DAS GROSSE ADAC ALPENBUCH

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DIE PELVOUX GRUPPE (auszugsweise)

Das Zentrum der Gruppe nimmt das Naturschutzgebiet Parc National des Ecrins ein.

Die Hochgebirgswelt um den Mont Pelvoux (3914 m) zählt zu den stilleren Alpengebieten Frankreichs.

Zu Recht werden die Gipfel im zentralen Pelvouxmassiv als wildester teil der Alpen bezeichnet.

'' Diese Gegend enthält die höchsten Berge und einige der schönsten Landschaften Frankreichs...

ihre Klippen, Bergströme und Schluchten sind unvergleichlich, ihre tiefen und wilden Täler bieten kühne und selbst erhabene Schauspiele dar, und was die Kühnheit der Bergformen

betrifft, so hält sie mit jeder anderen Landschaft den Vergleich aus...''

schrieb der englische Zeichner und spätere Matterhornbezwinger Edward Whymper.

Wurden die bekanntesten Berge - der Mont Pelvoux und die Barre des Ecrins - bereits um die

Mitte des vorigen Jahrhunderts bestiegen ( die Barre des Ecrins 1864 im Jahr vor dem Matterhorn durch Edward Whymper ), so waren die Felsabbrüche der Grand Pic de la Meije erst zwanzig Jahre später das Ziel mehrerer österreichischer Bergsteiger.Emil Zsigmondy, einer der

hervorragendsten Alpinisten seiner Zeit, dem wir auch eine andere anschauliche Beschreibung

der Pelvouxberge verdanken, stürzte 1885 nach einem Seilriß in der Meije-Südwand zu Tode;

erst 1912 gelang einer anderen österreichischen Seilschaft die Durchkletterung der dunklen Wand.

LÄRCHENWÄLDER UND ORCHIDEENWIESEN

Die Flora des Ecrins-Nationalparks unterscheidet sich stark von derjenigen der französischen

Nordalpen: Die Nadelbäume sind vorwiegend durch Lärchen vertreten, die man oft in Höhen bis zu 2400 m findet. An den Schattenseiten stehen Buchen und Fichten, die der Sonne

ausgesetzten Südflanken weisen, wenn überhaupt, nur spärlichen Bewuchs auf - Kiefer,

Buchsbaum und Wacholder, denen die Trockenheit nicht viel anhaben kann, sind hier die

häufigsten Pflanzen. Von den wenigen, meist schlagartig einsetzenden, heftigen Regenfällen

wird viel Boden fortgespült, vor allem an den kahlen Hängen der Almregion.

In den Höhenlagen der Pelvouxgruppe findet man eine erstaunliche, oft geradezu überwältigende mediterrane Blütenpracht: Goldregenbäume, duftende Narzissen-und

Orchideenfelder bedecken die flacheren Hochböden, und die Verbreitung einer Reihe von Pflanzen sind ausschließlich auf diesen südlichen Alpenteil beschränkt ( wie z.B. die gelben

Blüten der Berardia lanuginosa oder das Zwergsträuchlein Alyssum alpestre, Alpensteinkraut);

Alchemillen (Alpenfrauenmantel) und die weißen Blüten der Paradieslilie (Liliastrum paradisia)

wachsen oft zu Zehntausenden nebeneinander.

Am Col du Lautaret (2058 m) gibt es übrigens einen Alpengarten, in dem die meisten Pflanzen auf kleinstem Raum zu finden sind.

DER ALPEN GRÖSSTER STAUSEE

Wenig hundert Meter westlich von Embrun beginnt der riesige Wasserspeicher des Lac de Serre-Poncon, dessen Erddamm die Flüsse Durance und Ubaye zu einem 30 km² großen See aufstaut.

AUF DEN SPUREN NAPOLÉONS

Wenn wir unsere Reise um die Pelvouxgruppe fortsetzen und dem Lauf der Durance nach Westen folgen, erreichen wir in einer großen Talweitung Gap, die mit ihren gut 25000 Einwohnern eine der großen inneralpinen Städte ist. Sie ist an der Kreuzung zweier bedeutender Straßenzüge gelegen, der Route Napoléon und der Verbindung Valence - Briancon. Das große Departementsmuseum zeigt zahlreiche Funde aus der Zeit des römischen Strassenbaus sowie interessante naturhistorische Sammlungen.

Eine alte große Nord-Süd-Verbindung, parallel zur weiter östliche verlaufenden 'Route des Grandes Alpes' ist die (ganzjährig offene) Route Napoléon, die Bonaparte bei seiner Rückkehr aus der Verbannung auf der Mittelmeerinsel Elba benutzte.

Im März 1815 landete er an der Mittelmeerküste bei Cannes. Mit einem kleinen Trupp von Getreuen durchquerte er die französischen Alpen in Eilmärschen. Erst am Westrand der Pelvouxgruppe, im unteren Dractal, stieß er auf die Truppen des wiedereingesetzten

französischen Königs, die mit der Sprengung einer Brücke bei La Mure Napoléons Rückkehr

nach Paris verhindern sollten. Die Uneinigkeit der Soldaten untereinander hatte ihren Rückzug bis Laffrey zur Folge, wo Napoléon sie einholte und sie mit den Worten:

' Soldaten, ich bin Euer Kaiser ! Wenn Einer unter Euch seinen General erschießen will,

hier bin ich ! ' für sein Unternehmen gewann. Kampflos zog er in Paris ein, wo er allerdings

nach der 'Herrschaft der hundert Tage' erneut zur Abdankung gezwungen wurde, nachdem die europäischen Großmächte sein Heer vernichtet hatten.