 5,29-32
Sehr klar wird auch in Römer 8,8-9, dass nicht jeder Mensch den Geist Gottes hat:
Die aber, die im Fleisch sind, können Gott nicht gefallen. Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist, wenn wirklich Gottes Geist in euch wohnt. Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.
Den Geist Christi haben nur diejenigen, die sich in ihren Entscheidungen von ihm leiten lassen wollen. Wer das nicht will, ist “im Fleisch”, d. h. er folgt seinen eigenen egoistischen Wünschen und Vorstellungen vom Leben.
Die Bibel spricht also davon, dass Gott nur in Menschen wohnt, die ihm gehorsam sein wollen. Aus der Schrift wird ebenso klar, dass die Sünde, die ein Mensch festhalten und nicht sehen oder bereuen will, ihn von Gott trennt. Lassen wir wieder das Wort Gottes reden:
Fern ist der HERR von den Gottlosen, aber das Gebet der Gerechten hört er. Sprüche 15,29
Siehe, die Hand des HERRN ist nicht zu kurz, um zu retten, und sein Ohr nicht zu schwer, um zu hören; sondern eure Vergehen sind es, die eine Scheidung gemacht haben zwischen euch und eurem Gott, und eure Sünden haben sein Angesicht vor euch verhüllt, dass er nicht hört. Denn eure Hände sind mit Blut befleckt und eure Finger mit Sündenschuld. Eure Lippen reden Lüge, eure Zunge murmelt Verkehrtheit. Niemand lädt vor in Gerechtigkeit, und niemand tritt vor Gericht in Wahrhaftigkeit. Sondern bei euch gilt dies: Auf Leeres vertrauen, Gehaltloses reden, mit Mühsal schwanger gehn, Unrecht zeugen! Jesaja 59,1-4
Auch Jesus spricht sehr klare Worte darüber, wer zu ihm gehört und in Ewigkeit bei ihm sein wird:
Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr!, wird in das Reich der Himmel hineinkommen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist. Viele werden an jenem Tage zu mir sagen: Herr, Herr! Haben wir nicht durch deinen Namen geweissagt und durch deinen Namen Dämonen ausgetrieben und durch deinen Namen viele Wunderwerke getan? Und dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch niemals gekannt. Weicht von mir, ihr Übeltäter! Matthäus 7,21-23
Im ersten Brief von Johannes lesen wir folgende Worte:
Das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkünden: Gott ist Licht und keine Finsternis ist in ihm. Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und doch in der Finsternis leben, lügen wir und tun nicht die Wahrheit. 1. Johannesbrief 1,5-6
Die Bibel kennt nur zwei Wege: entweder wandelt ein Mensch im Licht oder er wandelt in der Finsternis. Das Leben im Licht heißt, dass wir die Sünden ans Licht bringen und davon umkehren, damit Jesus uns davon reinigt. In der Finsternis zu wandeln bedeutet, in der Sünde zu leben und von ihr verblendet zu sein. Wenn ein solcher Mensch behauptet, mit Gott in Gemeinschaft zu sein, betrügt er sich selbst und lebt in einer Lebenslüge. In Matthäus 7,22 sagte Jesus voraus, dass es leider viele solche Menschen geben wird.
Paulus sprach in Athen folgendermaßen über die Nähe Gottes:
Er hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen, damit es die ganze Erde bewohne. Er hat für sie bestimmte Zeiten und die Grenzen ihrer Wohnsitze festgesetzt. Sie sollten Gott suchen, ob sie ihn ertasten und finden könnten; denn keinem von uns ist er fern. Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir, wie auch einige von euren Dichtern gesagt haben: Wir sind von seiner Art. Da wir also von Gottes Art sind, dürfen wir nicht meinen, das Göttliche sei wie ein goldenes oder silbernes oder steinernes Gebilde menschlicher Kunst und Erfindung. Gott, der über die Zeiten der Unwissenheit hinweg gesehen hat, lässt jetzt den Menschen verkünden, dass überall alle umkehren sollen. Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird ... Apostelgeschichte 17,26-31
Als Paulus nach Athen kam, sah er die Stadt voller Götzenbilder. In seiner Predigt möchte er seinen Zuhörern aufzeigen, dass Gott allgegenwärtiger Geist ist, der alles geschaffen hat und in dem allein alles Bestand hat (“in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir”) - wir in Ihm, nicht Er in uns.
Die Worte “Wir sind von seiner Art” zitiert Paulus von Aratos, einem Dichter aus Zilizien (3. Jh. v. Chr.). Darin sieht er eine Parallele zu 1. Mose 1,27 - der Mensch als Abbild Gottes - und schließt daraus, dass Gott kein “Gebilde menschlicher Kunst” sein kann, denn auch der Mensch ist nicht ein Stück leblose Materie.
Paulus spricht zu den Athenern auch von der Notwendigkeit der Umkehr, um Gott nahe zu sein, und vom Gericht. Von der Taizé-Gemeinschaft wird hingegen beides kaum oder gar nicht erwähnt.
Schon der Prophet Jesaja rief dazu auf, Gott zu suchen und drückt auch aus, dass es ein Zu-Spät für die Umkehr geben kann:
Sucht den HERRN, während er sich finden lässt! Ruft ihn an, während er nahe ist. Der Gottlose verlasse seinen Weg und der Mann der Bosheit seine Gedanken! Und er kehre um zu dem HERRN, so wird er sich über ihn erbarmen, und zu unserem Gott, denn er ist reich an Vergebung! Jesaja 55, 6.7
Gott hat jeden von uns aus Liebe geschaffen. Er ist nicht weit weg, für uns unerreichbar, denn sein Wunsch ist es, eine Beziehung mit jedem Menschen zu haben. Er lässt sich finden, wenn wir ihn suchen, denn “keinem von uns ist er fern”. “Nicht fern“ ist aber etwas anderes als „in uns“. Wenn Gott sowieso im Menschen wäre, warum müsste man Ihn dann suchen?
Jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes. Ein Kind Gottes jedoch wird der Mensch nur, wenn er Gott sucht und Jesus glaubt.
Er war in der Welt, und die Welt wurde durch ihn, und die Welt kannte ihn nicht. Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht an; so viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben; die nicht aus Geblüt, auch nicht aus dem Willen des Fleisches, auch nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Johannes 1,11-13
Weil der Glaube einen Menschen zum Kind Gottes macht, wird deutlich, dass Glaube etwas mit Beziehung zu tun hat. Es geht nicht um ein theoretisches Fürwahrhalten, sondern um das Vertrauen gegenüber Gott, wie es ein Kind seinem guten Vater gegenüber hat.
Die Sehnsucht nach Sinn und tiefer Beziehung ist jedem Menschen gegeben als Hilfe, Gott zu suchen, in dem allein die Erfüllung dieser Sehnsucht zu finden ist. Glaube, wie ihn die Bibel beschreibt, beginnt aber erst da, wo der Mensch Gott demütig als Herrn anerkennt, und diesem liebenden Herrn sein Leben auch ganz praktisch anvertraut, d. h. ihm gehorchen will.
Im Urtext des Neuen Testaments wird für Glauben das griechische Wort pistis verwendet, das auch Vertrauen, Treue und Zuverlässigkeit bedeutet. Auch daraus ist erkennbar, dass die Schreiber und Leser der neutestamentlichen Schriften viel mehr damit verbanden als eine mehr oder weniger theoretische Überzeugung. Durch den Glauben wohnt Christus im Herzen des Glaubenden:
Er gebe euch nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, mit Kraft gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inneren Menschen; dass der Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in Liebe gewurzelt und gegründet seid … Epheser 3,16-17
Aus dieser Stelle wird klar, dass Gott nicht in jedem Menschen gegenwärtig ist. Die Taizé-Gemeinschaft lehrt hingegen, er sei in Gläubigen und Ungläubigen gegenwärtig. Der Geist Gottes wohnt aber nur in seinen Kindern und befähigt sie zum Gehorsam:
So sind wir nun, Brüder, nicht dem Fleisch Schuldner, um nach dem Fleisch zu leben; denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben, wenn ihr aber durch den Geist die Handlungen des Leibes tötet, so werdet ihr leben. Denn so viele durch den Geist Gottes geleitet werden, die sind Söhne Gottes. Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wieder zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater! Der Geist selbst bezeugt zusammen mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Wenn aber Kinder, so auch Erben, Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir wirklich mitleiden, damit wir auch mitverherrlicht werden. Römer 8,12-17
Mit dem Ausdruck „Gott im Menschen“ ist in der Bibel immer eine Beziehung gemeint. Die Taizé-Gemeinschaft versteht es aber als eine Gegenwart Gottes in jedem Menschen, die sich allein aus der Tatsache der Schöpfung ergibt und von der Einstellung oder dem Willen des Menschen unabhängig ist. Daraus ergeben sich verschiedene Konsequenzen:
Die Botschaft Christi wird praktisch zerstört. Denn er kam zu uns Menschen, um uns zur Umkehr zu rufen, damit wir uns mit Gott versöhnen und nicht auf ewig verloren gehen. Jesus hat niemals etwas in diese Richtung gesagt, dass der Mensch nur noch “Ja” sagen muss zu Gottes Gegenwart, der bereits in ihm ist. Er betont, so wie auch die ganze Schrift, dass der Mensch sich von seinen Sünden abwenden muss, wenn er nicht von Gott getrennt bleiben will. In der Taizé-Lehre hingegen wird die Sünde nicht als etwas gesehen, was die Beziehung mit Gott zerstört.
Die Taizé-Lehre gibt den Menschen eine unbegründete und falsche Sicherheit. Wenn jemand ihre Texte liest, kann er sich leicht beruhigt und getröstet fühlen, auch wenn er in Sünden lebt. Menschen mögen diese Beruhigung. In den Taizé-Texten werden dafür oft Stellen zitiert, die aus dem Zusammenhang gerissen sind, wobei das “Negative” aus der Botschaft der Bibel beinahe völlig ausgelassen wird.
Ähnliches gab es zur Zeit des Propheten Jeremia. Er deckte die falschen Propheten, die kurz vor der Katastrophe das Volk Israel beruhigten, statt es zur Umkehr aufzurufen, mit folgenden Worten auf:
Wie könnt ihr sagen: Wir sind weise, und das Gesetz des HERRN ist bei uns? In der Tat! Siehe, zur Lüge hat es der Lügengriffel der Schriftgelehrten gemacht. (...) vom Propheten bis zum Priester üben sie alle Falschheit. Und den Bruch der Tochter meines Volkes heilen sie oberflächlich, indem sie sagen: Friede, Friede! - und da ist doch kein Friede. Jeremia 8,8.10f
Das Verständnis von Gottes Heiligkeit und die Ehrfurcht vor Ihm geht verloren, wenn man meint, er sei selbst in bösen Menschen gegenwärtig, also auch in Mördern, Kinderschändern, Ehebrechern, Lügnern, Habgierigen, Götzendienern etc. Siehe dazu 1.Korinther 6,9-11.
Nach der Beschreibung der Taizé-Bruderschaft erscheint der Umgang Gottes mit dem Menschen wie eine Inbesitznahme, die nicht des Wissens und der Zustimmung des Menschen bedarf. Z. B. schrieb Roger Schütz über Jesus: “Er ist so unauflösbar mit dem Menschen verbunden, dass er in ihm wohnt, selbst wenn dieser es nicht weiß.” (zitiert aus dem Buch “Taize - ein gemeinsames Leben”, S.7). Es widerspräche aber sowohl der Liebe Gottes als auch der Würde des Menschen, wenn Gott sich Menschen “aufdrängen” würde, die das nicht wollen. Gott nimmt jeden Menschen mit seinen Lebensentscheidungen ernst und respektiert den freien Willen, den er jedem gegeben hat. Kein Mensch, der das nicht von Herzen will, wird in ewiger Gemeinschaft mit Ihm leben.
Im Taize-Brief aus Kenia steht: “Durch Christi Kommen, Tod und Auferstehung, wird der Geist ‘unbegrenzt’ (Johannes 3,34) gegeben. Seither wirkt der Atem Gottes beständig in der Menschheit, damit sie eines Tages in Christus einen einzigen Leib bildet.” - Das klingt zwar schön, aber dahinter steht nicht die Wahrheit der Heiligen Schrift, sondern ein Wunschdenken, das die Menschen in die Irre führt. Der “Leib Christi” ist nicht die ganze Menschheit, sondern die Gemeinde der Heiligen, die Gemeinschaft derer, die ihn lieben und seine Worte ernst nehmen.
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Wenn das auch dein Wunsch ist, dann hoffen wir darauf, dich kennen zu lernen und gemeinsam den Leib Christi zu bilden, der durch Ihn zusammengefügt wird. Durch die Liebe und die Einheit in der Wahrheit zeugt die Gemeinde von Gottes Gegenwart in und unter seinen Kindern.
1 Der Gedanke vom “göttlichen Funken” ist der Bibel fremd und stammt aus den Religionen des Ostens, wo das Göttliche (z.B. Brahman in Hinduismus) als die unpersönliche, eigenschaftslose, ewige Existenz aller Wesen verstanden wird. Diese Denkweise steht im Widerspruch zur Botschaft der Bibel über einen persönlichen Gott, der entscheidungs- und liebesfähig ist und sich auf einen Dialog mit dem Menschen einlässt.
Alle Bibeltexte, soweit nichts angemerkt ist, sind aus der Einheitsübersetzung zitiert.