Hodenkrebs, meine Geschichte

2003

Im April 2003 begann alles. Ich quiekte öfters auf, weil ich mir den Hoden einklemmte zum Beispiel beim Hinsetzen oder beim Einsteigen ins Auto. Meine Frau meinte, das sei nicht normal und ich hätte das vorher nicht getan. Ich wollte es zuerst nicht wahrhaben und führte es auf zu enge Hosen zurück. Schließlich gingen wir doch zum Arzt. Der fühlte meine Hoden ab, was man Palpation nennt. Er meinte es ist eine Verformung zu fühlen, die ich auch selber schon unter der Dusche gefühlt habe. Der Arzt meinte, es könne sich dabei um eine Zyste oder einen Tumor handeln. Um sicher zu gehen, müsste eine Ultraschalluntersuchung gemacht werden. Mir wurde nun langsam ziemlich mulmig zumute. Ich holte mir einen Termin für die Ultraschalluntersuchung und wurde schon am nächsten Tag untersucht. Da mittlerweile der Hoden etwas schmerzempfindlich geworden war, war die Ultraschalluntersuchung nicht sehr angenehm. Es stellte sich heraus, daß die Verformung ein Tumor war. Ich stand zuerst unter Schock. Das Wort Krebs machte mir, wie wahrscheinlich allen Betroffenen enorme Angst. Man denkt bei dem Wort Krebs unwillkürlich an Tod.

Mein Arzt wies mich in die Urologie im Krankenhaus ein. Ein Gespräch dort mit dem Urologen ergab, daß der Hoden entfernt werden müsste. An dem entnommenen Hoden würde dann eine Gewebeprobe vorgenommen, um den Krebszelltyp festzustellen. Dann würde die weitere Vorgehensweise festgelegt.

Es folgten drei bange Wochen, die ich auf eine Operation warten musste. Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man weiß, daß man einen Krebstumor im Körper hat und ihn auch noch fühlen kann.

Drei Wochen später folgte die Operation, die eine Narbe an der rechten Hüfte nachließ. Die Gewebeprobe ergab, daß es sich bei meinem Tumor um ein Seminom handelt. Der Arzt teilte mir mit, daß dieser Zelltyp eine sehr gute Heilungschance hat. Ein CT und eine Ultraschalluntersuchung des unteren Bauchraumes ergab, daß es keine Metastasen gab.

Als weitere Behandlungsmaßnahme wurde eine Bestrahlung der Lymphknoten im unteren Bauchraum festgelegt, um eventuelle Tumorzellen in den Lymphknoten zu zerstören.

Die folgende Strahlentherapie dauerte 4 Wochen und war weitgehend ohne kurzfristige größere Nebenwirkungen. Allerdings war ich während dieser Zeit ziemlich müde und die Verdauung war etwas durcheinander.

Auf diese Behandlung folgte dann während des ersten Jahres alle 3 Monate eine Nachuntersuchung mit CT Ultraschalluntersuchung sowie Blutentnahme. Im zweiten Jahr wurde das Intervall auf 6 Monate gestreckt.

Das Jahr 2006 wäre das Jahr gewesen in dem die Untersuchungsintervalle auf jeweils 1 Jahr gestreckt worden wäre. Ich fühlte mich schon ziemlich sicher und habe eigentlich kaum noch an den Krebs gedacht. Leider sollte ich bald wieder dran erinnert werden....

2006

Alles fing mit krampfartigen Oberleibschmerzen an. Ich bin dann mehrmals in verschiedenen Krankenhäusern gewesen. Wiederholt wurden Magenspiegelung und Darmspiegelung durchgeführt. Dabei wurde allerdings nichts gefunden. Ich hatte dann schon gut 10Kg Gewicht verloren. Mein Gastroenterologe meinte, es sei eine Ileitis des Dünndarmes. Das ist eine chronische Darmentzündung, ähnlich Morbus-Crohn. Diese sei durch die Bestrahlung in 2003 entstanden. Daraufhin hat er mir leichte Kost verordnet und ich habe Cortison Tabletten genommen. Nach weiteren 2 Wochen, in denen keine Besserung eintrat, habe ich mich entschieden, in das AK Altona in Hamburg in die Notaufnahme zu gehen, da die Schmerzen wieder sehr stark waren. Dort wurde abermals eine Magen- und eine Darmspiegelung, mehrere Computertomographien sowie eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt, allerdings ohne weiteren Befund. Man entschied dann, daß dem Problem in einer Bauch- OP auf den Grund gegangen werden sollte. So lag ich dann kurze Zeit später im Juni unter Vollnarkose im OP. Es wurden während der OP festgestellt, daß der Blinddarm entzündet war und daß die Gallenblase verklebt war. Nach der OP waren die Schmerzen erstmal weg.

Der Chefarzt war aber wegen der vorherigen starken Gewichtsabnahme und der Vorgeschichte misstrauisch. So sollte noch ein MRT (Kernspintomographie) durchgeführt werden. Das ist schon ein bißchen unangenehm, da man gut eine halbe Stunde in einer ziemlich engen Röhre liegen muß, ohne sich zu bewegen

Naja, bei dem MRT kam dann heraus, daß ich einen Tumor in der Wirbelsäule hatte und zwar im 8. Brustwirbel. Das war schon ein ziemlicher Schock für mich und meine Familie. Um herauszufinden um was für einen Tumortyp es sich dabei handelt, musste eine Biopsie durchgeführt werden. Hierbei wurde CT-gesteuert ein Stück von dem Tumor heraus gestanzt. Dieses Stück wurde dann hinterher auf den Zelltyp untersucht. Dabei stellte sich heraus, daß es sich bei dem Tumor um ein Seminom, also wahrscheinlich um eine Metastase des Hodenkrebses von 2003 handelte. Die Ärzte sagten mir, das wäre noch Glück im Unglück gewesen, da ein Seminom sehr gut auf Chemotherapie oder Strahlentherapie anspricht.

Auf dem Bild des Kernspins war aber auch zu sehen, daß der Tumor bereits einmal komplett um den Brustwirbel herum gewachsen war und anfing, in den Nervenkanal einzudringen. Dies war auch eine Erklärung für die starken Schmerzen, die ich vorher gehabt hatte, da der Tumor auf die Nervenstränge drückte. Nun waren die Ärzte auf einmal ziemlich aufgeregt und fragten mich ständig, ob ich meine Füße und Beine noch spüre. Dann sollte ich im Bett bleiben und mich nicht mehr bewegen. Zuerst sprachen die Onkologen mit den Neurochirurgen und es hieß, es müsste sofort operiert werden. Dann, nur wenige Stunden später, hieß es, eine Operation sei zu risikoreich und ich würde eine Chemotherapie mit anschließender Strahlentherapie machen müssen. Dabei blieb es dann auch.

Schon am nächsten Tag wurde mir ein Port eingesetzt. Ein Port ist ein Katheter, der unter dem Schlüsselbein eingesetzt wird und einen Schlauch hat, der in die obere Hohlvene eingesetzt wird. Anbei ein Foto von meinem Port nachdem er wieder „ausgebaut“ worden ist:

Mein Port bestand aus Titan und war in Silikon eingebettet. Durch den Port kann mit speziellen Nadeln Blut abgenommen werden und und die Zytostatika in der Chemotherapie verabreicht werden.

Ich sollte Chemotherapie nach dem PEB- Protokoll machen. Bei einer Chemotherapie spricht man von Zyklen. Da die Zytostatika zu giftig sind, als daß die gesamte Menge auf einmal verabreicht werden könnte, werden diese in mehreren Zyklen mit kurzen Ruhepausen dazwischen gegeben. Bei mir sollten es drei Zyklen werden. Die bei mir angewendete Chemotherapie bestand aus drei Zytostatika (PEB), und zwar Cisplatin, Etoposid und Bleomycin.

Ein Zyklus dauerte jeweils 5 Tage im Krankenhaus und dann zwei Wochen zu Hause, also insgesamt drei Wochen. Am Anfang habe ich mir gedacht, das wird schon nicht so schlimm sein, aber die Nebenwirkungen waren dann doch schon ganz schön heftig. So heftig, daß ich zwischendurch auch mal ans Aufgeben dachte.

Anbei ein Bild von mir während des zweiten Zyklus.

Ab dem zweiten Zyklus bekam ich Antibiotika, da mein Immunsystem sehr geschwächt war und ich daher sehr empfindlich auf Krankheiten war. Ab dem zweiten Zyklus hatte ich ständig Halsschmerzen und meine Mundschleimhäute waren entzündet. Zusätzlich hatte sich noch ein Pilz auf meiner Zunge gebildet, der eine brennenden Schmerz hervor rief. Dazu kam ein ständiger Brechreiz. Alles zusammen machte die tägliche Nahrungsaufnahme zu einer ziemlichen Tortur.

Während der Chemo. bekam ich zwei mal Blut transfusioniert, da mein HB-Wert, das heißt die Anzahl der roten Blutkörperchen, zu niedrig war.

Nach 9 Wochen hatte ich die Chemotherapie überstanden und es folgte die Strahlentherapie. Diese hatte bei mir weit weniger direkte Nebenwirkungen. Dadurch, daß der obere Bauchraum mit bestrahlt wurde, war mir auch während dieser Zeit etwas unwohl, allerdings weit weniger als während der Chemotherapie.

Damit hatte ich erstmal die härteste Phase überstanden. Im November war ich dann zu einer REHA-Kur.

2007

Januar:

Mittlerweile habe ich meine erste Nachuntersuchung ohne Befund überstanden. Der Port ist auch wieder „ausgebaut“ worden. Das war allerdings etwas unangenehm, da die örtliche Betäubung nicht richtig gewirkt hat. Außerdem war der Port an das darunter liegende Muskelgewebe angewachsen.

April:

Zweite Nachuntersuchung überstanden. Es wurden die Tumor- Marker überprüft und ein Kernspin (MRT) der Wirbelsäule gemacht. Im anschließenden Arztgespräch wurde nochmal mein verbliebener Hoden palpiert (massiert...:-)). Die Untersuchungen waren soweit ohne Befund, allerdings ist nach wie vor der betroffene Brustwirbel sehr hell im MRT zu sehen. Die Ärzte meinen, daß dies wohl noch Entzündungsvorgänge aufgrund der Bestrahlung sind. Hoffentlich haben sie recht. Nächste Untersuchung ist im August. Erstmal vier Monate Ruhe ...puh!!!

August:

So, die dritte Nachuntersuchung habe ich auch gerade hinter mir. Diesmal war eine größere Untersuchung dran, da heißt: Blutentnahme, MRT, Ultraschall und Röntgen.

Die Markerwerte sind alle normal. Im MRT ist der betroffene Wirbel immer noch heller als die anderen zu sehen. So genau wissen die Ärzte auch nicht, was das bedeutet. Wahrscheinlich sind es Entzündungsvorgänge die im Wirbel aufgrund der Strahlentherapie vorgehen. Hoffentlich ist das so....!!

Jetzt sind erstmal drei Wochen Urlaub angesagt, ein Glück. Nächste Untersuchung ist dann im Januar 2008. Bis dahin versuch ich mal, möglichst wenig dran zu denken.

2008

Januar:

Und schon wieder eine Nachuntersuchung hinter mir....:-). Diesmal gab es das volle Programm. Erst Blutentnahme zur Bestimmung meiner Tumormarker, dann Ultraschalluntersuchung, im Anschluss Röntgenaufnahme der Lunge und am Ende das Schönste....die Kernspintomographie, auch MRT genannt. Die kam mir diesmal besonders lange vor. Aber was soll's; es ist immer schön, wenn man das mal wieder hinter sich gebracht hat. Im Abschlussgespräch teilte mir der Doktor mit, daß alles in Ordnung ist und auch der bestrahlte Wirbel im MRT jetzt nicht mehr so hell erscheint, wie vorher. Dies deutet auf eine Rückgang der durch die Bestrahlung verursachten Entzündungsvorgänge hin. Das hört sich doch im Moment ganz gut an. Jetzt hab ich erstmal wieder ein paar Monate Ruhe.

Juni:

So, nun habe ich auch diese Nachuntersuchung wieder geschafft. Die Ultraschalluntersuchung war unauffällig, im MRT gehen die Entzündungszeichen im Wirbel weiter zurück und die Marker sind weiter normal. Was will man mehr......?! Laut Aussage meines Onkologen, brauche ich wegen der guten Ergebnisse erstmal keine MRTs mehr machen...Juhu!!!

Die nächste Nachuntersuchung ist dann im Januar 2009.

Dezember:

Der nächste Nachuntersuchungstermin rückt näher. Es wird die erste Januarwoche sein. Je näher der Termin kommt, desto mulmiger wird mir, selbst jetzt nach 2 Jahren. Man sagt sich zwar immer: „Da wird schon nix sein“, aber so ein kleiner Zweifel ist immer da....

2009

Januar:

So, die nächste Nachuntersuchung ist überstanden. Jetzt muß ich auch nicht mehr in die Röhre für den MRT. Dadurch geht es wesentlich schneller. Das Ergebnis der Blutwerte steht noch aus, aber die Ultraschalluntersuchung und die Röntgenaufnahmen zeigen nix Besonderes. Damit bin ich wieder beruhigt und habe jetzt wieder 6 Monate Ruhe.

Juli:

Die nächste Nachuntersuchung erfolgreich hinter mich gebracht. Da ich nicht mehr in die Röhre (MRT) musste ging das Ganze wesentlich schlechter. Das Einzige, was nicht so schön ist, daß der Kreatinin-Wert ansteigt und am oberen Limit ist. Ein Zeichen dafür, daß die Nieren doch etwas unter der Chemo. Gelitten haben. Das werden wir mal im Auge behalten.

Nächste Nachuntersuchung ist dann im Januar 2010.

2010 - 2013

So, jetzt habe ich die Seite schon einige Zeit nicht mehr aktualisiert, deswegen heute ein Update.

Es ist soweit alles in Ordnung. Da ich die magische Grenze von 5 Jahren unbeschadet überstanden habe, muß ich nur noch ein mal pro Jahr zur Nachuntersuchung. Im medizinischen Jargon nennt man das wohl in voller Remission..... :-)

Allen, die noch den Kampf vor sich haben oder mittendrin sind wünsche ich viel Glück und Kraft.

2014

Und Schwupps.... Wieder ein Jahr geschafft.... ☺ Nachsorge ist weiterhin einmal im Jahr. Seit dem Rezidiv sind jetzt 8 Jahre vergangen. Den letzten Termin hatte ich auch schon verschwitzt...

Anmerkungen und Kommentare bitte an folgende Emailadresse: matzewieni@web.de

Stand 18.01.2015