Presseberichte 2015

20.01.2015 | Obdachlosigkeit - sich der Herausforderung stellen!

Aus der Geschichte des Islamseminars:

28.01.2014

 

 

„Keine Waffenlieferungen – egal an welche Seite“

Andreas Zumach berichtete über den Konflikt in Syrien

 

 

DORTMUND - Syrische Flüchtlinge aufnehmen, Geld für humanitäre Hilfe vor Ort zur Verfügung stellen und„keinerlei Waffenlieferungen mehr in diese Region, egal an welche Seite.“ Diese drei Forderungen stellt Andreas Zumach, Journalist am UN-Sitz in Genf und Buchautor, am Ende seines einstündigen Vortrages in der Auslandsgesellschaft NRW. Auf Einladung des Dortmunder Islamseminars und in Kooperation mit der Auslandsgesellschaft sowie verschiedenen Dortmunder Friedensinitiativen erläutert er die komplexe Situation im syrischen Bürgerkrieg.

„Die im Dezember 2010 begonnenen Freiheitsbestrebungen der Menschen in Nordafrika und im Nahen Osten werden alle Staaten in dieser Region erfassen und dort zu gravierenden Änderungen führen“, ist sich Zumach sicher. Wie der Fall der Mauer 1989 zögen auch diese aktuellen Ereignisse „historische Umwälzungen“ nach sich. Der Konflikt in Syrien begann im Anfang 2011 gewaltfrei. „Die Menschen forderten grundlegende Freiheits- und Menschenrechte. Sie demonstrierten friedlich gegen willkürliche Verhaftungen, forderten Presse- und Versammlungsfreiheit.“ Sie wollten eine Perspektive für ein „besseres Leben“. Syriens Präsident Bashar al-Assad, Führer der seit den 1960er Jahren regierenden Baath-Partei, reagierte sehr schnell mit Gewalt auf die friedlichen Proteste. „Trotzdem blieben die Proteste der Opposition, zu deren politischen Akteuren der Nationale Übergangsrat Syrien und der Syrische Nationalrat gehören, bis Oktober 2011 gewaltfrei.“ Genauso verhielt sich vorläufig auch die Freie syrische Armee (FSA). In der FSA sammelten sich Deserteure der Streitkräfte Syriens, die nicht bereit waren, auf ihre Landsleute zu schießen.

 

„Die Situation in Syrien kippte im März/April 2012, als die, Freunde Syriens‘ begannen, die Opposition massiv finanziell und im Hintergrund auch militärisch zu unterstützen“, weiß Zumach. „Da musste auch ein begnadeter Vermittler wie Kofi Annan scheitern.“ Der UN-Sonderbeauftragte hatte einen Sechs-Punkte-Friedensplan vorgelegt, der die Zusammenarbeit aller Beteiligten beim politischen Prozess, einen von den UN beobachteten Waffenstillstand, den ungehinderten Zugang von humanitären Organisationen in die von Kämpfen betroffenen Gebiete, die Freilassung politischer Gefangener, Bewegungsfreiheit für Journalisten im ganzen Land sowie die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit in Syrien vorsah.

Inzwischen heizen weitere bewaffnete Akteure den Konflikt an. Dazu zählen der „Islamische Staat im Irak und der Levante“, die „al-Nusra-Front“ – beide stehen der Terrororganisation al-Qaida nahe – und der Dachverband Islamische Front, der von Saudi-Arabien unterstützt wird. Alle drei weigern sich, mit al-Assad zu verhandeln. Sie sind auch nicht in die Friedensgespräche Genf II eingebunden. Die Verhandlungen in Genf gestalten sich unter der Führung des UN-Vermittlers Lakhdar Brahimi als äußerst schwierig. Andreas Zumach: „Am ersten Tag weigerten sich alle Konfliktparteien, das Verhandlungsgebäude der UN zu betreten. Sie blieben in ihren Hotels und Brahimi pendelte von einem zum anderen. Am zweiten Tag saßen sie im Verhandlungsgebäude, aber in getrennten Räumen. Wieder pendelte Brahimi.“ Tag drei brachte die verfeindeten Parteien immerhin im selben Raum zusammen. „Allerdings nicht an einem Verhandlungstisch, sondern jeder in seiner Ecke. Man sprach auch nicht miteinander, sondern nutzte Brahimi als Sprachrohr.“

Am vierten Tag keimte erste Hoffnung auf. „Die Verhandlungsführer vereinbarten humanitäre Erleichterungen für die eingeschlossenen Menschen in Homs.“ Die Altstadt von Homs wird seit Monaten von Rebellengruppen gehalten und von syrischen Regierungstruppen belagert. „Vereinbart wurde, dass Frauen und Kinder die Stadt verlassen dürfen. Männer müssten sich allerdings erst einer Kontrolle unterziehen. Zudem sollen Hilfstransporte der UN nach Homs fahren dürfen.“ Mit diesen Hilfslieferungen werde dort die hungernde Zivilbevölkerung versorgt. Die Lastwagen mit Lebensmitteln und anderen Hilfsgütern stehen seit langem bereit, wann sie endlich fahren dürfen, ist noch ungewiss.

„Eine halbtägige Feuerpause für Homs wäre ein weiterer großer Fortschritt“, wagt Andreas Zumach einen Blick in die Zukunft. Des Weiteren würden die Bildung einer Übergangsregierung und die Möglichkeit eines Gefangenenaustausches bei den Friedensverhandlungen in Genf auf der Tagesordnung stehen.

 

UK / Presseselle ekkdo / chk

 

Bildzeile

Andreas Zumach (Bildmitte) berichtete in der Auslandsgesellschaft NRW über den Syrienkonflikt.

Foto: Stephan Schütze

 

30. Juli 2013

20 Jahre Fastenbrechen des Islamseminars

„Werden die Christen kommen?“ An diese Sorge vor dem ersten Fastenbrechen des Islamseminars vor 20 Jahren erinnerte Ahmad Aweimer vom Rat der muslimischen Gemeinden in Dortmund. „Ja, Sie sind gekommen und das gemeinsame Fastenbrechen ist Tradition geworden“, freut er sich. Denn mehr als 100 Menschen nahmen in diesem Jahr daran teil.

Zum Iftar, dem Fastenbrechen, hatte das Dortmunder Islamseminar Ende Juli in die Moschee des Verbandes der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) eingeladen. „Seit 40 Jahren ist der VIKZ in Dortmund tätig“, erinnerte Imam Yunus Celik bei seiner Begrüßung in der Bachstraße. Der VIKZ übernehme seitdem Verantwortung für die Menschen in der Stadt und leiste einen Beitrag für den Frieden in der Gesellschaft. „Wir fördern die Jugend, bieten Bildung - auch Deutschkurse -, an“, beschreibt er die Arbeit des Verbandes.

Das jährliche gemeinsame Fastenbrechen des Islamseminars sei „Integration, wie sie besser nicht sein kann“, erklärte der Präsident der Auslandsgesellschaft NRW e.V., Klaus Wegener, in seinem Grußwort. Friedhelm Sohn, Vorsitzender des Ausschusses für Kinder Jugend und Familie der Stadt Dortmund, wünscht sich ein Fastenbrechen an einem prominenteren Ort in größerem Rahmen. Es sei ein kleines Zeichen der Völkerverständigung.

„Leben ist Begegnung, besonders da, wo man sich noch nicht kennt. Das ist anstrengender aber auch wertvoller“, sagte Ludger Hojenski, stellvertretender Stadtdechant der Katholischen Kirche. „Sie bringen Ihre Identität in die Stadt ein, danke dafür.“ Für Alfons Wiegel, katholischer Pastor aus der Nordstadt, sind es die Religionen, die Menschen zusammenführen. „Wir glauben an einen Gott, der uns das Miteinander schenkt“, erklärte er.

 

 

Das gemeinsame Fastenbrechen des Islamseminars ist für Hans Steinkamp vom Evangelischen Bildungswerk Dortmund ein Zeichen dafür, dass die Religionsgemeinschaften zusammengewachsen sind. Es zeige, wie auch der vollendete Rohbau der Moschee in Hörde, dass die Muslime in Dortmund angekommen sind.

Das Islamseminar feiert sein 20-jähriges Bestehen am 16. November ab 11 Uhr im Dortmunder Rathaus. Es wurde nach den Anschlägen in Solingen im Juni 1993 gegründet. Im Herbst startete es seine Veranstaltungen. Mittlerweile sind es mehr als 200.

Träger des Islamseminars sind die DITIB-Gemeinden Dortmund, der Islamische Bund e.V., das Katholische Forum, die Moschee Bachstraße des VIKZ und das Evangelische Erwachsenenbildungswerk der Vereinigten Kirchenkreise Dortmund. Mark Fäth UK / www.vkk.org

 

25.Juni 2013

Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde

Interreligiöses Gebet zu „Die Würde des Menschen ist (un)antastbar

DORTMUND – Das Kreuz des Christentums und der siebenarmige Leuchter des Judentums, der Schriftzug Allahs und der neunzackige Stern der Bahá’i – die Symbole von vier Weltreligionen präsentierte der Lichtmaler Leo Lebendig in einer kleinen Installation vor dem Altarraum der Kirche St. Bonifatius. Symbole des Glaubens der Religionen an ihren Gott. An denselben Gott? Der Großteil der weit über hundert Besucherinnen und Besucher der katholischen Kirche in der Nähe des Rheinlanddamms wird die Frage bejaht haben. Sie waren am 25. Juni zum 18. Interreligiösen Gebet für Frieden und Versöhnung gekommen.

Akteure wie Besuchende waren Angehörige der vier Religionen. Gemeinsam suchten sie einen religiösen Zugang zu dem wichtigen profanen ersten Artikel des Grundgesetzes. „Die Würde des Menschen ist (un)antastbar“, so das Thema des Abends.  In den Texten  und Gebeten aus den unterschiedlichen Religionen wurde deutlich, was sie dazu sagen und vor allem, wie inhaltlich ähnlich die Aussagen sind. „Der grundlegende Text“, so Barbara Samuel von der Jüdischen Kultusgemeinde, „für die Begründung der Würde des Menschen steht in der Bibel im Schöpfungsbericht.“ Es ist Genesis 1,27: „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde.“  Diese Gottesebenbildlichkeit sei es, die die Würde und Freiheit jedes Menschen begründe. Und seine Gleichheit. „Ein Araber“, las Thomas Ridwan Heimburger aus der Abschiedsrede – dem „Testament“ – Mohammeds, „ist nicht vorzüglicher als ein Nichtaraber, noch ein Nichtaraber vorzüglicher als ein Araber; ein Schwarzer ist nicht vorzüglicher als ein Weißer, noch ein Weißer vorzüglicher als ein Schwarzer.“ Die Wurzel menschlicher Größe, so Minu Hedayati für die Bahá’i, seien „gute Eigenschaften und Tugenden“.  Dass die Überlieferungen der Religionen auch Motivation zum Handeln sein kann, machte Ute Guckes im christlichen Gebet deutlich: „Wir bitten dich Gott, mach uns mutig einzugreifen, wenn wir sehen, dass jemand ungerecht behandelt, bedrängt oder misshandelt wird.“ Dieses Motiv des Aktivwerdens für die Gerechtigkeit griff Rainer Schwarz im gemeinsamen Gebet der Religionen an den einen Gott auf: „Hilf uns einzutreten gegen Ausgrenzung, hilf uns einzutreten gegen Ausbeutung, hilf uns einzutreten gegen das hemmungslose Ausleben des Eigennutzes.“

Musikalisch begleitet haben den Abend David Orievski (Violine), Sabine Lurie (Gitarre) und Bernd Rosenberg (Akkordeon). Großen und anhaltenden Applaus gab es für ihre Musikstücke aus der jüdischen Tradition.

Das Interreligiöse Gebet wird jährlich einmal veranstaltet u.a. von den Vereinigten Kirchenkreisen, der Katholischen Stadtkirche, der Jüdischen Kultusgemeinde, der Bahá’i-Gemeinde, verschiedenen Moscheegemeinden und dem Dortmunder Islamseminar.

 

Bildzeile: Zum 18. Mal veranstaltete der Trägerkreis aus Juden, Muslimen, Christen und Bahá’i das gemeinsame Interreligiöse Gebet. 

 

28. Mai 2013

Von der Toleranz zum Miteinander

DORTMUND – „Das ist ganz schön kompliziert“ gab Prof. Dr. Klaus von Stosch gegen Ende seines Vortrags zu.  Was er den knapp 30 Anwesenden, Christen und Muslimen, bei der Veranstaltung des Dortmunder Islamseminars Ende Mai anbot, war tatsächlich schwere Kost.

 

 

Prof. Stosch (hinten links) ist Lehrstuhlinhaber für katholische Theologie und Vorsitzender des Zentrums für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften an der Universität Paderborn.  In der Abu-Bakr-Moschee referierte er zum Thema „Von der Toleranz zum Miteinander“. Die Quintessenz stellte er dem Publikum gleich zu Anfang dar: „Es geht darum, aus der eigenen Tradition heraus in den Dialog und zum Miteinander zu kommen.“ Hört sich leicht an, doch der Teufel steckt im Detail. Ein Miteinander verschiedener Kulturen, gegenseitige Würde und Wertschätzung seien im Alltag leicht, in der Theologie schwer. Denn alle drei abrahamitischen Religionen, so Stosch, würden nämlich „die letztverbindliche Offenbarung von Gottes Willen bezeugen“. Diese absolute Wahrheit, die jede der Religionen für sich beanspruche, stünde der angestrebten Vielfalt konträr gegenüber. „Wie kann ich nach Wahrheit suchen und doch die Vielfalt würdigen?“, fragte Stosch. Seine Antwort: Das könne man nur dann erreichen, wenn man die eigene Wahrheit so durchdenkt, dass es gelingt, den anderen mit Wertschätzung zu begegnen. Es gehe nicht darum, zu behaupten, dass „alle Religionen irgendwie Recht haben“.  Vielmehr solle man sich in die jeweils „andere religiöse Tradition“ hineindenken, ohne sie zu übernehmen. Stosch: „Der Versuch, dem anderen nahe zu kommen, ihn zu verstehen, führt mich auch an die eigenen Abgründe.“ An der Universität Paderborn, so eines seiner Beispiele, müsse man beim Studium der katholischen oder evangelischen Theologie auch islamische Theologie studieren – und umgekehrt. Das habe, so ein weiteres Beispiel, dazu geführt, dass eine Muslima bisher bei der Prüfung in der Trinitätslehre am besten abgeschnitten hatte. „Den anderen zu verstehen und zu würdigen, hilft ungemein, ins Eigene vorzustoßen.“ In diesem Sinne gab es ein Lob für das Islamseminar, das genau dies mit dem „Interreligiösen Gebet“ mache. Seine Aufforderung an die Vertreter der verschiedenen Religionen: „Es braucht Christen und Muslime, die das widerständige Potenzial ihrer Religion einsetzen, damit die Welt besser wird.“  ubi / Dr. Uwe Bitzel /UK / www.vkk.org

 

23. April 2013 

Gemeinsam Beten vor Gott

Jubiläumsauftakt des Dortmunder Islamseminars

DORTMUND – Mit einem gemeinsamen Gebet in der Stadtkirche St. Petri  hat das Dortmunder Islamseminar Ende April  den Reigen seiner Jubiläumsveranstaltungen eröffnet.  „Ich freue mich“, so Stadtkirchenpfarrerin Barbara von Bremen bei der Begrüßung,  „dass es das christlich-islamische Gebet bereits seit 20 Jahren gibt“.  Sie kündigte an: „Es geht heute auch viel um Musik.“ Tatsächlich bestritt Georg Borgschulte und die Musikgruppe „Cantico“ einen großen Teil der Veranstaltung mit Liedern aus christlicher und islamischer Tradition. Bei letzteren, so bekannte Borgschulte, hätte er „Nachhilfeunterricht“ genommen. Der muss allerdings perfekt gewesen sein, denn Cantico interpretierte auch Lieder wie „Bismi´llah ir-Rahman ir-Rahim“ eindrucksvoll.

 

 

 

Über die 20 Jahre hinweg sei das Islamseminar für sie eine „Plattform“ gewesen, das „Fremde kennenzulernen“, sagte die islamische Theologin Saniye Özmen.  „Es waren 20 Jahre, die uns alle bereichert haben, uns zu Freundinnen und Freunden gemacht haben“, ergänzte von christlicher Seite Ute Guckes. Die gemeinsame Überzeugung sei, so führte sie aus, „dass wir unser Leben vor Gott leben.“ Deswegen sei nicht nur eine gegenseitige Toleranz, sondern auch Solidarität gefordert. Gott sei für Muslime und für Christen der gleiche. Trotz Unterschiede der Religionen sei ein gemeinsames Gebet möglich./Dr. Uwe Bitzel / UK / www.vkk.org

 

28.Juni 2012

Religionen sind unterschiedliche Dialekte Gottes

Islamseminar mit Bischöfin Wartenberg-Potter und Staatssekretärin Kaykin

DORTMUND - „Heute müssen wir eine gemeinsame Antwort finden, wie es mit der Menschheit weitergehen soll.“ Das ist nach Meinung der ehemaligen Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter eine der wichtigsten Aufgaben aller Religionen. Gemeinsam mit Zülfiye Kaykin, NRW-Staatssekretärin, war sie zu Gast beim Dortmunder Islamseminar. „Ein Abend zum Kennenlernen von zwei Persönlichkeiten“ aus der christlichen und der islamischen Religion sollte es werden.

Tatsächlich waren beide bereit, sich zu ihrem Leben und Denken, zu ihrem Religionsverständnis und zum interreligiösen Dialog befragen zu lassen. Und tatsächlich kamen auch beide miteinander in den Dialog. Das war gar nicht so einfach, denn beide hatten sich erst an diesem Abend kennengelernt. Es wurde, so Wartenberg-Potter, „ein Dialog aus dem Stand“. Bei dem Gespräch untereinander und mit dem Publikum wurde schnell  klar: trotz deutlicher Unterschiede haben sie große Gemeinsamkeiten.  Bischöfin Wartenberg-Potter stammt aus einer Familie der deutschen Mehrheitsgesellschaft. „Ich hatte eine fromme Mutter und als Kinder waren wir fleißige Kirchgängerinnen.“ In den sechziger Jahren studierte sie Germanistik und Theologie. Rückblickend sagt sie: „Ich gehörte zur ersten Generation von Frauen, die Theologie mit dem Berufsziel Pfarrerin studieren konnte.“ Ganz anders Kaykin: Geboren in der Türkei wuchs sie in einer Großfamilie auf. 1968 kam sie als neunjähriges Kind nach Duisburg. „Mein Vater arbeitete hier bei Thyssen.“ Selbst kaum deutsch sprechend, musste sie als ältestes Kind alle Behördengänge erledigen. Im Alter von 16 Jahren begann sie eine Ausbildung. „Ich wurde in dem Familienunternehmen so herzlich aufgenommen, dass ich nie das Gefühl einer Ausgrenzung hatte.“

 

 

Die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Frauen beginnen in einem ähnlichen Alter. Für Wartenberg-Potter stellte sich während des Studiums , für Kaykin während der Ausbildung die Sinnfrage. Beide stellten sie  bei der Veranstaltung des Islamseminars nahezu wortgleich: „Wozu ist der Mensch auf der Welt?“  Die Antwort darauf formulierten sie nicht wort-, aber inhaltlich gleich. „Jeder Mensch ist nach dem Bilde Gottes geschaffen“, so Wartenberg-Potter. Deshalb sei es eine „Riesenentdeckung“ gewesen, dass es andere Konfessionen und andere Religionen gibt.  „Ich liebe die Menschen, weil Gott sie erschaffen hat“ formuliert Kaykin. Unterschiedlich seien wir, damit Dialog und Begegnung möglich seien. Wartenberg-Potter ist überzeugt: „Wir beten alle zu dem gleichen Gott.“ Die Religionen seien gar nicht so verschieden. „Sie sind die unterschiedlichen Dialekte Gottes, Antworten des Glaubens aus den verschiedenen Jahrhunderten.“

Kaykin hatte sich in der DITIB-Moschee in Duisburg-Marxloh engagiert und war hier von 2005 bis 2010 hauptamtliche Geschäftsführerin.  „Ich bin keine ausgebildete Theologin und habe mich nie als Erklärerin des Islam gesehen.“ Der Islam sei ein Teil Deutschlands und müsse als solcher eine „würdige Repräsentanz“ haben. Integration ist für sie ein „Querschnittsthema“, das alle Politik- und gesellschaftlichen Felder betrifft.  Es sei wichtig, sowohl bei den muslimischen Organisationen als auch in der Mehrheitsgesellschaft, in Kirchen und Politik, Integration zu fördern.

Wartenberg-Potter, von 2001 bis 2008 Bischöfin der Nordelbischen Kirche, arbeitete zuvor u.a. beim Ökumenischen Rat der Kirchen, als Universitätspfarrerin in Kingston und war Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Christliche Kirchen. Über die Solidaritätsbewegung mit Südafrika und die Antirassismusarbeit fand sie zur feministischen Theologie. /Dr. Uwe Bitzel / UK / www.vkk.org

 

28.Februar 2012

Panikmache verkauft sich gut

Der Historiker Benz sprach beim Islamseminar zum Thema der „Islamfeindlichkeit“

DORTMUND - Der Untergang des Abendlandes droht. Und zwar durch den Islam. So schreibt beispielsweise der Bestsellerautor Udo Ulfkotte in einem seiner vielen Bücher, dass 1982 die Muslimbruderschaft einen geheimen Masterplan zur Eroberung der Weltherrschaft entworfen hätte.  Auch wenn die Islamfeindlichkeit nicht immer solch abstruse Formen der Verschwörungstheorie annimmt, gibt es in der deutschen Bevölkerung eine Vielzahl von Vorurteilen gegen den Islam und gegen Muslime. Das Dortmunder Islamseminar hatte deshalb Prof. Dr. Wolfgang Benz zum Thema „Vorurteile, Islamkritik, Islamfeindlichkeit“ eingeladen. Benz , einer der profiliertesten deutschen Vorurteilsforscher, ist Historiker und war Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin.  Er ist Mitherausgeber der in Wissenschaftlerkreisen renommierten „Zeitschrift für Geschichtswissenschaft“.

Benz beobachtet spätestens seit den Terroranschlägen vom 9. September 2001 ein Anwachsen der Islamfeindlichkeit. Die Mehrheit der friedlichen Muslime würde mit der kleinen Minderheit einiger Fanatiker gleichgesetzt. „Das ist die Methode der Stigmatisierung.“ Dabei schlug der Historiker Benz in seinem Vortrag einen zeitlichen Bogen zurück bis in das Hochmittelalter. Denn diese Stigmatisierung  „greift auf jahrhundertealte Deutungsmuster zurück.“ Bereits die Kreuzzüge seien mit dem als Katastrophe begriffenen Fall von Konstantinopel die Ursache von weitverbreiteten Phobien gewesen. Im Laufe der Zeit seien sie zur „Meistererzählung der Bedrohung des Abendlandes“ geworden.  Dabei seien der Islam und die Muslime „mit allen Kräften delegitimiert worden“.  Interessant: Die katholische Kirche hätte den Propheten Mohammed und den Reformator Martin Luther als Häretiker gleichgesetzt.

Bildzeile: Der Historiker Prof. Dr. Wolfgang Benz (2. v.r.) sprach Ende Februar zum Thema „Islamfeindlichkeit“ vor dem Dortmunder Islamseminar.

Die aktuelle populistische Islamfeindlichkeit arbeite mit den gleichen Mittel der Konstruktion von Feindbildern. Die Abwehrreflexe dagegen würden ausgenutzt und gleichzeitig der Wunsch „nach einfacher Welterklärung“ bedient. Bei diesen Deutungen agierten „zweifelhafte Experten im Schulterschluss mit Rechtspopulisten“. Benz sieht „signifikante Parallelen zum Antisemitismus“ der letzten Jahrhunderte. Jetzt sei die Judenfeindlichkeit durch die Islamfeindlichkeit abgelöst.

Benz zog den Schluss: Ob Überfremdung oder Untergang des Abendlandes – „diese Gefahren existieren nicht, doch Panikmache verkauft sich gut.“

Das Dortmunder Islamseminar ist eine gemeinsame Initiative von evangelischen, katholischen und islamischen Einrichtungen. Weitere Informationen gibt es unter www.islamseminar.de. /Dr. Uwe Bitzel / UK / www.vkk.org

 

Fotos: Stephan Schütze