Reise in die baltische Staaten im Elektroauto

(Stand: Juli 2018 / Tesla Model S 2013)

Die Reise und deren Idee

Anfang 2018 wurden wir nach Schweden zu einer Hochzeit im Juli 2018 eingeladen und da stellte sich die Frage, wo wir denn unseren Sommerurlaub verbringen, wenn wir schon mal in Schweden sind. Warum weiss bei uns niemand mehr so genau, aber wir kamen zum Schluss, nach der Hochzeit in die baltischen Staaten in den Urlaub zu fahren. Seit wir ein Elektroauto fahren sind wir nie mehr mit dem Flugzeug in den Urlaub und hatten dies auch im 2018 nicht vor.

Als Familie waren wir noch nie in den baltischen Staaten. Riga war mir hingegen von einer früheren Reise bereits bekannt. Als Familie suchen wir selten den 08-15 Urlaub und geniessen jeweils ein bisschen die Herausforderung. Gerade deshalb ist für uns als Familie mit 5 Jahren umd mehr als 180'000km Tesla Erfahrung eine Reise in Länder mit vorhandener Tesla Ladeinfrastruktur schon bald langweilig. Wir wollten auch im 2018 mal etwas Neues erfahren.

Gesagt, getan: Bereits die Planung offenbarte uns viel Neues und Bereiche, bei welchen wir uns in der Schweiz sogar eine Scheibe abschneiden können!

Sonnenuntergang in Klaipeda

Coole Abendstimmung am Strand

Ursprüngliche Reisplanung mit markierten Reisezielen:

Die Rückreise haben wir schlussendlich, entgegen der Planung, von Klaipeda aus mit einer Fähre nach Kiel und von dort aus mit dem Auto nach Hause gemacht. Der Weg via Polen sei, gemäss lokaler Bevölkerung, nicht zu empfehlen. Zudem war uns die Autoreise dann doch etwas zu lang.

Zusammengefasste Erkenntnisse für den Leser in Eile

  • Südschweden: Typ2 Säulen von E.ON haben bei uns mehrfach Probleme verursacht. Der Kundendienst war aber HERVORRAGEND! Die E.ON Schnelladesäulen hingegen haben perfekt funktioniert.

  • Schweden und baltische Staaten: Es gibt vielfach Stationen, welche zwar bei NewMotion eingetragen sind, aber keinen Tarif ausweisen. Diese können u.U. nicht richtig funktionieren. In unserem Fall hat eine solche Säule genau einmal funktioniert und danach nie wieder. Diese Ladung wurde bei NewMotion auch nie registriert. Somit scheint es da ein Konfigurations- oder Kommunikationsproblem zu geben. Ich habe das Problem an NewMotion gemeldet.

  • Fahren in den baltischen Staaten: Generell nicht schwieriger als in der Schweiz, aber meistens viel entspannter, weil weniger Verkehr. Einzig in Litauen scheint man etwas agressiver zu fahren (Überholen) als in den anderen Staaten. Qualität der Überlandstrassen ist generell sehr gut. In Städten vergleichbar mit Italien und Frankreich.

  • Laden in den baltischen Staaten: Grundsätzlich in allen 3 Ländern sehr gute Infrastruktur (Typ2, CCS, CHADEMO) vorhanden, die ausnahmslos funktioniert hat und NIE zugeparkt war. CHADEMO ist ein MUSS für den Teslafahrer. Es braucht verschiedene Ladekarten (siehe unten) und Ladeapps.

  • Wetter: Wir durften einen Ausnahmesommer geniessen, welcher gemäss der lokalen Bevölkerung deutlich trockener und wärmer war als normal. Somit kann ich hier nicht wirklich ein Empfehlung zum Wetter abgeben. Wir hatten jeden Tag zwischen 25 und 30° und konnten an vielen Stränden auch baden. Am Schluss der Ferien waren wir alle sogar brauner als von Mittelmeerferien. Die Sonne ist im Norden viel angenehmer und es braucht deutlich weniger Sonnencrème! :-)

  • Essen: Wir haben überall sehr gut und vor allem sehr günstig gegessen! Auffallend war, dass die Restaurants in den baltischen Staaten offenbar nicht viel Vorräte halten und somit kommt es regelmässig vor, dass einige Angebote auf der Menükarte gerade nicht erhältlich sind. Dadurch wird es aber wohl weniger Abfall geben! Während man hier in der Schweiz für ein normales Nachtessen zu viert (ohne Wein) gut und gerne 100-120Fr. rechnen muss, zahlten wir in den baltischen Staaten jeweils zwischen 30 und 40EUR!

  • Sauberkeit: Uns ist generell die Sauberkeit in allen Gebieten und Städten der 3 baltischen Staaten positiv aufgefallen. Mindestens so sauber wie in der Schweiz! Selbst die russischen Einwohner und Touristen verhalten sich hier vorbildlich - entgegen Berichten, welche man aus der Presse liest.

  • Energiegewinnung: Leider ist es noch so, dass in allen 3 baltischen Staaten die elektrische Energie fast ausschliesslich aus Kohlekraftwerken stammt. Da gibt es noch einiges an Verbesserungspotential.

  • Zeitverschiebung: +1 Stunde

  • Währung: Überall Euro

  • Zoll: Alle 3 Länder sind Mitglied der EU wie auch dem Schengen Abkommen.

FAZIT: Die baltischen Staaten sind für einen Urlaub vor allem für Naturliebhaber (50% ist bewaldet) empfehlenswert - gerade und vor allem auch für den Elektronauten!

Nie zugeparkt! Selbst direkt vor dem Eingang zum Supermarkt nicht!

Immer gut angeschrieben

Einleitung

Die Idee für eine Reise durch die baltischen Staaten entstand, nachdem wir eine Einladung für eine Hochzeit in Schweden erhielten. Als Familie bevorzugen wir Entdeckungsreisen mit einem gewissen Anteil an Unbekanntem und Abenteuer und seit wir unseren Tesla haben (Model S vom November 2013) verzichten wir gänzlich auf Flugreisen.

Die baltischen Staaten sind mit Auto erreichbar und waren uns, abgesehen von einer Wochenendreise nach Riga vor mehr als 10 Jahren, gänzlich unbekannt. Eine kurze Google Suche zeigte, dass es in allen 3 baltischen Staaten Ladeinfrastruktur gibt, wenn auch keine Tesla Supercharger.

Somit genügen die baltischen Staaten vorerst mal unseren Anforderungen und wir begannen mit der Planung (siehe Karte oben).

Schlüsselpunkte der Reise sollten die Folgenden sein:

  • Tallinn (soll offenbar eine schöne Altstadt haben)

  • Eine Reise in die Natur im nördlichen Estland

  • Einen Abstecher nach St. Petersburg haben wir verworfen, wegen Visakosten und weil wir sonst schon genug fahren.

  • Riga mit Altstadt

  • Jurmala als bekannter Badeort von Lettland grad unterhalb von Riga

  • Pärnu, welches offenbar früher der Flanierstrand für die gehobenere Bevölkerung war.

  • Vilnius und von da auf der “Bernsteinstrasse” nach

  • Klaipeda und Palanga, welches beide bekannte Badeorte sind.

Allgemeine Erfahrungen

Generell waren wir in allen 3 baltischen Staten total überrascht, den Fortschritt zu sehen, welchen die Länder seit deren Unabhängigkeit von der Sowjetunion im Jahre 1998 erfahren haben. Für diese Länder war es definitiv der richtige Entscheid der EU und dem EURO beizutreten. Sie haben davon profitiert und offensichtlich die erhaltenen EU Kredite am richtigen Ort eingesetzt, um sich schneller auf einen aktuellen Stand bringen zu können. Die meisten Überlandstrassen und Autobahnen (soweit vorhanden) sind auch heute noch mit grossen EU Plakaten versehen. Die Leute mit denen wir gesprochen haben, scheinen für den erhaltenen EU Support dankbar zu sein.

Die Infrastruktur in den Ländern ist heute nicht mehr von Italien und Frankreich zu unterscheiden und das Verhalten der Bevölkerung unterscheidet sich fast nicht mehr von allen anderen Europäischen Ländern (hier wird wahrscheinlich sogar mehr mobil telefoniert als bei uns). Teilweise ist die technische Infrastruktur (insbesondere die Kommunikation) sogar besser als bei uns! WLAN ist in allen 3 Ländern an allen öffentlichen Plätzen und Restaurants eine Selbstverständlichkeit geworden. Wenn man Cash bezahlen will, wird man schon fast komisch angeschaut.

In allen 3 Ländern spricht die Bevölkerung genügend gut Englisch, um sich verständigen zu können. Die Jüngeren tendenziell besser als die Älteren, weil alle heute Englisch als 1. Fremdsprache lernen und Russisch erst in 2. Priorität. Ältere Leute können, bedingt durch die Geschichte der Länder, teilweise sogar noch ein paar Worte Deutsch. Wir konnten uns selbst draussen in den Naturreservaten jederzeit verständigen.

Interessant ist, dass alle 3 Staaten eine andere Sprache haben und sich untereinander nicht verstehen (reden Englisch untereinander!).

Fahren ist in den baltischen Staaten einfacher als in der Schweiz, weil es viel weniger Verkehr hat, die Automobilisten sich generell gut an die Gesetze halten und grundsätzlich sehr rücksichtsvoll fahren. Die Überlandstrassen sind meistens von sehr guter Qualität.

Dennoch gibt es ein paar Spezialitäten:

  • Autobahnen verfügen über definierte Möglichkeiten für U-turns.

  • Es gibt Busstops auf Autobahnen und demzufolge manchmal auch Leute auf den Autobahnen.

  • Jeder Kreisverkehr funktioniert irgendwie anders und wir haben die Regeln bis heute nicht herausgefunden. Sie sind aber grundsätzlich einfach zu fahren.

  • Die Geschwindigkeiten sind meistens auf 50, 70, 90 oder 110 beschränkt.

Leider wurden uns die Gewohnheit von unserer Bevölkerung, die alten Autos in den “Osten” abzuschieben, hier knüppelhart vor Augen geführt: Wir haben nie vorher so viele Dieselautos gesehen, welche so starken russen! Wir sollten mit dem Autoexport aufhören und die Kisten verschrotten!

Die baltischen Staaten gelten generell als sehr sicher (abgesehen von gelegentlichen Taschendiebstählen, wie es sie bei uns auch gibt). Dabei scheint vor allem Litauen das sicherste Land Europas zu sein. Unser Verhalten in Bezug auf die Sicherheit, insbesondere auch in Bezug auf das Parkieren des Autos, war nie anders als in der Schweiz. Wir hatten zu keinem Zeitpunkt ein mulmiges Gefühl.

Die 3 Länder hatten während unserem Aufenthalt gerade einen Rekordsommer. Somit ist es schwierig über das Wetter etwas zu sagen. Gemäss der lokalen Bevölkerung war es hier noch nie so lange so heiss! Wir hatten jeden Tag zwischen 28 und 31° und wurden fast brauner als nach Ferien in Italien. Obwohl es sehr warm war, war aber die Sonne angenehmer als in Italien und wir brauchten deutlich weniger Sonnencrème als sonst. :-)

Die Bevölkerungen der 3 Staaten sind generell sehr freundlich und der Tourismus ist hoch willkommen. Die Leute können in Englisch manchmal ein bisschen schroff wirken, aber ich glaube dies hängt eher ein bisschen zusammen mit der Übersetzung ins Englische.

Das Essen ist in allen 3 Staaten sehr günstig. Während wir in der Schweiz für ein normales Nachtessen zu viert mit Getränken immer über 100Fr. bezahlen, reichen in den baltischen Staaten jeweils 30-40 EUR!

Möglicherweise noch gewohnt aus den alten Sowjetzeiten, stört es hier die Bevölkerung wenig, wenn mal etwas nicht grade funktioniert (ähnlich wie Frankreich). Wenn der Service im Restaurant halt mal eine Stunde braucht, dann braucht es halt eine Stunde. Da scheint sich niemand (ausser wir) aufzuregen! Wenn der Überlastschutz des Lifts ständig reklamiert, dann ist das halt so und wenn die Klimaanlage nicht funktioniert bin ich als Schweizer offenbar ebenfalls der Einzige der reklamiert.

Die Ladeinfrastruktur ist in allen 3 Ländern ausreichend vorhanden (siehe dazu die einzelnen Länder). Chademo Adapter ist empfohlen.

Vor allem: Während dem ganzen Urlaub habe ich KEINEN EINZIGEN Ladeplatz vorgefunden, der durch ein Verbrennerauto zugeparkt gewesen wäre! Selbst direkt vor dem Eingang des Shopping Centers in Klaipeda und auf dem Rathausplatz wo gerade der Samstagsmarkt stattfand nicht! Alle sind schön grün markiert und die Leute halten sich dran. Unglaublich!

Musikbrunnen in Klaipeda

Fahrt in den Norden

Aus terminlichen Gründen bin ich alleine mit allem Gepäck bis nach Dänemark gefahren und habe meine Familie dort am nächsten Tag am Flughafen abgeholt.

Dabei habe ich zum ersten mal die Fahrt als Mitfahrgelegenheit angeboten mit der App BlaBlaCar. Bis nach Hamburg hatte ich 2 Mitfahrer und von Hamburg nach Dänemark einen. Alle haben zwischen 20 und 30 EUR bezahlt, waren zur Zeit am vereinbarten Ort und ich musste so die lange Reise nicht alleine fahren.

Ich kann diesen Mitfahrdienst für die, die viel alleine unterwegs sind sehr empfehlen.

Auf der Fahrt nach Dänemark habe ich südlich von Hamburg bei einem Destination Charger Hotel einen Zwischenhalt mit Übernachtung eingelegt. Das Hotel zur grünen Eiche kann ich bestens empfehlen. Es befindet sich in der Lüneburger Heide und hat ein sehr gutes Preis-/Leistungsverhältnis. Obwohl es gleich um die Ecke einen Supercharger gibt, ist es viel gemütlicher dort das Auto über Nacht kostenlos aufzuladen. Zudem isst man im Hotel sehr gut.

Hotel zur grünen Eiche in der Lüneburger Heide nahe Hamburg.

Ein Hotel, welches man sonst auf der Reise nach Norden nicht einfach so findet.

Tesla Destination Charging macht's möglich.

Nach einem feinen Nachtessen und einem guten Schlaf waren sowohl das Fahrzeug wie auch der Fahrer bereit für die Fahrt nach Schweden, via Kopenhagen Flughafen, wo ich noch die Familie abholte. Kurz nach der Abfahrt konnte ich noch einen weiteren BlaBlaCar Gast auf einer Raststätte mitnehmen, welcher bis nach Kopenhagen reisen wollte.

Nachdem die Familie wieder vereint war, konnten wir uns in die Region Trelleborg aufmachen, wo es bei der Familie der Braut noch einen Empfang gab für die internationalen Gäste. Weil wir etwas spät dran waren, haben wir nicht nachgeladen und sind mit den letzten Ampère in der Batterie bei der Familie angekommen. Da es sehr nahe der Familie gleich mehrere öffentliche Ladestationen gab, wollten wir den Hausherr, in Anbetracht der bevorstehenden Hochzeit nicht noch mit Ladefragen belästigen. Ein Fehler, wie es sich später erwies!

In Südschweden gibt es einige 22kW Typ2 Ladestationen, welche von E.ON betrieben werden. diese haben uns am Vorabend der Hochzeit um unseren Schlaf gebracht, weil sie gleich mehrfach nicht oder schlecht funktionierten. Der Kundendienst war hingegen hervorragend. Die haben uns telefonisch von Ladestation zu Ladestation begleitet, bis wir genügend Saft in der Batterie hatten. Und obwohl es offenbar keinen Vertrag mit NewMotion gibt, haben Sie uns kostenlos Strom geliefert, bis wir genug hatten, um zum Supercharger zu fahren!

Es scheint, als ob es bei NewMotion viele Lademöglichkeiten gibt, welche keinen Tarif enthalten. Bei diesen ist Vorsicht geboten. Es kann gut sein, dass diese mit NewMotion nicht funktionieren. Problem ist gemeldet.