02.05.1983
Drei deutsche Frauen - zwei Schauspielerinnen und eine Feministin - beschreiben ihren Weg zum Guru Bhagwan.
Der einen graute, als sie in sich hineinhorchte, "vor der Leere, die ich fühlen mußte"; die andere trieb ein "ahnendes Wissen" um; die dritte hielt immer "mit Abscheu" Düsteres unterm Deckel: "Schweinereien, Gewalttätigkeiten, Unterwerfungsphantasien".
Als sie dann vor ihrem Erlöser sitzen, einem bärtigen, ältlichen Inder, spürt die eine "einen Wasserfall an Liebe" über sich strömen, die andere wird "süchtig" nach seinem Blick, und der dritten saust "ein Liebesschauer nach dem anderen über den Körper".
Bhagwan und das Rätsel Weib. In drei Büchern, selbstzerfleischenden und selbstzerseelenden, haben drei deutsche Frauen, alle über die 30, ihren Pfad ans Licht beschrieben, zum weltbekannten Guru von Poona, und damit, nach ihrer Ansicht, zu sich selbst.
Es sind Frauen, die sich schon vorher einen Namen gemacht hatten, im Reich der Sinne und schönen Künste: Silvie Winter und Mascha Rabben ( dort Ma Hari genannt) als gern besehene Photomodelle und Film-Darstellerinnen, und die einstige Emanzenblatt-Redakteurin ("Courage") Karin Petersen mit ihrem Debut-Roman "Das fette Jahr".
Wegweisende Titel haben sie ihren Geständnis-Büchern gegeben. Karin Petersen: "Ich will nicht mehr von dir, als du mir geben magst." Mascha Rabben: "Begegnung mit Niemand." Silvie Winter: "Wenn das Herz frei wird ..."
Dann geht der Mund über.
Die westliche Welt wird von einer stetig wachsenden Epidemie überzogen - von Psycho-Sekten, Jugendreligionen, "destruktiven Kulten", wie sie nun offiziell heißen. In Deutschland, so schätzen Experten, dürfte die Zahl ihrer Anhänger mittlerweile dem Heer der Arbeitslosen entsprechen.
Sozialer Frust, geistige Arbeitslosigkeit, spiritueller Hunger treiben den Gurus und Yogis und westlichen Scharlatanen die Massen in die Arme, Millionen-Beträge fließen in diese Psycho-Industrie. "Hundert Jahre hat uns der Westen ausgebeutet", erklärt ein Guru: "Die Gurus holen nur das Geld zurück, das der Westen genommen hat."
Allein in Deutschland hat die Firma Bhagwan drei Dutzend Filialen, allein in München laufen 3000 Jünger umher. Zur Expansions-Strategie gehören vegetarische Lokale ("Zorba the Buddha") und neuerdings auch Bhagwan-Discos.
Die Erlebnis-Berichte der drei deutschen Bhagwan-Adeptinnen, allesamt spannend zu lesen, liefern dem Feldforscher der Sekten-Manie mancherlei Einblicke; überraschend ist die Ähnlichkeit der Motiv-Ketten, bei aller Verschiedenheit der Autorinnen:
Silvie Winter, Enkelin des "Roten Barons" Manfred von Richthofen, ließ Annehmlichkeiten einer Jet-set-Beauty hinter sich, Mascha Rabben die skurrilen Reize der Subkultur und des Kommunenlebens; Karin Petersen kommt von den feministischen Barrikaden.
Vater-Probleme hatten alle drei. Silvie Winter wuchs weitgehend ohne den Erzeuger auf, die Väter von Mascha Rabben und Karin Petersen scheinen gelegentlich der Flasche mehr Zuwendung geschenkt zu haben als ihren Töchtern. Resultat: Probleme mit Männern.
Bei Silvie Winter und Mascha Rabben zumindest haben Esoterik und Drogen den Weg nach Poona geebnet, LSD vor allem, das Tibetanische Totenbuch und die Bücher des kaukasischen Mystifax der 20er Jahre, des Gurus Gurdjieff.
"Fühle jede einzelne Zelle in meinem Körper pulsieren", beschreibt Silvie Winter ihren ersten LSD-Trip. "Ich tanze, ich bin lebendig. In diesem Augenblick erfahre ich, was Einssein S.215 heißt." Sie fühlt sich "ohnmächtig vor diesem Mysterium und unendlich beglückt".
Dramatisches überfällt Mascha Rabben bei einem Trip, den sie stehend im Hamburger Innocentia-Park absolviert: "Wachheit in ihrer absoluten Reinheit, ohne irgendeinen Gedanken, irgendein Gefühl ... Mein Bewußtsein war in die Ewigkeit eingegangen."
Dabei hört sie eine "Stimme": "Dieses, das erstemal. Beim zweiten Mal aus eigener Kraft. Beim dritten Mal für immer." Der Botschaft entnimmt sie, daß eine "mühevolle Suche" vor ihr liege, "ohne Drogen in diesen Zustand zu gelangen", in den Ekstase-Zustand östlicher Meditation.
Sie kommt schon im Jahre 1973 bei Bhagwan an, wird "Sanjasin" (Jüngerin), läßt sich vom Meister die "Mala" umhängen, die Holzkette mit dem Bhagwan-Medaillon, und zieht den orangefarbenen Kittel der Gefolgschaft über; ihr und ihrem Reisegefährten Georg Deuter, dem späteren Hofkapellmeister Bhagwans, gibt der Meister schon am ersten Tage einen hilfreichen Wink:
Um "drei, vier Stunden im Zustand des Orgasmus" zu bleiben und so vom "Göttlichen Bewußtsein" erfüllt zu werden, sollten sie bei der Liebe "im gleichen Rhythmus atmen, ganz ruhig, ganz leise". Wenn die Erektion durch die Entspannung nachlasse, "könnt ihr euch ein bißchen bewegen".
Im Quodlibet der Bhagwanschen Lehre, einer Mixtur aus westlichen und östlichen Psychotechniken, ist der Tantrismus der Pfahl, um den sich alles dreht: Nicht durch Kasteiung des Fleisches öffne sich der Weg zu höherem, erweitertem Bewußtsein, sondern durch Hege des Genitalbereichs.
Vorher freilich müssen der alte Adam und die alte Eva abgebaut werden, die eingetrichterte "verklemmte Moral" (Silvie Winter), die "Wahnsinnssperren gegen Liebe" (Karin Petersen), die "einprogrammierten Reaktionen" (Mascha Rabben). Die sattsam bekannten Power- und Ekstase-Exerzitien Bhagwans durchleben die Frauen mit Angst und Wonne.
Sie durchleben auch ziemlich die gleichen Stadien, Hepatitis, das Gefühl kindlicher Geborgenheit und den Schock, daß der mitgebrachte Partner oder Ehemann die tantrische Genitalhege anderswo betreibt. Resultat: Sie erheben sich aus ihren Ketten, feiern "diese Lust, mich zu öffnen, hinzugeben" (Karin Petersen) und erleben mit Fremdlingen "einen Orgasmus, der das Haus erbeben läßt" (Silvie Winter).
Durch Poona, schreiben alle drei, seien sie "innerlich gewachsen", "bewußter" und "authentisch" geworden - "ein Wunder ist mit mir geschehen", schreibt Karin Petersen und stößt sich nur leicht an einer Besonderheit des göttlichen Meisters: seinem "Loblied auf Rockefellers und Co. und überhaupt den Kapitalismus".
Ins Gelobte Land des Kapitals ist Bhagwan dann ja auch gezogen, im Sommer 1981, um in einem staubigen Riesen-Areal von Oregon den Zukunftsstaat zu bauen; ähnlich mysteriös war im Jahre 1922 der Bhagwan-Favorit Gurdjief aus den Schluchten Kaukasiens nach Paris übersiedelt, um in einem eigenen Schloß das Heil zu lehren.
Die drei Frauen folgten dem Meister. Mascha Rabben hütet da die 1500 Hühner von "Rajneeshpuram", der 800-Seelen-Pionierstadt, und Silvie Winter, die mit Bhagwan im gleichen Gästehaus wohnt, strickt dem Meister die ulkigen Wollmützchen.
Aber Bhagwan lehrt nicht mehr, er ist verstummt. Ein künstlicher Wasserfall vor seinem Fenster, von seinen Jüngern gerichtet, plätschert ihm ins Ohr; und einmal am Tage, gegen 14 Uhr, zeigt er sich seinem Volk.
Da steigt er in eine seiner 28 Rolls-Royce-Kaleschen, jeden Tag in eine andere, und braust die Straße ab, an der seine Sanjasin sich aufgereiht haben und in die Hände klatschen. Dann gehen sie wieder zur Arbeit, roden und hacken, ohne Lohn, aber verpflegt, behaust und behütet.
Auch für die Endzeit, erzählt Silvie Winter, sorgt Bhagwan vor. Der Meister erwartet sie fürs Jahr 1990/91 und plant deshalb, ins Felsgestein von Oregon Bunker hauen zu lassen. Um bis dahin beweglich zu bleiben, wird der Flugpark (zwei Klein-Jets) demnächst um eine DC-8 und eine DC-3 erweitert.
Alles das, natürlich, nur, wenn Bhagwan nicht doch noch eines Tages, wie schon mal vorgesehen, aus dem Gelobten Lande ausgewiesen wird.