Makulaforamen: Eine Urlaubs- Nebenher- Geschichte

2012-02-05 Augen-Blicke mit Angst auf Gomera

Hier finden Sie den vollständigen Reisebericht!

Es fing am Donnerstag, 26.1.12 an, als ich neben Fritz im Internet-Raum des Hotels saß und - wie so oft - meine Augen überprüfte, indem ich das Linke oder Rechte zuhielt. - Ich sah auf den Computer-Bildschirm vor mir und plötzlich war er da, der helle gelbe große Punkt, der auf dem Desktop herumschwirrte. - Ich sah in die Luft und merkte, dass der Punkt auf hellem Grund schwarz und auf farbigem Grund weiß war, sich an senkrechte Linien andockte und diese Linien dann vor sich herschob und ausbeulte, es sah so aus, wie der Apfel von der apple-Werbung, - und dann am nächsten Tag bemerkte ich, dass das Eisengitter des Zaunes sich total "verbog", im Fernsehen die Menschen keine Köpfe mehr hatten, Teile vom Körper wegwaren und an deren Stelle nur ein dichter schwarzer Schwamm herumtanzte! Sie sahen aus wie Monster, denen das Kinn fehlte oder die Haare waagerecht wehten. Als Fritz im Auto fuhr und ich das rechte Auge zu machte, war für mich das Auto vor uns auf der Straße WEG, und die Verkehrsschilder ebenfalls, zumindest so lange, bis sie im rechten Winkel neben mir waren und ich ganz stark zur Seite sehen mußte. - Bäume, Menschen, - einfach weg!

Am Donnerstag, 26.1.12, rief ich kurz vor 12 Uhr meinen Augenarzt in Graz an, Tonband lief, - nachmittags nochmals versucht, keiner ging ran, - Freitag hatte er gar keine Sprechstunde, - am Samstag rief ich in meiner Verzweiflung bei der Uni-Klinik in Graz an. Der Arzt von der Augenambulanz meinte, das müßte man ernst nehmen, am besten sofort zu einem Augenarzt gehen. -

Herr Wellner vom Hotel-Service sagte, unten im Ort Playa Santiago gäbe es einen Arztnotdienst, auch am Sonntag und ein Augenarzt käme evtl. bei Bedarf auf Bestellung von Teneriffa rüber. -

Am Sonntag gingen wir - nur mal schnell so eben mit e-card ausgerüstet zu diesem Zentrum. Zum Glück spricht Fritz sehr gut spanisch. Eine Schwester meinte, in San Sebastian wäre ein Sonntagsdienst, auch mit Augenarzt, in der Klinik.

Also liefen wir sofort von dort zum Hafen und mit der Mittagsfähre runter nach San Sebastian, - wo ist das Krankenhaus? - Wir mußten mit dem Taxi fahren, weil es weit, weit außerhalb des Zentrums liegt. - Alles sauber, und ich war schon richtig dankbar, in einer zivilen Welt zu sein und nicht in einem Hospital in Syrien oder Kairo. -

Eine freundliche junge Ärztin war sehr bemüht um mich, vermutete, dass eine Laserbehandlung notwendig sei, - aber zum Schluss merkten wir, dass sie keine Augenärztin ist, weil sie mich überhaupt nicht untersuchte. Sie wollte uns nach Teneriffa schicken, da sei bis 22.30 Uhr ein junger Arzt, ein guter Freund von ihr, in einer Privatklinik. - Aber der könnte auch keine Laser-Behandlung durchführen, der würde uns am nächsten Tag zu einer entsprechenden Stelle überweisen, vielleicht auch in ein Krankenhaus 80 km von dort im Norden. - Was das denn kosten würde? - Sie sah am Computer nach und meinte, so ungefähr 2-3.000 DOLLAR, je nachdem wie viele Laserpunkte gesetzt werden müßten. - Wir müßten dann in Los Christianos übernachten, - und "vielleicht könnte Fritz sogar mit mir im Krankenhaus übernachten, wenn da was frei wäre", oder wir beide in einem Hotel in der Nähe. - Wir waren total perplex, denn wir hatten - ganz ungewöhnlich! - nur 100 Euro dabei, keinen Pass, natürlich auch keine Zahnbürste usw. - Die Fähre rüber nach Teneriffa kostet allein schon zum Seniorenpreis pro Person ca. 70 € Hin und zurück. . Also hätten wir erstmal mit der kleinen Fähre zurück nach Santiago fahren müssen, Geld holen und Sachen aus dem Hotel, - dann wieder schnell zurück nach San Sebastian, von dort mit der großen Fähre nach Teneriffa, Krankenhaus suchen, den Arzt konsultieren und dann am nächsten Tag irgendwohin zur Behandlung... das war uns suspekt, ich hatte auch wirklich große Angst, in Spanien in eine Augenklinik zu gehen, - vielleicht unberechtigt, aber ich hatte Angst! - Also haben wir gekniffen, haben beschlossen, am nächsten Tag, Montag, noch einmal versuchen, meinen Augenarzt in Graz, Dr. L., anzurufen.

Montag, 30.1.12

Anruf bei meinem Augenarzt in Graz:

Es sollte wohl reichen, wenn ich am Montag nach meiner Rückkehr um 7.45 zu ihm komme. - Und wenn ich die Möglichkeit hätte, einen Augenarzt zu konsultieren, sollte ich das vorsichtshalber tun. -

10.00 Uhr auf dem Balkon: Wie nach einer Explosion fallen lauter schwarze Fuzelchen in mein Sichtfeld, nicht nur ein oder zwei "mouches volantes" sondern ein ganzer Schwarm!!

Ich rufe unsere Gulet-Betreuerin an, ob ich vorzeitig mit einem Flugzeug nach Graz fliegen könnte, aber es gab nur Verbindungen am Samstag, andere wenige über mehrere Umwege Stuttgart, Frankfurt oder München, usw. dann mit dem Zug weiter oder nochmals übernachten, - waren ausgebucht- Fazit: ich konnte nicht weg!- Das stand nun fest: Selbst wenn ich über Hamburg oder Lissabon irgendwie nach Graz gekommen wäre, würde es mindestens Donnerstag sein, am Freitag hat Dr. L. keine Sprechstunde, - und ob in der Augenklinik wirklich jemand irgendetwas hätte spontan unternehmen können, ist die große Frage.

Ich wußte noch nicht einmal, ob das überhaupt durch unsere Ausfallkostenversicherung gedeckt wäre. - Aber es sollte daran nicht scheitern, - wenn es gegangen WÄRE!

Da es aber keinen Augenarzt gibt, bzw. ich dann wieder hätte nach Teneriffa Los Christianos oder Santa Cruz im Norden ins Krankenhaus fahren müssen, - und ich eben auch furchtbare Angst und Bedenken hatte, - haben wir es aufgegeben und versuchten, so gut es geht, die Urlaubstage zu genießen. Ich war ständig dabei, meine Augen zu überprüfen, - immer in der Hoffnung, dass es sich vielleicht doch noch bessern würde. - Aber es wurde immer schlimmer, manchmal streikte sogar das rechte - GUTE- Auge, wenn ich die Hand weg machte und dann richtig sehen wollte! Der Kreis wurde immer schwächer und war dann bald nur noch beim geschlossenen Auge zu sehen: Jenachdem ob es "draußen" hell oder dunkel war, war der Kreis dann hell oder dunkel(umgekehrt). - Aber dann kam das Schlimmste, dass ich abends im dunklen Badezimmer am ganz, ganz linken Blick-Rand "Blitze" sah, Bruchteile von Sekunden, - aber sie waren da! - Immer wieder einmal, wenn ich den Kopf in einer bestimmten Richtung hielt. Da wußte ich nun, dass das ein ganz sicheres Zeichen für irgendwas Schlimmes ist. - Fritz sagte einmal, mach Dir nicht so viele Gedanken, das nützt nichts, - und da wurde mir bewußt, dass ich ihn nicht mit meiner Angst belasten darf. DAS nützt wirklich nichts.

Sonntag, 5.2.2012

Zurück in Graz, den Kindern haben wir noch nichts erzählt.

Morgen weiß ich vielleicht mehr, vielleicht Schlimmes, vielleicht einen Trost.

Da hilft das ganze gesunde Leben nichts, und schon gar nicht das gesparte Geld auf der Sparkasse.

So etwas kommt, - ist da, und man muss es hinnehmen.

Wenn ich bloß das rechte Auge so behalten kann , wie es jetzt ist!!! - Der Gel-Film ärgert mich zwar, aber damit muss und kann ich leben. - Es schlabbert aber nun auch auf dem linken Auge herum, - so, wie ich im Augenblick aus den Augen schaue, ist alles ganz schwummerig und schwierig ist es auch, zu schreiben und zu lesen. - Morgen, morgen, werde ich mehr wissen...

Montag, 6.2.2012

Ich war früh bei meinem Augenarzt. Er hat mich untersucht und dann gesagt, dass ich ein Loch in der Netzhaut habe, das dringend operiert werden muss, Diagnose: Makulaforamen.

Dr. L. würde mich zum Professor Dr. H. in der Grazer Uniklinik schicken, der müsse entscheiden, was zu machen sein wird.

... ob Sie dann wieder gut lesen können, kann man heute noch nicht sagen.... meinte er und ich fragte: ... auch nicht mit Brille???? - ...Jetzt müssen wir erstmal die Untersuchung in der Universitätsaugenklinik abwarten...

Ich habe Fritz angerufen, er sagt, das stehen wir durch, dann habe ich eingekauft und dabei ist mir klar geworden, dass ich froh und glücklich sein MUSS, dass es sich dabei - zumindest erstmal - um das Auge handelt, das mir nach den beiden Star-Operationen sowieso immer Schwierigkeiten gemacht hat.... Wenn mir nur wenigstens die Sehkraft vom rechten Auge erhalten bleibt!

Ich packe mein Köfferchen nur für den Fall, dass man mir morgen sagt, das muss sofort gemacht werden, bleiben Sie gleich hier, die Messer sind schon geschliffen...

Dienstag, 7.2.2012

Ich leb und waiß nit wie lang,

ich stirb und waiß nit wann,

ich far und waiß nit wahin,

mich wundert das ich [so] frölich bin ....

Der letzte Satz war mir bekannt, - als ich heute in der Straßenbahn saß, noch verheult von der Uniklinik herausgetorkelt, - dachte ich: Ich muss doch trotz allem glücklich und immer noch dankbar sein. Doch der Reihe nach die Wechselbäder, die uns heute überschüttet wurden:

Fritz brachte mich zum Bus, Straßenbahn, - Uni-Klinik, - Haben Sie einen Termin? - Ja, 9 Uhr bei Professor H. -

CT wurde gemacht - und das noch genauere OCT (Optische Kohärenztomographie ) - , und dann warten auf den Herrn Professor. Der zeigt mir die "Malerei", die die Maschine für mich und von meinem Auge angefertigt hat: Ein großes Loch an der Stelle des besten Sehens! Sehr groß!

Ob ich nicht schon vorher eine Verschlechterung des Sehens bemerkt hätte? Ja, natürlich seit Wochen!, aber das hielt ich für den bei der letzten Kontrolluntersuchung am 18.10.2011 festgestellten "Nachstar", der irgendwann mit Laser behandelt werden sollte!

Eine OP ist möglich, wohl auch empfohlen, aber.... und nun kommt es: Meine Sehkraft von

z.Zt. einem Prozent, - EIN Prozent von HUNDERT! - kann evtl. dabei auf ZWEI Prozent gesteigert werden, - Zwei Prozent Sehkraft, mein ganzes weiteres Leben lang akzeptieren??!!?? -

Und wenn ich keine OP machen lasse? -

Dann kann das Loch noch größer werden! -

Kann ich dann gar nichts mehr sehen????? -

Nein, blind werden Sie nicht, - ein Rest Sehkraft wird weiter bestehen, - das ist der Unterschied zur AMD, der altersbedingten Makuladegeneration, die zur Erblindung führt...

Oh Gott!

Überlegen Sie es sich, sprechen Sie mit Ihrem Augenarzt. -

Und wenn ich morgen komme und sage: Bitte, operieren Sie mich.... ?

Das geht nicht, wir liegen bei den OP - Terminen schon bei Ende März...

Ich rufe Fritz an und verlasse fluchtartig die Klinik, draußen ist zentimeterhoch Schneematsch, ich halte mich am Geländer fest und taste mich vorsichtig die Außentreppe hinunter, über die Straße, unsicher, weil ich durch die Augeneintropfung noch schlechter sehe als vorher, - wird das jetzt bald mein Dauerzustand?? - Ich, die gewohnt ist, alle Leute schnellen Schrittes zu überholen, Kletterpartien zu lieben, je gefährlicher sie sind, - Treppen bis in den siebten Stock hoch mit zwei Stufen auf einmal zu erklimmen, - ICH, die alle Vorsorgetermine wahrnimmt, gesund lebt, nicht raucht, nur normal "säuft" , - die viel schreiben, lesen, SEHEN will, - ich sitze heulend in der Straßenbahn, steige in den Bus, - halte das rechte Auge zu und kann nicht mal Riesenwerbung lesen... - mache das rechte Auge wieder auf, und bin dankbar, dass dieses Auge einfach in Zukunft für das andere mitsehen wird, - aber wie lange? Kann mir das selbe mit dem rechten, guten Auge irgendwann auch so gehen? DANN kann ich nicht mehr ohne Hilfeleistung aus dem Haus, - Auto fahren, - was ist das gewesen? Ich gehe gleich in die Praxis von Dr. L., kann mir die Tränen nicht verkneifen, - frage ihn, was ich tun soll, wie es weiter gehen soll. - Er will noch einmal Professor H. anrufen, ob man nicht doch noch einen schnelleren OP Termin kriegen könnte. - Ich rufe Fritz an, er holt mich ab, nimmt mich in die Arme, - gemeinsam sind wir stark, - wir schaffen das. -

Als ich in der Küche die Hühnersuppe von gestern warm machte, dachte ich an das, was ich auf dem Warteflur gesehen hatte: Eine junge Mutti, die mit ihrem Säugling gekommen war, - eine Frau mit einem fast blinden Partner, dessen Hände und Füße durch Parkinson geschüttelt wurden, - eine alte Frau, die den ganzen Kopf bis auf ein Auge zubandagiert hatte und im Rollstuhl angefahren wurde, - und all die vielen anderen Patienten, die sich genauso fragen: Warum ICH? -

Und irgendwie wurde ich ruhig und gefaßt: ich habe einen Partner, der mir heute morgen mit der Busfahrkarte auch einen Glückscent hingelegt hatte, und der mir am Tisch gegenüber sitzt und sagt: Wir schaffen das! -

Ich kann mit einem Auge noch sehr, sehr gut sehen, und vielleicht lasse ich ja doch noch irgendwann die OP über mich ergehen...

Gegen 12 Uhr klingelt das Telefon: Dr. L. bittet mich, gegen 13.30 noch einmal in die Sprechstunde zu kommen. Wir beide sind aufgeregt, was soll das bedeuten? - Gutes? Schlechtes?

Noch Schlechteres? -

Auch da im Wartezimmer wieder die Konfrontation: Ein junges Ehepaar: er sieht auf dem einen Auge fast nichts, und nun auch auf dem anderen Auge ein Netzhautriss! -

Schicksal hat nichts mit dem Alter zu tun, - sondern mit der Auslese, wo es zuschlägt!

Uns teilt Dr. L. mit, dass auf Grund der schnellen Herabsetzung des Sehvermögens von gestern noch 10% und heute in der Uniklinik nur noch 1% eine Operation dringend angesagt ist und - so ich denn will - am Freitagnachmittag ausgeführt werden könnte. - Natürlich will ich, auch wenn ich weiß, dass diese OP noch viel komplizierter und die Rehabilitation noch langwieriger sein wird als die beiden Star-Operationen. -

Und wieder mein Gedanke: Ich wundere mich, dass ich so glücklich bin!

Wir haben auf Gomera wunderschöne Tage erlebt und nur das zählt.

Wir dürfen uns NIEMALS gegenseitig Vorwürfe machen, dass wir nicht ALLES versucht haben, was zum damaligen Standpunkt unseres Wissens vertretbar gewesen wäre! -

10.2.2012 Operationstag

13.15 Wurschtigkeitstablette und Bändchen mit Namen am rechten Handgelenk.

15.10 Einschub in den OP-Raum im Kellergeschoss, Schränke im Ikea-Blau und gelb, OP-Vorbereitung: Abkleben, EKG-Wanzen, Sauerstoff unter die Nase, und dann die Spritze:

Pieks, dumpfes Nachschiebegefühl, ... ist er im Knochen???? - aus, vorbei.

Meine Beine zittern, kalt ist es, zum Glück habe ich Leggins und Söckchen an, - bekomme noch eine zusätzliche Decke, aber das Frieren ist sicher psychisch...

Herr Professor erklärt , dass ich hinterher einige Verhaltensregeln einhalten muss, z.B. immer mit gesenktem Kopf herumlaufen, - und dann gehts los. - Ich bin voll da, - höre sie reden, - aber ich verstehe leider nichts und spüre auch keinen Schmerz. Nach gefühlten 30 Minuten werde ich abgeschoben ins Wachzimmer und anschließend in mein Bett. -Die Nacht ist "umwälzend", ich schaffe es einfach nicht, mit der Nase nach unten zu schlafen. Rechts und links gerollte Handtücher, die aber kratzen, - für den Fall wäre wohl eine Massageliege mit Loch gut...Das eingespritzte Gas muss durch die Schwerkraft in Richtung Makula-Loch wandern, darum die strenge Senkrecht-Haltung!

Samstag, 11.2.2012,

Im Schneidersitz mit demütig stark niedergeneigtem Kopf und Strohhalm in der Kaffee-Tasse verspeise ich mein Frühstück. - Visite: - Sehr brav weiter immer nur nach unten schauen, Kinn an die Brust!

Ich trage noch eine Schutz-Schale, - abends Salbe. Schlecht geschlafen, - ach, guter Schlaf ist was wert!!!

Sonntag, 12.2.2012

10 Uhr Visite: Der Herr Professor ist zufrieden. Die Schale wird abgemacht und ich soll auch das Auge ganz normal aufmachen. Ich sehe "meinen" Lochfleck schwarz mit gelbem Hof... größer als vorher. ... Geduld!

Wenn ich an die weiße Wand sehe, ist er da und eine Art Faden in Form einer langgezogenen 3 liegt davor.

Ich packe meine Sachen, und warte aufs Mittagessen und dann auf Fritz, - das handy lasse ich dummerweise irgendwo liegen, - na, was das wohl bedeutet...?

Ab jetzt versorgt mich Fritz so vorzüglich, wie es nicht liebevoller sein könnte: kocht, bringt mir Getränke mit Strohhalm, hat Ideen, wie ich den Laptop so auf den Fussboden stellen kann, dass ich Bilder ansehen kann und nun auch ins Internet gehen kann mit der vorgeschriebenen und erforderlichen Kopfhaltung nach unten.Ich glaube nicht, dass das Gas wirklich dieses Loch schließen kann, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Erst war das ganze Auge verdeckt durch die Gasblase, dann wurde sie immer ein bisschen kleiner und ich versuchte, darüber hinweg zu schielen, und irgendwann konnte ich links neben der Gasblase ganz kurz wenige Teile der Wohnung sehen.

Aber was mich am meisten fasziniert:Wenn ich meine Finger ganz dicht unter das Auge halte und durch die Gasblase sehe, habe ich so eine wahnsinnig deutliche Sicht, noch viel, viel besser als ich je in meinem Leben sehen konnte.Ich kann die kleinen Ziffern meiner Uhr lesen, die Maschen von meinem gestrickten Pullover, jede kleine Hautfalte und Häärchen an der Handoberfläche, - aber dieser Blick wird sich wohl langsam verflüchtigen, wenn die Blase sich aufgelöst hat. - Es ist wohl eine kurze Zeit, dass ich dieses Phänomen des wunderbar deutlichen Sehvermögens habe, so lange das Gas als Lupe oder Prisma oder sonstwas fungiert. -

Gestern nachmittag, Mittwoch, da kam dann die Enttäuschung: Das Feld, was nebenbei zu "erschielen" ist, zeigt:

Das Pendel der Wanduhr ist (immer noch oder wieder) weg, der Ständer der Tischlampe ist wellig, und die Leute im Fernsehen sind genau solche Monster, wie ich es vor der OP gesehen habe, vielleicht ein klein bisschen weniger monsterisch, aber immer noch mit undeutlichem Gesicht, herausgebrochenem Kinn usw.

Es ist immer leicht, vorher zu sagen: Wir versuchen alles, und wenn es dann keinen Erfolg hat, haben wir uns nichts vorzumachen, dann nehmen wir es hin. - Nimm es mal hin, dass es keinen Erfolg hatte, liebe Ilse-Mami! Nimm es hin und sag, schade, es war nichts, und irgendwann wirst du gar nichts mehr sehen können auf dem linken Auge, und irgendwann wird auch das rechte Auge so werden, und irgendwann wirst du keine Lust mehr haben, positiv zu bleiben...

Nein, ich darf nicht so denken, ich werde für mich so lange ich noch mit dem rechten Auge sehen kann, alle Vorrichtungen treffen, damit ich auf alles gefasst bin, damit ich gewappnet bin, wenn eines Tages das Dunkel oder nur das Grau um mich herum ist.Ich habe ein audio-Programm bei windows gefunden, mit dem ich ganz einfach Sprache aufnehmen kann, - dann gibt es eben hörbare Tagebuchaufzeichnungen, wenn ich nicht mehr schreiben kann...

Und ich werde hoffen, hoffen, hoffen, dass eines Tages die Wissenschaft entdeckt, dass diese verdammte Krankheit noch besser behandelt werden kann.

Ich will auch nicht fragen, warum , warum, warum? Es ist nunmal da und ich werde damit leben.

Ich danke Fritz, dass er sich so lieb um mich kümmert, ich bin froh, dass ich ihn habe, -nein, ich will nicht klagen.

Vielleicht würde ich es gern den Kindern erzählen, aber dann wieder denke ich, die haben ihre eigenen Sorgen, und ich will sie nicht mit diesen Sorgen auch noch belasten.

Susanne hat einen neuen Arbeitsplatz und leistet Grossartiges als alleinerziehende Mutti mit pubertierenden Zwillingen und einem vor-pubertären Einzelkind, - Martin und Cindy haben die Firma, den Neubau und ihre drei Kinder, - Wolfram ist mit seiner neuen Selbständigkeit voll gefordert, und Uli und Tamara schweben im Liebesglück, - was soll da eine Mami, die mit ihren Klagen NICHTS besser macht? Ich will ja auch gar nicht, dass man mich bedauert, will nicht ständig gefragt werden, wie es mir denn nun geht und was man hätte tun können und ob es nicht eine Lösung gibt, irgendwo in einer Superklinik ...

Freitag, 17.2.2012

Mein Augenarzt ist zufrieden: Augendruck ist o.k., Netzhaut liegt gut an, das Loch wird bleiben, daran kann man nichts ändern. Aber ständige Kontrolle ist weiter nötig.

Er bestätigt mir nochmals, dass es wohl nichts gebracht hätte, wenn wir Hals über Kopf versucht hätten, irgendwie nach Graz - auf Umwegen und beschwerlich - zurückzukommen.

Das Loch war für Blitzaktionen schon zu groß!

Ich darf jetzt mit der demütigen Haltung am Tag langsam aufhören. Früher habe man die Patienten tagelang mit verklebten Augen in abgedunkelte Räume gelegt, und dann zum Angewöhnen Brillen mit winzigem Sehschlitz aufgesetzt... Na, in 20 Jahren wird man über unsere heutige Behandlung lachen. In zwanzig Jahren... lache ich da noch?

12.00 Gerade hat Cindy aus Dresden angerufen: Hallo wie gehts Euch? Natuerlich sage ich gut, gut, bestens! - Was bringt es denn, wenn ich ihr die ganze Jammergeschichte erzähle, während bei ihr vielleicht das Fertiggericht anbrennt, Vinzenz auf die Schnute fällt, Anni schmollt und nichts oder alles will, - was bringt es, wenn sie darauf Martin in der Firma anruft, stell dir vor, deine Mutti ist wieder operiert worden, dann ruft er hier an, zumindest fühlt er sich den ganzen Tag dazu verpflichtet, und dann geht das Erzählen von neuem los... nein, es bringt nichts.

Unser Leben, unsere Krankheiten, - aus basta.

Samstag, 18.2.2012

Nun ist es raus: Alles, was ich neben der noch vorhandenen kleinen Gasblase im Raum entdecken kann, zeigt: ich sehe auf dem linken Auge weiterhin Wellen, beim Fernsehen die verzerrten Gesichter, - irgendwie ist das Rechte auch nicht ganz so wie es sollte, - vielleicht bin ich nur zu sensibel, - aber bis jetzt habe ich den Eindruck, je mehr Blickwinkel nach der Gasblase hervorkommt, desto schlechter ist derselbige. -

Dienstag, 21.02.2012

Heute abend ist plötzlich die Gasblase ganz weg und morgen ist Aschermittwoch!

Ich habe eine neue Trost-Psychologie:

Es ist doch eigentlich wurscht, ob ich den Straßenlampenpfahl wellig oder gerade sehe, oder?

Und dass unsere Fensterrahmen gerade sind, weiss ich ohnehin, ... also...

Lesen kann ich gar nicht mit dem linken Auge, aber wozu habe ich das Rechte??? ..

denn wie heißt es beim ZDF? Mit dem Zweiten sieht man besser! Basta!

Dienstag, 28.2.2012

Beim Spazierengehen beobachte ich immer wieder, WIE ich die Umgebung sehe:

Mit beiden Augen irgendwie "unbeholfen", "nicht ganz fertig", irgendetwas fehlt, ich finde kein richtiges Wort für das, was und wie ich doch immer noch sehr, sehr gut sehe.

Nur mit dem rechten guten Auge: Nunja, da ist immer noch die Gel-Schlabbe, die mich seit letztem Mai stört, mich unsicher macht beim Fahren, beim Genau-Hinsehen, wenn ich mich ganz besonders konzentriere. Wenn sie dann weggeplinzelt ist, sehe ich gut.

Nur mit dem linken, Makula-Loch-Auge: Oh, mein Gott, - ja, zugegeben, es ist nicht so schlimm wie auf Gomera und vor der Operation.

Da, wo ich hinsehe, gibt es noch Löcher in den Senkrecht-Linien, wenn ich dann weiter hoch oder woanders hinschaue, folgt das Loch dem Blick usw.

- aber wenn ich nur DAS Auge gebrauchen könnte, oder im schlimmsten Fall das Rechte auch so werden würde, - dann könnte ich NICHTS mehr lesen, - NICHTS MEHR SCHREIBEN, - NICHT MEHR FERNSEHEN , nur noch in der bekannten Gegend herumtasten,

... und auch dann werde ich immer noch dankbar sein, dass ich DAS noch kann, ---

Freitag, 30.3.2012 Status quo:

Ich kann große Überschriften in der Zeitung lesen, allerdings sind die Buchstaben wellig und krumm, aber ich kann sie wenigstens LESEN. Kleinere Schrift ist auch wellig, die Buchstaben purzeln wie besoffen herum, - aber mit großer Überlistung kann ich sie erraten! -

Es ist sehr, sehr anstrengend, aber ich bin dankbar, dass es wenigstens SO ist.

Hier sind interessante Links zum Thema Makulaforamen:

http://www.auge-online.de/Therapie/Netzhautoperationen/netzhautoperationen

http://www.auge-online.de/index.html

Selbsthilfegruppe hier:

http://www.netzhaut-selbsthilfe.de/index.php?menuid=12

http://www.augenaerzte-thun.ch/pdf/patienteninfo/diabetes_und_auge.pdf

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