Die Geschichte des Radios und die persönlichen Geschichten als Erinnerung für die nachfolgenden Generationen.
Mir wurde ein Radio- und ein Musik-Gen durch Eltern und Großeltern vererbt. Mein Urgroßvater mütterlicherseits spielte in einem Militärorchester, starb aber schon im ersten Weltkrieg und mein Vater hörte schon in den 1920iger Jahren mit langer Antenne, gespannt quer über ihren Vierseiten Bauernhof mit einem Detektorradio plus Kopfhörer den Sender aus Königs Wusterhausen. Mit seinem älterem Bruder lag er radiohörend abends im Bett, wenn es der Vater erlaubte. Die Mutter war schon gestorben. Jeder hatte eine Ohrhörermuschel am Ohr.
Der jüngere Bruder durfte nicht mithören - es gab ja auch nur einen Kopfhörer mit zwei Ohrmuscheln. Königs Wusterhausen ist die Wiege des Deutschen Rundfunks.
Karte meines Vaters an seine geliebte Meta
Meine Eltern hatten ein Grammophon mit Kurbel, das ich als Kind mit Begeisterung benutzte.
Ab 1934 hatten meine Eltern einen Volksempfänger VE 301W. Mein Vater mußte 1939 in den Krieg. Drei Frauen und 4 Kinder hörten im kleinen Keller Radio, auch den verbotenen Londoner Rundfunk.
Mein Vater überlebte Krieg und englische Gefangenschaft. Das Radio mußte abgegeben werden und mein Vater arbeitete als Selbständiger Handwerksmeister etliche Wochen für ein paar Säcke Korn. Das Korn tauschte er gegen einen alten Radiosuper T876WK, der in unserer Wohnstube. aufgestellt wurde. Für das Betreiben das Radios war noch eine Rundfunkempfangsgenehmigung von der Post und der russischen Kommandantur erforderlich! In der Werkstatt meines Vater, die gleich um die Ecke lag, war ein zweiter Lautsprecher angebracht, der DKE38-Zusatzlautsprecher. Das bedeutete, mein Vater mußte immer das hören was meine Mutter hörte.
Der DKE38-Zusatzlautsprecher WLSpkl
Telefunken Deutschland Gross-Super T876WK
Baujahr: 1938/1939, Hochglänzendes Edelholzgehäuse, 6 Röhren: ACH1, AF3; AB2, AL4, AM2, AZ1. Langwelle, Mittelwelle und Kurzwelle 298.00 RM
1956 kaufte mein Vater die Musiktruhe 8E153A Rigoletto.
VEB RFT Stern-Radio Stassfurt - Stern 8E153A Rigoletto
Baujahr: 1956, Musikschrank mit hochglanzpoliertem Edelholzgehäuse, UKW, 2KW, MW ,LW, TA, 2xEC92, ECH81, EF85, EABC80, EL84, EM11, EZ80, Plattenspieler mit drei Geschwindigkeiten, 2 Breitbandlautsprecher
Diese Musiktruhe stand nun in unserem Wohnzimmer und wurde, wie auch schon der Telefunken, nach dem Aufstehen eingeschaltet und erst zum Schlafengehen ausgeschaltet. Den ganzen Tag wurde der Klassenfeindsender Rias Berlin "Eine freie Stimme der freien Welt gehört". Selten hörte ich mal ein Kinderhörspiel des Deutschlandsenders. Aber jeden Sonntag um 10 Uhr "Der Onkel Tobias vom Rias ist da". Soweit ich weiß, hat sich nie ein Kunde bei meinem Vater über das Hören des Rias (Rundfunk im amerikanischen Senktor) beschwert.
Onkel Tobias vom Rias - FRITZ GENSCHOW - Erinnerungen (von 1947 bis 1969)
Besonders beliebte Sendung des Rias - Günter Neuman und seine Insulaner (hier 1949)
Dett sind wir/Bruno Fritz (Insulaner)
Günter Neuman und seine Insulaner (hier 1962)
Freiheitsglocke Berlin Schöneberg mit Schwur (Rias)
Anmerkung: Bei unseren Verwandtenbesuchen im Fläming/Mark Brandenburg könnten man nicht so einfach Rias hören. Während der Nachrichtensendungen wurde Rias durch einen sehr starke Ost-Störsender gestört. Bis 1978 hörte man dann nur Whua-Whua-Whua.
"Wer den Rias hört, den Frieden stört", zur Geschichte der Störsender in der DDR.
"Diese Kasten knipste den Klassenfeind aus"
Erinnerungen an den RIAS Berlin - Eine freie Stimme der freien Welt
Der Telefunken kam in die Werkstatt meines Vaters und der DKE38-Zusatzlautsprecher wurde in der Küche, über der Tür ins Wohnzimmer, angebracht. Wenn nicht gerade die elektrische Küchenmaschine der Ost-Wirtschaftswunderzeit oder das Staubsauger alles übertönte, konnte man hausweit Radio hören.
Die Initialzündung für meine lebenslange Radiobastelleidenschaft: Das Kinderbuch "Schnurz - die Geschichte - Der Wunderkasten" Für Leser ab 7 Jahre.
Bildquelle: Kinderbuchverlag Berlin Lizenz-Nr. 304-270/79/53
Mit 14 Jahren wußte ich schon was ich werden wollte: Rundfunk- und Fernsehtechniker. Hatte ich doch schon an alten Radios rumgebastelt, der Lötkolben in meinem Kinderzimmer schon den Teppich angekokelt und den Fußboden mit Lötzinn besprenkelt. Detektorempfänger mit Köpfhörer waren schon lange nicht mehr spannend. Außer diversen Weckern hatte ich auch das alte Grammophon und diverse alte Röhrenradios mit der legendären RV12P2000 und vielen anderen Röhren auseinander geschraubt/gelötet. Eine Solarzelle wurde aus einem Selengleichrichter gebastelt. Es hatte sich rumgesprochen, das ich an Radios bastle und alter Schrott wurde bei mir abgeladen. Aus heutiger Sicht waren auch wertvolle Sachen dabei, die aber alle längst entsorgt sind.
Damals mußte man in der Grundschule (8.Klasse) eine Abschlußprüfung machen, um dann in die Lehre zu gehen oder weiter eine Schule zu besuchen.
Meine soziale Herkunft als Kapitalistenkind, mein Vater war Handwerksmeister, erlaubte mir nicht zur erweiterten Oberschule zu kommen. Deshalb war die Mittelschule (dann umbenannt in Polytechnische Oberschule) bis Klasse 10 angesagt. Lernen fiel mir leicht und ich hatte immer Zeit für meine Bastelleidenschaft.
Meine Eltern hatten trotz aller Beziehungen keine Lehrstelle für Rundfunk- und Fernsehtechniker für mich gefunden, denn die noch privaten Meisterbetriebe wollten keine Lehrlinge mehr ausbilden. Über Umwege landete ich bei der Deutschen Post und lernte Funkmechaniker.
Der Mechanikerlehrmeister war noch ein Siemensmann. Die Ausbildung war entsprechend streng.
Die Berufschulausbildung in Berlin war exzellent. Unser Fachkundelehrer, Herr Liebscher, war ein As. Die Lehrbücher für die Funkmechaniker Bd1-3 waren hervorragend. Hier lernte ich wie Radios und Fernseher genau funktionierten. (Das spätere Studium der Elektrotechnik, Fachrichtung Hochfrequenztechnik besteht im Wesentlichen aus mathematischer Theorie in Elektrotechnik/Elektronik/Informatik). Als Lehrling entstand mein erstes selbstgebautes Radio (Audionempfänger mit der UEL 51 - die nur im Funkwerk Erfurt produziert wurde)
Eigenbau: Einkreisiges Audion mit Rückkopplung, nur Mittelwelle
Stromart: Allstromgerät (DC und AC), für 220V, nicht umschaltbar.
Bestückung: 1x UEL51, 1 Selengleichrichter
Eigenbau Sternchen - 1960
Weitere Infos im Radiomuseum:
https://www.radiomuseum.org/r/eigenbau_transistor_taschenradio_aehnlich_mit_6_v.html
3 x OC871, 3 x GC116 Abmessungen: 120 x 80 x 38 mm
Dann 1961 ein fürchterliches politisches Ereignis - Bau der Mauer - oder wie es im Ostjargon hieß: "Bau des antifaschistischen Schutzwalls". Für mich bedeutete es, die Kommunisten versperrten mir den Weg zu meinen zwei Patenonkels und zur Internationen Funkausstellung Berlin.
Für einen angehenden Funkmechaniker gab es ein neues spannendes Betätigungsfeld: Der Bau von UHF-Konverter/Tuner zum Fernsehempfang des 2. und 3. Westfernsehprogramms. Das ZDF und das III. Fernsehprogramm wurde damit umgesetzt auf Kanal 3 oder 4 VHF. Das war zwar verboten, aber selbst Autoschlosser versuchten sich daran. Die verrückteste Lösung war ein Tunergehäuse aus einen Motorradkennzeichen. Da bis in die 1960er Jahre Fernsehsendungen in Deutschland West wie Ost ausschließlich im VHF-Frequenzband ausgestrahlt wurden, besaßen die meisten in Gebrauch befindlichen Fernsehgeräte keinen UHF-tauglichen Tuner. Hier meine Sammlung dieser damals sehr gefragten Teile, die man anfangs nirgends im Osten kaufen konnte.
Erste Lösungen mit einer ECC85 (eigentlich für UKW Tuner hergestellt) oder besser mit der Spanngitterröhre EC86/E86C oder EC88/E88C und HF-Diode, die man in Berlin/Schöneweide in einem Radiobastlerladen (Radio-Themel seinerzeit das Ostberliner Atzert-Radio Pendant) kaufen konnte. Da habe ich auch eine UHF-Antenne gekauft, denn Funkamateure brauchten auch so etwas. Die später gebauten UHF Tuner benötigten 2*AF139 aus dem Westen.
Eines Tages stand auf dem Hof meiner Eltern ein NVA-Offizier und fragte nach mir. Meine Mutter bekam einen riesigen Schreck, da er mich nach besagter UHF-Antenne fragte, die er sich ausleihen möchte. Meine Adresse hatte dieser NVA-Mensch von meinem Zahnarzt, der mir beim Versilbern eines Messinggehäuses helfen sollte und der auch einen UHF Konverter brauchte. Es stellte sich schnell heraus, daß der NVA-Offizier Hochfrequenztechnik-Ing. im Lehrgeräte und Reparaturwerk der NVA in Telz (Kreis Königs Wusterhausen) war und auch UHF-Tuner bastelte. Im Werk Telz wurden Radaranlagen gebaut sowie Kalaschnikows und Kanonen gewartet und getestet, was natürlich streng geheim war, die Bevölkerung aber trotzdem wußte, wenn wieder die "produzierten Kinderwagen" zu hören waren. Ich war dann auch bei dem Offizier Zuhause und wir erprobten gemeinsam unsere UHF-Lösungen. Wie man sieht - nicht alles erfuhr die STASI.
Von den abgebildeten UHF Tunern sind nur zwei Eigenbau. Der gezeigte VHF/UHF Tuner von 1982 war in DDR-Fernsehgeräten eingebaut. Damit war der Empfang von Westsendern unproblematisch. Voraussetzung: Man wohnte nicht im Tal der Ahnungslosen...
Sterioradios gab es 1964 noch nicht zu kaufen also kam es wieder zu einer Bastelei: Hier die Lösung
1962 habe ich mir für 990 Ostmark (verdient in Ferienarbeit als Schüler und Lehrling) das Tonbandgerät RFT-KB100 gekauft. Aussteuerungsanzeige mit magischer Waage.
Rias Berlin - Schlager der Woche - wurde fleißig mitgeschnitten. Für die Beatles und die Rolling Stones arbeitete das Gerät bei Wiedergabe immer mit voller Aussteuerung. Da das mir immer noch zu leise war, baute ich mir einen Sterio Verstärker mir der rauscharmen ECC83 und der EL84. Fenster auf und alle Welt sollte meine Musik hören. Kommentar von meinem Vater, Du immer mit deinem yeah, yeah, yeah - da ich oft "She Loves You" abspielte. Noch besser fand ich die Rolling Stones mit "(I Can't Get No) Satisfaction".
1961 kaufte ich mir den T100. Als "Werkstatt WNK" bestellte ich bei VEB Stern Radio Berlin,.Liebermannstr. ein Gehäuse für den R100, der sozusagen der vergrößerte T100 ist. Den Firmennamen "Werkstatt WNK" hatte ich als Lehrling frei erfunden. Mein Bestellbrief war so abenteuerlich, daß ich diesen hier lieber nicht preisgebe. Obwohl ich nur das Gehäuse bestellt hatte, bekam ich vormontiert den Lautsprecher und das Batteriefach für 4 Monozellen zusätzlich. Dieses R100 Kofferradio war Begleiter durch mein Studium an der TU Dresden in meiner Studentenbude in der Alfred Schrapel Straße, die heute noch so heißt. Diesem R100 verpasste ich später ein neues Gehäuse (unter Verwendung einer Dia-Holzkiste gebaut - Scala oben - Designidee vom Braun SK4. Im Volksmund Schneewitchensarg genannt).
VEB RFT Stern-Radio Berlin R100
LW, MW, KW. 7 Transistoren: OC170, 2*OC871, 2*OC811, 2*OC821 290 DM
Am 21. Juli 1969, 3.56 Uhr MEZ betrat der Amerikaner Neil Armstrong den Mond, der beim Betreten der Mondoberfläche den berühmten Satz aussprach: "Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer für die Menschheit". Die Mondlandung verfolgten wir, meine Partnerin und ich im Zelt auf dem Campingplatz Dubrow-Schmölde mit dem R100 (in dem neuen Gehäuse). Das Foto entstand am darauffolgenden Tag. Wir liegen in der Hängematte, ich halte den modifizierten R100 im Arm ;-).
Zurück zu 1962. Da kaufte sich mein Vater für seine Werkstatt den Oberon. Der Telefunken landete in meinem Kinderzimmer.
VEB RFT Stern-Radio Rochlitz - Oberon Mono
1961-63, 8 Kreis(e) AM 12 Kreis(e) FM, 10 Röhren ECC85, ECH81, EF89, EBF89, EM84, EAA91, ECC83, EL84. EZ81, Langwelle, Mittelwelle, zwei mal Kurzwelle und UKW. Preis 680,- Mark /DDR. Dieser spielt im Arbeitskellerraum noch bestens, nur mit der eingebauten UKW Antenne.
Da ich inzwischen wußte, wie Radios und Fernseher funktionierten, konnte ich in Schwarzarbeit Fernseher reparieren und mir als Lehrling ein wenig Geld verdienen. Durch einen Lehrling erfuhr ich, dass man bei der Volkshochschule auch Abitur machen kann. Mit einer Verspätung von 6 Wochen meldete ich mich zum Abiturkurs. Man sagte mir, die Zeit könne ich nie aufholen, aber man nahm mich. Inzwischen hatte ich ausgelernt, wollte aber keinen Schichtdienst am Sender in Königs Wusterhausen machen. Mein Vater kannte einen Arzt, der mir ein Attest über eine Gastritis schrieb. Damit war Schichtdienst nicht möglich und ich bekam eine Arbeit als Schlosser bei der Deutschen Post, denn Planstellen für Funkmechaniker waren nicht verfügbar. Also machte ich in weniger als 2 Jahren mein Abendschulabitur mit weiteren fünf Abendschülern, die durchgehalten hatten. Bei weniger als 6 Abendschülern eines Jahrgangs wird der Kurs nicht weitergeführt, was tatsächlich beim Kurs im Jahr danach passierte. Aber ich hatte mein Abitur in der Tasche und konnte mich an der TU Dresden bewerben. Ich wurde immatrikuliert und konnte das Praktikumsemester noch weiter als Schlosser arbeiten und Geld verdienen und bei einer Kabarettgruppe Klavierspielen, wozu ich die ganzen Abendschuljahre keine Minute Zeit hatte. Für einen Lehrer der Abendschule reparierte ich ein Radio und durch Zufall war seine Mutter Sekretärin bei einer Fahrschule und ich hatte den Schnelleinstieg zu dieser und machte mit nur 7 Auto-Fahrstunden (!!!) und wenigen Motorrad-Fahrstunden (Gespann) meine Fahrerlaubnis ohne viele Urlaubstage dafür zu verbrauchen. Mein Vater staunte nicht schlecht, als ich vor Fahrantritt zum Zelten an der Ostsee sagte, diesmal fahre ich (dazu noch mit Autoanhänger). Nur meine Mutter wußte vorher Bescheid. Im Wartburg 311 hatte ich den Autosuper Autoportable Stern A110 eingebaut.
VEB RFT Stern-Radio Berlin R100
LW, MW 10 Transistoren: 2*OC822, 2*OC871, 2*OC816, 2*OC821, 2*OC1016 498 DM
2*OC1016 sind in der Zusatzendstufe eingebaut (die immer im Auto verbleibt).
1968 kaufte ich in Dresden (Funkamateur) ein DDR Radio, das nicht nach England exportiert werden konnte, da offenbar Devisenmangel für den vorgesehenen englischen Plattenspieler oder andere Gründe gegen einen Export sprachen. Jedenfalls modifizierte ich das exklusive Nussbaumgehäuse und baute den Plattenspieler ZIPHONA PERFEKT ein. Im Radiomuseum fand ich nur eine Variante unter Phono-Star 5440, das auch als Exportgerät mit dem Dual 410 aus Westdeutschland ausgewiesen wird. Ich habe damit ein absolutes Unikat auf Basis des Intimo 5440 . Die Ähnlichkeit zum Braun SK5 (Schneewitchensarg) ist unverkennbar.
UNIKAT! Röhrenradio Intimo mit Plattenspieler ZIPHONA PERFEKT
KW UKW MW LW TA, ECC85, ECH81, EBF89, ECL82, EM84
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