2007 - 08 - Radmarathon "Ötztaler (Ötzi)", Soelden

Veranstalter / Ergebnis / Photos - Datum: 26.08.2007

So, der Ötzi ist vollbracht. Stolz und glücklich bin ich wieder zu Hause. Hier mein Bericht, so geschrieben für das iMagic-Forum.

Mein Bericht zu Ötztaler-Radmarathon 2007:

Der Tag der Wahrheit naht. Samstag um 4:30 Uhr rappelt der Wecker, aufstehen, frühstücken, die letzten Sachen verstauen und los. Ich hole strwd ab, dann fahren wir gemeinsam zu Carsten. Alles geht schnell. Auf dem Weg nach Sölden hatten wir leider etliche Staus, so daß wir deutlich hinter der erwarteten Ankunftszeit ankamen.

Trotzdem machten strwd und ich noch eine Minirunde von 30min, eigentlich nur, um das Rad noch einmal zu checken. Aber selbst bei so einer Runde merkt man irgendwie was los ist, und ich sagte noch: Ich fühle mich richtig gut. Meine Beine sind top!

Abends trafen wir dann Zug um Zug alle übrigen iMagicer. Endlich durfte ich auch Lothi und triduma in echt kennen lernen. Total nett. Wir haben schon eine tolle Truppe in der Liga...

Oxi regte sich dann noch über mich auf, weil ich überhaupt nicht nervös war...Ich hatte aber auch keinen Grund. Ich fühlte mich gut, habe ordentlich trainiert, wußte vom iMagic-Ötzi, daß ich das Ding packe, so what?

Sonntag lief dann alles nach Plan, das Wetter war ein Traum, sternenklarer Himmel, Wahnsinn. strwd und ich fuhren regelwidrig um 05:50Uhr von vorne zum Start. Mit Erschrecken stellten wir fest, daß schon alles ziemlich voll war. Ich bemerkte aber, daß nicht überall ein Gitter war, sondern teilweise nur ein Plastikabsperrband. Ca. 150m hinter der Startlinie erspähte ich eine richtige Lücke unter den Wartenden, genau hier war auch nurein Band, also nicht lange überlegt und rein in die Lücke! Auf gleicher Höhe auf der anderen Seite sahen wir dann rios, blitzdings und noch andere Koryphäen aus dem TourForum, die ich teilweise kannte, von RTF's oder von Ausfahrten im Bergischen Land.

Mein Rad: 11kg, Radon, Alu - von der Stange, KK 50/34, hinten 12-27. Mit dieser Übersetzung bin ich den Highlander und den iMagic-Ötzi gefahren, völlig ausreichend.

Kurz nach dem Startschuß konnten wir uns auch in Bewegung setzen und so ging es los.

Was hatte ich vor?

- Schnell nach Ötz

- Moderat zügig auf's Kühtai

- bis hinter den Brenner volles Rohr

- Jaufenpaß engagiert, mit Puffer zur ANS

- Timmelsjoch - schauen, was geht

Das war mein Plan und für die Endzeit schätzte ich mich auf sub11h ein. Warum? Nun, beim iMagic-Ötzi brauchte ich ja 12h30 brutto, zu keiner Zeit konnte ich auch nur annähernd mit den Liga-Cracks mithalten, und ich hatte von Anfang bis zum Ende sichtlich Probleme. O.k., ich hatte zwar eine Woche vorher den Highlander absolviert, aber das konnte kein richtiger Grund sein, schließlich hat frankn das Gleiche getan, und der war immer vorne dabei. Also war ich mit meiner Einschätzung sehr vorsichtig. Da aber die Zeit ein Resultat meines Puls sein sollte, und nicht umgekehrt, sah ich mich von Anfang an unerwartet auf einer Zielzeit von weit unter 10h!!! O.k., dachte ich, auch nicht schlecht. Ich achtete trotzdem strikt auf meinen "Pulsplan" und ließ mich zu nichts anderem verleiten.

So weiter zum Ablauf...

Direkt nach dem Start merkte ich, daß strwd nicht sofort das Tempo vorne mitgehen wollte. Ich zögerte keine Sekunde, verabschiedete mich, und schloß mich dann einer schnellen Gruppe an. Immer wenn ein noch schnellerer Zug vorbeikam, habe ich mich sofort diesem angeschlossen. So kam ich mit einem Mördertempo in Ötz an.

Wie von vielen gehört, war am Kühtai wirklich "rush-hour" angesagt, Rad an Rad, horizontal wie vertikal, soweit das Auge blickte. Wahnsinn. Das Fahren verlief aber überraschend gut. Es gab eigentlich keine echten Hakeleien, alle waren diszipliniert. Gespenstisch war ein bißchen, daß man inmitten von hunderten von Mitstreitern fuhr, und es herrschte Totenstille. Kein Reden, kein Plaudern, nix. Nur hier und da ein Keuschen und Stöhnen und das Surren der Räder. Jeder auf sich konzentriert, auf sein Performance und seine Ziele.

Das Kühtai hat eigentlich vom Papier her die härtesten Steigungen, aber mir war klar, daß es hier völlig problemlos laufen würde. Frisch, voll mit Adrenalin und getragen von den anderen - ich kurbelte genauso, wie ich es vorhatte da hoch. Gegenüber dem iMagic-Ötzi saß in meiner Person ein völlig anderer Mensch auf dem Rad. Da wurde mir schon klar, daß ich vor 4 Wochen vielleicht einfach nur einen schlechten Tag erwischt hatte. Für das Kühtai benötigte ich 1h19. An der Verpflegung verweilte ich nur 4 Minuten, vor der Abfahrt noch schnell pinkeln, und runter in diese unglaubliche Abfahrt. Ohne Serpentinen, bis zu 16% Gefälle, ein Hammer. Ich hatte in der Spitze 84,3km/h. Ich bin ja ein Riesens

chisser bei Abfahrten. So war ich froh, daß es trocken war, trotzdem war ich dauernd auf der Bremse. Zu meinem großen Erstaunen habe ich aber bei jeder Abfahrt auch etliche Mitstreiter überholt. Es gibt also auch Fahrer, die noch vorsichtiger fahren...

Tja danach war mir klar, daß jetzt das Wichtigste ist, eine funktionierende Gruppe zu finden. Das gelang leider nicht so richtig. Direkt nach der Abfahrt war ich erst einmal alleine. Nicht weit vor mir sah ich aber eine Minigruppe. Ich mußte hier also erst einmal Schwerstarbeit leisten, um auf die Gruppe aufzuschließen. Das wollte ich eigentlich vermeiden. Diese Minigruppe wurde dann immer größer. Dann kam aber die erste Steigung zum Brenner hoch, die Gruppe platzte. Als dann wieder eine Speedpassage kam, war ich alleine, dachte ich...als ich mich aber einmal umschaute, bin ich fast vom Rad gefallen, als ich einen Rattenschwanz an meinem Hinterrad sah!!! Ich bin dann noch 1km so gefahren und habe dann Handzeichen gegeben, daß ich links rausfahre, damit der nächste übernimmt. Pustekuchen...keiner wollte nach vorne. Also habe ich aufgehört zu kurbeln und habe die ersten vorne somit gezwungen, die Führung zu übernehmen. Blöd war, daß die Gruppe jetzt langsamer unterwegs war, das gefiel mir nicht so gut, aber ich wollte nicht weiter im Wind fahren. Nach kurzer Zeit überholte aber ein schnellerer Zug, an den ich mich sofort dranhängte. Das war wieder ein schönes Tempo. Diese Gruppe blieb fast komplett bis zum Paß zusammen und wurde immer größer. Oben am Brenner habe ich dann eine längere Pause eingelegt (über 6min), habe mich vollgestopft mit allem, was die Station zu bieten hatte, Flaschen aufgefüllt, pinkeln und weiter. Die reine Brennerzeit (Innsbruck-Brenner) war 1h20.

Die Abfahrt war schwierig. Eine Kehre nach der anderen. Ich fuhr aber äußerst konzentriert, wurde nur von wenigen Fahrern überholt, überholte selbst aber auch den einen oder anderen. Das gab mir auch hier das gute Gefühl, daß ich im Trockenen gar nicht sooooo schlecht in den Abfahrten bin.Als ich wieder auf die Strecke kam schoß plötzlich frankn an mir vorbei. Sofort habe ich seinen Namen gerufen. Er hat mich gehört, auf mich gewartet, so sind wir dann zusammen bis zum Einstieg in den Jaufenpaß gefahren. Der Kerl war also 6min hinter mir. Durch sein "Durchfahren" am Brenner hat er auf mich aufgeschlossen. Ich freute mich jedenfalls, endlich einen iMagicer neben mir zu haben, und dachte eigentlich daß wir auch den Jaufenpaß gemeinsam bestreiten, wobei mir schon ein bißchen mulmig bei diesem Gedanken war, weil frankn ja bekanntlich stärker fährt als ich. Es kam aber anders...Naja, ich fühlte mich nach wie vor richtig gut, war gut verpflegt, und bin unter voller Kontrolle meines Pulsbereiches in den Jaufenpaß rein. Mir fiel sofort auf, daß ich relativ viele Mitstreiter überholte, mehr als am Kühtai und am Brenner, mit einer Leichtigkeit, die mich irritierte. Aber mit Blick auf die Polar hatte ich keine Bedenken, alles im grünen Bereich. Nach ein paar Minuten schaute ich mich nach frankn um und war baff, weil ich ihn nicht mehr sah. Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, daß er hat abreißen lassen. Weiter oben am Jaufenpaß kommen ein paar Kehren, bei denen man relativ weit nach unten blicken kann. Ich habe immer aufmerksam nach frankn Ausschau gehalten, aber er war nicht zu sehen. Hmmm...da ich aber genug mit mir selbst zu tun hatte, konzentrierte ich mich dann aber wieder auf meine Fahrt, und kurbelte sehr harmonisch bis zum Paß hoch. Oben habe ich dann fast 7min Pause gemacht. Ich habe mich ausgiebig ernährt, die Flaschen gefüllt, den Rücken gerade gerückt, gepinkelt, und dann in die Abfahrt gegangen. Apropos Rücken: ich habe ja bei langen Bergfahrten sehr oft extreme Schmerzen im unteren Rücken, vermutlich wird hier der Ischiasnerv geklemmt. Davor hatte ich richtig Angst beim Ötzi. Ich muß sagen, daß ich während der gesamten Runde zwar immer ein Zwicken hatte, aber niemals Schmerzen. Darüber war ich sehr glücklich und das ist auch mit ein Grund, warum ich auch am Jaufenpaß noch eine so gute Performance zeigen konnte. Also, Jaufenpaß beendet, in 1h20.

Tja, unten angekommen, geht es nahtlos sofort in das Timmelsjoch hinein. 29,5km immer nur hoch, hoch, hoch, nur sehr kurz von kleinen Erholungspassagen unterbrochen. Ein echter Killer.

Ins Timmelsjoch bin ich nach exakt 6h33min rein. Hier war ich also noch ganz eindeutig auf einer sub10h-Zeit unterwegs. Wie an der Schnur gezogen habe ich die ersten, sehr harten km hochgekurbelt, ich merkte zwar, daß die Kräfte so langsam nachlassen, aber der Puls blieb noch schön oben, und ich hatte keine wirklichen Probleme. Ca. be

i km 16 war dann eine Labstation. Hier verweilte ich 9min. Ausgiebig gegessen, getrunken, Flaschen aufgefüllt, Schuhe ausgezogen, Füße ein bißchen "gepflegt", gepinkelt, und weiter. Kurz bevor ich weiter wollte, kam Jensi zur Station. Also auch er "profitierte" von meinen langen Pausen...ich konnte gar nicht so schnell gucken, wie der wieder weiter fuhr: "Hallo, Boris, wie geht's, wir sehen uns heute abend...tschüß" Während er das sagte füllte er die Flaschen und war sofort wieder weg. Ich schätze, das Ganze dauerte 30 Sekunden.

Für mich ging's dann auch weiter. Ich kurbelte fleißig und flüssig weiter, aber jede Kurbelumdrehung mußte jetzt schon spürbar erarbeitet werden. 5km vor dem Tunnel war noch eine kleine Station, die ich aber ausließ. Ich hatte alles was ich brauchte. Kurz danach kommt das härteste Stück, die letzten Kehren zum Tunnel. Ich weiß nicht mehr genau wo es war, aber es war ungefähr 3km vor dem Tunnel, als ich ohne Vorwarnung plötzlich einen Krampf im Oberschenkel bekam (rechtes Bein, links innen). Da ich mit Krämpfen keine Erfahrung habe, ich habe sonst nie welche, wußte ich nicht genau was zu tun ist. Ich hielt also an. Ich klicke immer zuerst mit dem linken Bein aus. Beim Ausklicken verkrampften plötzlich beide Beine vollständig, wirklich komplett von oben bis unten. Ich schrie wie am Spieß, das war die Hölle. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, und hatte voll diePanik, weil ich nicht wußte, was da gerade passiert. Nach ca. 2 Minuten lösten sich die Krämpfe ein wenig. Erst jetzt traute ich mich, auch das rechte Bein auszuklicken, was gelang. Puh!!! Ich überlegte kurz, was ich jetzt machen soll. Und entschied, ein bißchen zu gehen, um so die Muskulatur vielleicht ein wenig lockern zu können. Ich schob dann das Rad ca. 100m, und

siehe da, es ging mir danach wirklich besser. Ich traute mich dann wieder aufzusteigen und fuhr weiter. Ich spürte aber, daß ich im Grunde genommen, bei jeder Bewegung kurz vor dem nächsten Krampf bin. Im Wiegetritt war es irgendwie weniger schlimm, weiß auch nicht warum. Also bin ich so oft wie möglich in den Wiegetritt, und bin ganz vorsichtig bis zum Tunnel gefahren. Ich war zwar kurz davor, habe aber keinen Krampf mehr gekriegt. Ab hier kam nichts Schlimmes mehr, auch die Gegensteigung nach dem ersten Abfahrtstück fand ich nicht mehr so schlimm, aber ich mußte seit dem Krampf bis zum Schluß ohne "echten" Druck auf dem Pedal weiterfahren, um einen neuen Krampf zu vermeiden. So erkärt sich letztlich, daß ich soviel Zeit verloren habe. Schade, aber geärgert habe ich mich eigentlich zu keiner Zeit. Ich wollte unter 11h bleiben, war zwischenzeitlich auf 9h30 unterwegs, und am Ende sind es 10h08 geworden.

Ich bin absolut glücklich, zufrieden und auf jeden Fall stolz, das Ding so zu Ende gebracht zu haben. Wenn jemand meint, er würde sich bei einem Ironman, RTF's oder sonstigen Radmarathons auf dem Rad gequält haben, dem kann ich nur empfehlen, nach 3 Päßen und 180km in den Beinen zum Schluß das Timmelsjoch hochzufahren. Was man hier durchmacht ist im Grunde genommen kaum zu beschreiben. Aber der Spruch "Blut, Schweiß und Tränen" trifft es schon ganz gut. Und wenn man zwischenzeitlich nicht genau weiß, wie man die nächste Kurbelumdrehung hinbekommen soll, dann hat man eine ziemlich präzise Vorstellung davon, was Qual auf dem Rad bedeutet.

Aber wie bei allen Wettkämpfen entschädigt das Überschreiten der Ziellinie! Man ist einfach nur noch stolz und glücklich, von mir aus werden auch noch Endorphine ausgeschüttet...jedenfalls ist es wohl genau das, warum man solche Dinger überhaupt bestreitet.

Offiziell 238km, 5.500 Höhenmeter, 4 Päße...von weit über 4.000 Teilnehmern bin ich auf Platz 1.719 gelandet. Damit bin ich voll und ganz zufrieden.

Mein nächstes Ziel ist natürlich die sub10h! Das war sicher nicht mein letzter Ötzi.