Fliegen mit Seitenfaden

Der Seitenfaden als Anstellwinkelmesser bietet im Segelflug großes Sicherheits- und Leistungspotenzial, das bisher von den meisten Piloten noch nicht erkannt worden ist.

So warnt der Seitenfaden nicht nur vor einem ungewollten Überziehen, sondern ermöglicht es den Piloten mit optimalem Anstellwinkel in der Thermik zu kreisen. Er kann eindeutig anzeigen, wie weit man noch vom Strömungsabriss entfernt ist und ist im Gegensatz zum Fahrtmesser nicht von Fluglage, Beladung oder Klappenstellungen abhängig.

Der Seitenfaden wurde als Empfehlung in einer Anlage der Segelflugausbildungsmethodik endlich offiziell anerkannt.

Funktionsweise

Der Anstellwinkel ist der Winkel zwischen einer Bezugslinie, meistens der Profilsehne, und der anströmenden Luft. Der Auftriebsbeiwert ca, und damit der Auftrieb eines Flugzeugs, ist direkt vom Anstellwinkel abhängig, wie die Lilienthalpolare zeigt. Wird der Anstellwinkel zu groß, reißt die Strömung ab. Traditionell wird die Geschwindigkeit und das Fingergefühl des Piloten als Anhaltspunkte verwendet, um abzuschätzen, wie viel langsamer man noch fliegen kann. Bei hohen Geschwindigkeiten ist der Fahrtmesser ein geeignetes Instrument zur Flugüberwachung. Um jedoch dem Piloten bei niedrigen Geschwindigkeiten, z.B. beim Kreisen in der Thermik, mitzuteilen, wie weit das Flugzeug noch vom Strömungsabriss entfernt ist, ist der Fahrtmesser nicht geeignet, da die Geschwindigkeit des Strömungsabrisses von vielen Faktoren wie Flächenbelastung, Schräglage und Klappenstellung abhängt. Der Anstellwinkel beim Strömungsabriss ist jedoch immer derselbe, weshalb es am sinnvollsten ist, den Langsamflug nach Anstellwinkel zu steuern. Der Anstellwinkel wird durch den Seitenfaden angezeigt.

Anbringung

Der Seitenfaden sollte seitlich an der Haube, für den Piloten gut sichtbar, mit möglichst wenig Abstand zum Haubenrahmen (um Störeffekte durch Schiebeflug zu vermeiden) angebracht werden (in Schulflugzeugen am besten auf beiden Seiten).
Anschließend müssen im Flug der Anstellwinkel des besten Gleitens (oder gelbes Dreieck) und der Anstellwinkel, bei dem die Strömung abreißt, von einem erfahrenem Piloten erflogen und markiert werden.

Lilienthalpolare (beispielhaft) und Anstellwinkel α

Markierungen

Im Flug

Im Langsamflug befindet sich der Anstellwinkel zwischen den Markierungen für den Stall (Strömungsabriss) und dem bestem Gleiten. Je mehr gezogen wird, desto größer wird der Anstellwinkel und damit der Ausschlag des Seitenfadens nach oben. Kommt der Seitenfaden der Stall-Markierung sehr nahe, sollte im Höhenruder nachgelassen werden. Andernfalls droht ein Strömungsabriss.

Beim Abfangen nach einem Strömungsabriss sollte auf den Seitenfaden geachtet werden, um ein erneutes, ein dynamisches Überziehen, bei dem der Anstellwinkel trotz hoher Geschwindigkeit den Stall-Wert überschreitet, zu vermeiden. (Solch ein zweites Überziehen ist eine häufige Unfallursache in Endanflugkurven, was durch den Seitenfaden vorher erkannt und verhindert werden kann.)

Beim Kreisen befindet sich der Anstellwinkel, wie im Langsamflug, zwischen den Markierungen für den Stall und dem bestem Gleiten. Bei größerer Querneigung und steigenden g-Kräften vergrößert sich der Anstellwinkel. Andersherum kann der Anstellwinkel durch Vermindern der Querneigung und Vermindern der g-Kräfte verkleinert werden. Wenn der Faden ausreichenden Abstand zur Stall-Markierung hat, kann ruhig weiter gezogen werden, um den Auftriebsbeiwert zu erhöhen, damit enger zu kreisen und so in der Thermik näher ans Aufwindzentrum zu gelangen. Kommt der Faden der Stall-Markierung sehr nahe, sollte unmittelbar im Höhenruder nachlassen werden, um einen Strömungsabriss zu vermeiden.

Beim Windenstart soll sich der Anstellwinkel zum Erreichen guter Schlepphöhen und zur Vermeidung zu großer Geschwindigkeiten zwischen der Markierung fürs beste Gleiten und der Stall-Markierung befinden. Es ist besonders darauf zu achten, genug Abstand zum Strömungsabriss einzuhalten!

Im Schnellflug befindet sich der Faden unter der Markierung fürs beste Gleiten, und die Anstellwinkelunterschiede werden sehr gering, so dass der Seitenfaden im Schnellflug wenig Aussagekraft hat. Im Schnellflug sollte deshalb auf den Fahrtmesser geachtet werden, um mit der gewünschten Geschwindigkeit zu fliegen und vne nicht zu überschreiten. Bei Wölbklappenflugzeugen kann man an der Seitenfadenstellung grob falsche Klappenstellungen erkennen.