Familiäre Schicksalsschläge
Während seine berufliche Karriere in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts immer weiter voran ging, hatte die Familie schwere Schicksalsschläge zu ertragen. Kurz hintereinander wurden vier Kinder geboren, die das erste Lebensjahr nicht vollenden konnten: 1888 Paul, 1889 Pauline, 1890/91 wieder eine Pauline und schließlich 1893/94 noch einmal ein Paul. Dies muss eine schwere Zeit für seine Ehefrau und ihn gewesen sein. Da war es nur ein kleiner Trost, dass die 1892 geborene Tochter Emilie überlebte. Warum es ausgerechnet die Kinder mit den Namen Paul und Pauline traf, ist ebenso merkwürdig wie die Tatsache, dass die Eltern offensichtlich auf diesen Namen beharrten. Ein Grund dafür konnte nicht gefunden werden.
Auszeichnungen
1889 erhielt Johann Noebels die Dienstauszeichnung 2. Klasse der Landwehr. Diese Auszeichnung bekamen diejenigen, die nach erfüllter Dienstpflicht einen Feldzug mitgemacht hatten oder bei außergewöhnlicher Veranlassung drei Monate aktiv gedient hatten10. Johann Noebels hat an keinem Feldzug teilgenommen. Vom Krieg 1870/71 wurde er freigestellt, da schon seine vier älteren Bruder im Feld standen. Johann Noebels hatte aber 1878/9 als Unteroffizier und Vizefeldwebel an Wehrübungen teilgenommen und wurde deshalb 1879 zum Reserve-Leutnant ernannt. Weitere jeweils sechswöchige Wehrübungen 1881 und 1883 schlossen sich an, die mit der Ernennung zum "Feldtelegraphieinspektor" endeten. Diese Wehrübungen waren wohl Anlass für die Auszeichnung.
1894 wurde ihm dann die Kaiser-Wilhelm-Erinnerungsmedaille für seine Tätigkeit als Angehöriger der Berliner Schutzmannschaft, die während der Feiern zum 100. Geburtstag von Wilhelm II. Dienst getan hatte, verliehen11.
Für seine Verdienste im Postwesen erhielt er schließlich noch 1900 den Roten Adlerorden IV. Klasse und 1908 den Kronenorden III. Klasse. Alle Orden trug er mit Stolz.
Pensionär in Issum
Schon vor seiner Pensionierung hatte sich Johann Noebels über die Zeit danach Gedanken gemacht. Ihn zog es wieder in seine alte Heimat an den Niederrhein zurück. Als er anlässlich eines Besuchs seines Bruders in Issum erfuhr, dass dort eine herrschaftliche Villa zum Verkauf stand, nutzte er sofort die Gelegenheit, diese zu erwerben. 1906 erwarb er die Villa an der Weseler Straße. Seine Familie zog 1907 nach Issum um, während er noch bis 1908 in Berlin wohnte und arbeitete. Die Trennung von der Familie fiel ihm sicherlich nicht leicht, wie man aus den Gedichten erfährt, die er für seine Enkelkinder erstellte.
Nach seiner Pensionierung richtete er sich in Issum ein. Zunächst kümmerte er sich um das neue Anwesen. Er ließ eine Zentralheizung in das Haus einbauen und gestaltete den Park hinter dem Haus neu. Dieser wurde danach zu einem kleinen Paradies, in dem seine Enkelkinder spielten, wenn sie bei ihm zu Besuch waren.
Am 6. Mai wurde er auf seinen Antrag hin und auf Empfehlung von Bekannten als sogenanntes Kartenmitglied in die Friedrich-Wilhelm-Gesellschaft in Geldern gewählt12. Er hatte sich um die Mitgliedschaft bemüht, um seinen noch unverheirateten Töchtern den Verkehr mit gebildeten Familien zu ermöglichen. Zwei Jahre später trat er aber wieder aus der Gesellschaft aus. Wurden seine Erwartungen nicht erfüllt? Zwei seiner Töchter blieben unverheiratet.
Als der Erste Weltkrieg begann und viele Männer aus dem Berufsleben abgezogen wurden, griff man auf alte, bewährte Kräfte zurück. Am 7. November 1914 wurde er vom Gemeinderat Issums zum Mitglied der Sparkassenverwaltung bestellt13. Die Mitglieder hatten nach §3 der Statuten die Aufgabe, das Amt als Ehrenamt zum Besten ihrer Mitbürger unentgeltlich [zu] verrichten und die solidarische Verantwortlichkeit für die gehörige Verwaltung der Kasse zu übernehmen. Noebels blieb bis 1932 in der Verwaltung der Kasse tätig.
Als während des Krieges die Grenze zum Nachbarland der Niederlande geschlossen wurde, hatte dies Einfluss auf die Ernährungslage diesseits der Grenze. Deshalb regte der Kreisfürsorgeausschuss des Kreises Geldern an, in den Gemeinden Gartenbauvereine zu gründen, die die Bevölkerung mit zusätzlichem Gemüse versorgen konnten. Auf Bitten des Bürgermeisters Beterams übernahm Noebels 1916 die Gründung eines solchen Vereins und ließ sich zum Vorsitzenden wählen14. Als solcher musste er die Versammlungen leiten und die laufenden Geschäfte führen. Dazu gehörte auch der Verkauf von Überschüssen an die Versteigerung in Straelen. Nachdem sich der Verein in den ersten vier Jahren gut entwickelt hatte, legte er den Vorsitz nieder und wurde Ehrenvorsitzender.
Da er dem Zentrum nahe stand, vielleicht sogar Mitglied war, hätte man es gerne gesehen, wenn er im Gemeinderat und im Kirchenvorstand mitgearbeitet hätte. Dies lehnte er jedoch ab15.
Während der belgischen Besatzung nach dem Krieg musste er insgesamt 35 Einquartierungen ertragen. Ständig waren drei bis fünf Zimmer von Offizieren belegt, denn das Haus lag nicht weit vom belgischen Lager entfernt16. In dieser Zeit starb 1919 seine Tochter Clara und am 13. Juni 1923 seine Ehefrau. Johann Noebels erlebte aber noch das Ende der belgischen Besatzung. Er starb als hoch angesehener Bürger am 9. Mai 1934 im hohen Alter von 84 Jahren.
Die Suche nach dem verlorenen Paradies
Nach dem Tod von Johann Noebels wohnten zwei seiner Töchter noch bis Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts im elterlichen Haus. Danach wurde die Villa ohne den Park verkauft. Um den Park konnte sich keiner mehr kümmern, er verwilderte. Im Laufe der Zeit fielen bei Stürmen Bäume um und wurden von Gesträuch überwuchert. Im Unterholz wuchsen neue Bäume heran, die Wege wurden unkenntlich. Die Gemeinde deklarierte schließlich das Grundstück zu einem Wald um.
Kann man heute noch herausfinden, wie der Park einmal ausgesehen hat? Die oben schon erwähnte Enkelin Sigrid Noebels erinnert sich noch sehr gut daran. Auf Anfrage konnte sie aus dem Gedächtnis die Wege, die Lage des Gartenhäuschens und andere Einzelheiten in einen Grundplan einzeichnen17. Auch das Gartenhäuschen war ihr gut in Erinnerung. Sie zeichnete und beschrieb es: "Vor dem Eingang befanden sich über die Hausbreite Pflastersteine. Interessant fand ich, dass es eingebaute Regale gab zum Zweck, Wein- oder andere Gläser abzustellen. Daraus ist zu schließen, dass die Wandungen nicht sehr dünn gewesen sein konnten. Zwei auf dem Boden befindliche Holzklappen konnten am Handgriff geöffnet werden, um in einer kleinen Vertiefung Flaschen zwecks Kühlung aufzubewahren"18. Als auch noch ein Bild des Gartenhäuschens aus dem Jahr 1907 auftauchte19, war die Neugierde geweckt. Konnte man den Standort des Häuschens aufgrund der Skizze und des Bildes im Wald wiederfinden?
Eine erste Begehung des Geländes mit Frau Bösken-Diebels, deren Grundstück direkt an den Wald grenzt und die noch lebhafte Erinnerungen an den Park hat, führte zu keinem Ergebnis. Die Erde war so mit Wurzelwerk durchzogen, dass ein Graben mit dem Spaten völlig aussichtslos war. Frau Bösken-Diebels kam dann auf die Idee, einen kleinen Bagger einzusetzen. Dies wurde in die Tat umgesetzt und von Erfolg gekrönt. Nachdem der Bagger das oberirdische Gestrüpp beiseite geschoben und eine Schicht von ca. 10 cm Erde und Wurzelwerk weg geschoben hatte, kamen an einer Stelle Steine zum Vorschein, die in einer Reihe angeordnet waren.
Vorsichtiges Wegschieben von weiterer Erde ließ immer mehr von den Grundmauern des Häuschens hervortreten. Diese Grundmauern stimmten genau mit dem vorhandenen Bild überein. Sie bilden ein Rechteck von 3 mal 4 m, dem an der schmaleren westlichen Seite ein Teilkreis mit einem Radius von 2,50 m vorgesetzt ist, der die Terrasse umrandete. In dieser Grundmauer für die Terrasse waren teilweise noch Spezialsteine für die Pfosten der Pergola zu sehen, die auch auf dem Bild von 1907 zu erkennen sind.
Die Terrasse zeigte nach Westen. Von dort schaute man über eine Wiese und die Issumer Fleuth auf das Dorf Issum.
Quellen und Anmerkungen
1. Heinz Dieter BONNEKAMP: Haus Amray in Issum, in: GHK 1990, S. 111-117.
2. Die folgenden Informationen über das Leben von Johann Noebels verdanke ich, wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt, Dr. Rainer Noebels, einem Urenkel von Johann Noebels, dem ich an dieser Stelle noch einmal recht herzlich danke.
3. http://www.tim-online.nrw.de/tim-online/initParams.do:jsessionid=97C29E7ACD9000BD107D8102D92E7668.
4. Vgl.die ,,Antiquarische Charte" von Michael Byux, Quadrat L 4, und dazu Heinz Dieter BONNEKAMP: Register zur ,,Antiquarischen Charte" des Michael Byux, in: Wolfgang Dassel und Jürgen KWIATKOWSKI (Red.): Michael Buyx (1795-1882). Geometer - Altertumsfreund - Sammler (VHVG 96) Geldern, S. 193-233.
5. Wilhelm DIESTERWEG: Bemerkungen über Aspiranten-Prüfungen und über die in den Jahren 1823 bis 1826 in Moers abgehaltenen Aspiranten Prüfungen im Besonderen, in: Rheinische Blätter für Erziehung und Unterricht mit besonderer Berücksichtigung des Volksschulwesens (Hgr. F. A. W. Diesterweg) Januar - Juni 1831, der neunten Folge 3. Band, Essen 1831, S. 156-184.
6. http://www.worldlingo.com/ma/dewiki/de/Realschule (8.März 2011).
7. Zu den folgenden Bemerkungen über die höhere Laufbahn bei der Post siehe: http://wiki-de.genealogy.net/Postbeamter (8. März 2011).
8. http://www.dieterwunderlich.de/Heinrich_Stephan.htm (8.März 2011).
9. http://www.urania-potsdam.de/texte/seite.php?id=355 (8. März 2011).
10. http://de.wikipedia.org/wiki/Dienstauszeichnung (8. März 2011).
11. http://www.historischer-service.de/board/index.php?mode=viewthread&forum_id=7&thread=4&sid=aa069b1b3d75f0151e48e4b9916bd849&sid=aa069b1b3d75f0151e48e4b9916bd849 (8.März 2011)
12. KA Kleve, V 14, Protokollbuch der Friedrich-Wilhelm-Gesellschaft. Noebels konnte nur Kartenmitglied werden, weil er nicht in Geldern wohnte.
13. GA Issum, A 1855.
14. GA Issum, A 2293.
15. Dass er dem Zentrum nahe stand, ergibt sich aus der Tatsache, dass er am 8. Mai 1920 für diese Partei bei der belgischen Besatzung die Abhaltung einer Versammlung beantragte. GA Issum, A 973.
16. GA Issum, A 976.
17. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei Frau Sigrid Noebels für die vielen Informationen und Bilder bedanken, die sie zur Verfügung gestellt hat.
18. Notiz von Sigrid Noebels.
19. Das Foto stellte Dr. Rainer Noebels zur Verfügung.
"Geldrischer Heimatkalender 2012", Geldern 2011, p. 208-217, no ISBN, by the "Historischer Verein für Geldern und Umgegend e.V."